Automotive Lean Production Award 2023

Wie im vergangenen Jahr konnten fünf Automotive-Unternehmen einen der begehrten Preise gewinnen. (Bild: Volkswagen Navarra)

„Von den Besten lernen“ lautet das Motto des „Automotive Lean Production Award“. Seit 2006 verleihen die Unternehmensberatung Agamus Consult und Automobil Produktion gemeinsam die renommierten Preise an Werke, die sich in erwähnenswerter Weise der Modernisierung und Digitalisierung gewidmet haben. Ausgezeichnet werden die Best Performer der gleichnamigen internationalen Studie. Ziel ist es, mit der Initiative einen Benchmark für Lean und Digitalisierung für die internationale Automobilindustrie zu etablieren, der Orientierung und Maßstab gibt.

Zum Start der Studie herrschte innerhalb der Automobilindustrie noch Verwunderung über die Konsequenz, mit der Toyota seine Lieferanten zu „0-Fehlern“ und Just-in-time (JIT) antrieb. Diese Skepsis hat sich in der Zwischenzeit aufgelöst und die Branche hat sich auf den Weg gemacht, seine Wertschöpfungsketten nach den Prinzipien eines schlanken Produktionssystems zu gestalten. Knapp 1.300 Werke aus 19 Nationen haben in den vergangenen 16 Jahren an der Studie teilgenommen. Rund 275 Evaluierungsbesuche wurden bei den Topperformern unternommen. 82 von ihnen wurden von der Jury letztlich ausgezeichnet.

„Die nominierten Werke haben uns auch dieses Jahr während der Evaluierungen sowohl mit einem gelebten Lean-Verständnis als auch mit innovativen Lösungen beeindruckt. Die Standards werden von der kompletten Organisation gelebt und das Shopfloor Managements ist tief verankert", so Agamus-Geschäftsführer Marc Kräutle über die diesjährigen Gewinner. "Mit einer intelligenten Digitalisierung von Produktion und Logistik sowie intensiver Anwendung von Analysetools erzielen die Top-Performer auf allen Ebenen eine größtmögliche Transparenz und ermöglichen dadurch eine schnelle fundierte Entscheidungsfindung.“

Automobil Produktion zeigt, welche OEMs und Zulieferer sich 2023 die begehrten Auszeichnungen verdienen konnten:

Award „OEM”: Volkswagen Autoeuropa Palmela

Der Award in der Kategorie OEM geht nach Portugal. Das Werk Volkswagen Autoeuropa in Palmela überzeugt hinsichtlich ganzheitlicher Verbesserung des Wertstroms, der Umsetzungsgeschwindigkeit sowie der vielen Digitalisierungsprojekte. Die Value Stream Methodik als strategisches Gestaltungselement spielt dabei eine entscheidende Rolle. Auf Basis des Makro-Wertstroms wurden Projekte zur Beseitigung der Engpässe und der Steigerung der OEE identifiziert und priorisiert.

Auf dem Shopfloor unter Einbeziehung der Mitarbeiter lassen sich clevere Ideen generieren und auch schnell umsetzen: Reduzierung der Rüstzeiten im Presswerk und Synchronisierung der Förderanlagen, automatisierte Materialzuführungen im Karosseriebau zur Ersetzung von manuellen Tätigkeiten, sowie viele Karakuri Lösungen. Zudem ist der Einsatz von Datenanalysen zur Lösung von komplexen Problemen fest in der Organisation des Automobilherstellers verankert – so zum Beispiel die Optimierung der Puffer zwischen Rohbau und Lack oder die Überwachung sowie Erkennung von Verschwendungen im automatisierten Lager. Weitere Digitalisierungsthemen sind beispielhaft die Inventur mit einer Drohne, ein Real Time Location System zur Steuerung des Verkehrs im Werk, das digitale Shopfloor Management, sowie die Maintenance App.

Der Fertigungsstandort steht nun vor der Herausforderung, den T-Roc Nachfolger SOP vorzubereiten. Dabei ist das Werk frühzeitig in die Phase Design to Build eingebunden, indem das Fahrzeug digital dem Werk übergeben wurde, um die Montierbarkeit zu prüfen. Mit Hilfe von Virtual Reality lassen sich die Montageprobleme durch praxiserfahrene Mitarbeiter identifizieren. Darauf aufbauend werden die kritischen Teile durch 3D Druck in Haus gebaut, um die Montagefähigkeit endgültig zu verifizieren.

Mitarbeiter: circa 5000

Was ist Lean Production?

Lean Production ist ein Produktionssystem, das auf der möglichst schwankungs- und verschwendungsfreien Ausrichtung aller Prozesse entlang des Wertstromes beruht. Zunächst eingesetzt von japanischen Autoherstellern wie Toyota, traten Just-in-Time und Just-in-Sequence an die Stelle der in Europa und den USA gebräuchlichen „gepufferten Produktion“, welche auf permanentem Fertigungsdurchlauf und stets gefüllten Lagern beruhte. Durch Elemente der Standardisierung wird bei der Lean Production ein planbarer Output sowohl in Richtung Volumen als auch in Richtung Qualität erreicht. Ein schlankes Produktionssystem bietet zudem die Möglichkeit der schnelleren Reaktion auf Marktveränderungen und -schwankungen. Industrie 4.0 und Digitalisierung sind in der heutigen Zeit ein fester Bestandteil und Unterstützer der Lean Production.

Award „Component Supplier“: BMW Leichtmetallgießerei Werk Landshut

Die Leichtmetallgießerei des BMW Group Werks in Landshut ist ein essenzieller Baustein des weltweiten Produktionsnetzwerkes des Unternehmens. Das strategische Zielbild der Hausfertigung der BMW Group beschreibt die iFACTORY mit ihren Stoßrichtungen Lean, Green & Digital. Das Landshuter Komponentenwerk erweiterte dieses Zielbild um das Feld Innovation.

Lean: Das WPS (Wertschöpfungsorientierte Produktionssystem) ist am Standort tief verankert: Problemsteuerblätter, Top-Fehler, Führen mit Wertstrom. Die digitale Prozesstafel (T-Cube) bietet eine durchgängige Lösung für das Shopfloor Management

Green: Herausragende Ergebnisse wurden in der Kreislaufwirtschaft erzielt. Die Beispiele für effizientere Fertigungsprozess-Innovationen und Evolutionen in der Gießtechnik zur Reduktion des Ressourceneinsatzes sind vielfältig. Eine am Standort geschaffene Erlebniswelt „Nachhaltigkeit“ ermöglicht es, Führungskräfte, Mitarbeiter und Lieferanten zu sensibilisieren.

Digital: Die Smart Maintenance App ist eine Applikation für die Instandhaltung und Produktion. Sie umfasst neben Unterstützung für die Instandhaltung das Störungsmanagement für die Produktion. Der Einsatz von Data Analytics ermöglicht zudem umfangreiche und systematische Prozessdaten- und Parameteranalysen zur Ermittlung der Root Cause und Abhängigkeiten bei Qualitätsabweichungen.

Innovation: Mit dem Fertigungsverfahren Injector Casting für die Fertigung innovativer E-Antriebskomponenten ist der Landshuter Leichtmetallgießerei ein enormer Technologiesprung gelungen, um die Qualitätsanforderungen und die komplexe Geometrie des Zentralgehäuses darzustellen. Die Vorteile des Verfahrens sind ein feineres Gefüge und dadurch verbesserte mechanische Eigenschaften, die Reduktion der Taktzeit aufgrund optimierter lokaler Erstarrung sowie die Reduktion von CO2.

Mitarbeiter: circa 3.600 (650 im Produktionsbereich Leichtmetallgießerei)

Kongress und Award-Gala

BMW Werk Dingolfing

Die Gewinner des „Automotive Lean Production Award“ erhalten ihre Auszeichnungen am 14. und 15. November 2023, dieses Jahr bei BMW im Werk Dingolfing und der BMW Welt in München. „Der Gewinn des Automotive Lean Production Awards zeigt, dass die DNA der BMW iFACTORY in unserem Werk Dingolfing bereits erlebbar ist. Unser Masterplan für die Zukunft der Produktion heißt LEAN. GREEN. DIGITAL. Und ist das strategische Zielbild unseres weltweiten Produktionsnetzwerks. Das Herzstück der BMW iFACTORY sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen ich zu dem Gewinn des Awards herzlich gratulieren möchte. In jedem unserer Werke sind sie die Gestalter des Transformationsprozesses", sagt BMWs Produktionsvorstand Milan Nedeljković.

Alle Infos unter: www.automotive-lean-production.de

Award „Part Supplier“: Werk Magna Otomotiv San Tic A.S.

Das 2012 errichtete Werk Magna Suadiye baut auf das starke Magna Produktionssystem MAFACT, welches in den letzten zehn Jahren kontinuierlich weiterentwickelt wurde. Das Werk zeichnet sich durch einen klaren Materialfluss vom Spritzguss-Bereich und den Wareneingang zur Montage sowie Warenausgang aus. Dank ihrer stabilen Prozesse lässt sich die Produktion über die Wertschöpfungsstufen auf dem Shopfloor einfach und transparent per Kanban und Heikunja steuern.

Neben einem starken Shopfloor Management hat das Digital Layer Process Audit der Jury besonders gefallen. Die Audits-Häufigkeiten für die unterschiedliche Hierarchiestufen sind klar geregelt und die Inhalte werden regelmäßig angepasst. Durch ein ausgeklügeltes Cross-Audit System - ein IT-Tool ordnet per Zufall einen Auditor zu unterschiedlichen Auditthemen und einem Produktionsbereich zu - wird sichergestellt, dass die Standards gelebt werden. Die zahlreichen IT-Lösungen für die KPI-Aufbereitung, Prozessdokumentation, Erstteilfreigabe, Dokumentenablagesystem, Prozesskontrolle, OEE-Verlusterfassung sowie Instandhaltungsaufträge führen zu einem geringen Aufwand bei gleichzeitig hoher Transparenz.

Ein weiteres Highlight ist die hervorragende Lieferperformance der Lieferanten, die es ermöglicht, die Bestände an Kaufteilen für ein Werk mit hohem Montageumfang und JIT Belieferung verhältnismäßig niedrig zu halten. Dabei dürften die Lokalisierung des Einkaufs am Standort, die geglättete Fertigungssteuerung, die systemische Anbindung der Lieferanten, der nahezu flächendeckende Einsatz von ASN (Advanced Ahipping Aotes) und die Gestaltung des Footprints wichtige Erfolgsfaktoren gewesen sein. Derzeit befindet sich ein weiteres Modulcenter im Bau, das ein weiteres OEM-Werk durch JIT unterstützen wird.

Mitarbeiter: circa 540

Special Award „Digital Use Case”: Audi Karosseriebau Neckarsulm

Das Widerstandspunktschweißen (WPS) ist die am häufigsten eingesetzte Verbindungstechnologie im Karosseriebau in der Automobilproduktion. Als anlagenintensiver Produktionsbereich wird dort eine Vielzahl an Daten generiert. In enger Zusammenarbeit zwischen dem Karosseriebau bei Audi in Neckarsulm, der Volkswagen IT und dem Audi Production Lab ist es Audi gelungen, die KI (Künstliche Intelligenz) für die Qualitätssicherung im Karosseriebau zur Serienreife zu bringen.

Bei WPS Analytics wird bei Audi in Neckarsulm unter Einsatz von maschinellem Lernen die Überprüfung von Widerstandspunktschweißverbindungen vorgenommen. So erfolgt im Karosseriebau des Audi A6 und Audi A7 eine 100%-Kontrolle der Schweißpunkte zusätzlich zur weiterlaufenden Stichprobenprüfung per Ultraschall auf Basis der im Prozess generierten Daten. Die Ergebnisse werden den Produktprüfenden über das Quality Dashboard direkt an ihren Arbeitsplätzen angezeigt.

Für die Entwicklung der Algorithmen haben die Data Scientists auf vorhandene Prozessdaten und Prüfergebnisse der letzten 3 Jahren zurückgegriffen. Die Pionierarbeit von Audi liegt insbesondere im Umgang mit den Ergebnissen der KI sowie auch in der zertifizierungssicheren Anwendung in der FertigungDer Use Case demonstriert, in welche Richtung der Volkswagen Konzern mit der Industrial Cloud geht. Die Zusammenführung von Produktionsdaten in einer digitalen Plattform ermöglicht einen einfacheren Roll-out über alle angebundenen Standorte, damit wird der Skalierungseffekt voll ausgeschöpft. Noch in diesem Jahr wird an drei weiteren Standorten des Volkswagen Konzerns die technische Infrastruktur für den KI-Einsatz für WPS Analytics. geschaffen.

Mitarbeiter: circa 15.505

Special Award “Data Driven Manufacturing”: Werk TE Connectivity Wört & Dinkelsbühl

Das Werk Wört & Dinkelsbühl hat mehr als 6.000 aktive Artikel-Nummern im Programm. Philosophie des Hauses ist es, die Kundenwunschtermine bestmöglich zu erfüllen, was aufgrund der Stufe in der Wertschöpfungskette und hoher Volatilität im Markt eine große Herausforderung darstellt.

Die Stärken des Werkes liegen seit jeher in der eigenen Werkzeugentwicklung und im eigenen Werkzeugbau (sowohl Stanz- als auch Spritzgusswerkzeuge), im Factory Located Engineering sowie in der Qualifikation der Arbeiter, welche nicht zuletzt auch auf ein hohes Maß an Auszubildenden zurückzuführen ist.  Im Hinblick auf Lean bietet das gruppenweite Business System (TEOA: TE Operating Advantage) den methodischen Rahmen, der vom Werk bedarfsgerecht für die Verbesserungen der Wertströme genutzt wird.

Eine absolute Vorreiterrolle innerhalb des TE Connectivity Konzerns hat das Werk Wört & Dinkelsbühl bezüglich der Digitalisierung ergriffen. Als erstes Werk innerhalb der Automotive EMEA Produktionsstandorte hat Wört & Dinkelsbühl bereits 2016 die Digitalisierung innerhalb der TEOA-Abteilung verankert. Mit der Einführung eines MES wurde frühzeitig die strukturelle Basis für die Digitalisierung der Fertigung geschaffen. Viele Use Cases wurden im Werk initiiert und pilotiert, bevor Sie in der Gruppe ausgerollt wurden. Als Highlights sind unter anderem das “Data Driven Stamping”, das “Real Time Camera Dashboard of Pin Positions”, der „Tool Tracker für Spritzguss-Werkzeuge“ oder das “dPIM” (Digitales Shopfloormanagement) in der Galvanik zu nennen.

Mitarbeiter: circa 2.200

Die Gewinner des Automotive Lean Production Awards 2022

Award „OEM“: BMW-Werk Dingolfing

Im Kontext der iFactory nimmt das Werk Dingolfing – und insbesondere die Technologie Montage – eine Vorreiterrolle innerhalb der BMW Group ein. Neben den vielen digitalen Use Cases, welche die Jury beispielsweise in den Feldern Data Analytics, Planung / Austaktung Montage-Arbeitsplätze, Qualitätssicherung, Smart und Predictive Maintenance, Werkerunterstützung, Automatisiertes Fahren im Werksumfeld, Virtuelle Fabrikplanung und Inbetriebnahme begeisterten, war für die Award-Vergabe auch wichtig, dass die Lean-DNA jederzeit spürbar war.

 

Award „Tier 1 Zulieferer“: FPT-Werk Bourbon-Lancy

Das Management-Team im Werk Bourbon-Lancy überzeugte mit seiner breiten Aufstellung bei Innovationsthemen, die vor allem auch in der hauseigenen Methodenwerkstatt entwickelt werden. Zudem legt das Management einen starken Fokus auf das Lean Management mit einer langfristig ausgelegten Roadmap und einer hohen Anzahl an Lean-Experten.

 

Award „Digital Use Case“: VW-Werk Portugal

Den „Digital Use Cases 2022“ hat die Jury im Werk Volkswagen Autoeuropa in Portugal gefunden. Der sogenannte Road Test Predictor ist eine bei Volkswagen Autoeuropa innerhalb der digitalen Produktionsplattform entwickelte Anwendung, die eine zuverlässige Vorhersage des Ergebnisses des Roadtests – des letzten Qualitätskontrollpunkts vor der Qualitätsfreigabe und anschließender Übergabe an den Kunden – unter Verwendung von Echtzeitproduktionsdaten entlang der Inhouse-Prozesskette ab Karosseriebau zum Ziel hat.

 

Award „Teilelieferant“: Eissmann-Werk Ungarn

Eissmann Automotive Hungaria Kft. wurde bereits vor 10 Jahren mit einem Lean Award ausgezeichnet. Inzwischen wurde das Lean Management noch weiter verfeinert und intensiviert. Das Werk Nyíregyháza nimmt heute eine Vorreiterrolle in der Eissmann Gruppe ein, viele Best Practices werden in Schwesterwerken ausgerollt.

 

Award „Lean Turnaround“: Rehau-Werk Viechtach

Das Werk Viechtach der Rehau Automotive hatte Ende 2018 immer wieder mit unzufriedenen Kunden, häufig problembehafteten Anläufen, verlorenen Programmen und einem unbefriedigenden Ebit zu kämpfen. Drei Jahre später sind diese Probleme gelöst. Das Werk in Viechtach hat ein ambitioniertes Lean Turnaround-Projekt gestartet und den Standort fit für die Zukunft gemacht.

 

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