Karsten Kroos, thyssenkrupp, in einem Simulator sitzend.

Karsten Kroos: "Wir arbeiten schon an den Lösungen für morgen und übermorgen. Denken Sie an Robotaxis oder vollautonome Fahrzeuge." (Bild: Bettina Mayer)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Thyssenkrupp war 10 Jahre lang nicht mehr auf der IAA. Warum?
Ja, wir sind seit 2007 zum ersten Mal wieder hier. Warum? Wir wollen das Signal senden, dass wir den revolutionären Wandel in der Automobilindustrie entlang der vier Megatrends – also Elektromobilität, Konnektivität, autonomes Fahren und digitale Fertigung – mit unseren Produkten, insbesondere auch mit Engineering-Leistung, unterstützen können. Wir fühlen uns gut gerüstet, um mit unseren Kunden das Gespräch zu suchen, denn wir können wirklich etwas zum Wandel beitragen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Mit welchen Produkten wollen Sie künftig wachsen?
Wir wollen in der Fläche als Thyssenkrupp in den Bereichen wachsen, in denen wir heute auch schon bei den Automobilherstellern vertreten sind. Das ist Karosserie, Fahrwerk und Antrieb und in vielen Bereichen auch durch die Einbindung in Elektrik und Elektronik, also die Integration von mechatronischen Komponenten und Softwarelösungen. Das wollen wir stark vorantreiben. Ich konzentriere mich mit meiner Verantwortung auf Chassis und Powertrain. Von diesen beiden Bereichen ist Chassis die am stärksten wachsende Geschäftseinheit. Der Treiber ist die Elektrifizierung der Lenkung, die ja vor einigen Jahren schon angefangen hat. Die hydraulischen Lenkungen sind schrittweise durch eine Vielzahl an Lösungen elektrischer Lenkungen ersetzt worden. Die Zukunft der Lenkung geht in Richtung Steer-by-Wire-Lösungen, die wir allerdings eher mittel- bis langfristig im Markt sehen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was kann Ihre Lenkung denn?
Auf dem Weg zum autonomen Fahren ist die Lenkung ein Kernprodukt, das wir auf der Hardware-Seite und auch in der Software nach vorne entwickelt haben. Wir können damit Lösungen für das autonome Fahren anbieten. Wir sind nicht der Anbieter des autonomen Fahrens, aber wesentlicher Hardware- und Software-Elemente, die darauf einzahlen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie viel Wachstum prognostizieren Sie für Ihren Bereich?
Wir sind im Moment mit Wachstum unterwegs, das stärker ist als das Marktwachstum im Sinne von Volumen und Stückzahl. Wir wachsen im Moment zweistellig. Das mittelfristige Ziel wird sich ergeben in Abhängigkeit der Marktentwicklungen. Wir sind sehr gut unterwegs und können schon rund 90 Prozent unseres geplanten Umsatzes bis 2020 in den Auftragsbüchern verbuchen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wenn Sie schon so viel vom geplanten Ziel erreicht haben, sind Sie quasi jetzt arbeitslos?
Nein, ganz im Gegenteil. Unsere Kunden fordern uns stark. Wir arbeiten permanent an unseren Kostenpositionen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Das, was wir im Moment unternehmen, ist schon der Blick über den Horizont von 2020. Wir arbeiten schon an den Lösungen für morgen und übermorgen. Die Kunden fordern von uns, über den Tellerrand hinaus zu denken und an zusätzlichen Innovationen zu arbeiten, die wir für zukünftige Fahrzeugkonzepte brauchen werden. Denken Sie an Robotaxis oder an vollautonom fahrende Fahrzeuge für unterschiedliche Anwendungen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie haben eine Entwicklungsplattform für Steer-by-Wire Technologie aufgebaut. Wo stehen Sie da?
Wir sind hier im Vorentwicklungsprozess. Das müssen Sie betrachten als eine Art Musterentwicklung. Mit der führen wir eine Technologie-Entwicklung durch, treiben das bis zu einem gewissen Reifegrad, haben erste Ansätze für Vorentwicklungsprojekte mit unseren Kunden, die die Perspektive haben, auch in Serienanwendungen zu gehen. Es sind aber noch keine Großserien-Entwicklungsprojekte, wie man sie im klassischen Produktentstehungsprozess sieht. Da sind wir noch ganz klar – zwar mit einem hohen Reifegrad – aber im Vorentwicklungsprozess unterwegs. Insgesamt haben wir bisher drei Versuchsfahrzeuge mit Steer-by-Wire aufgebaut und testen diese Technologie derzeit bei unseren Kunden in gemeinsamen Entwicklungsprojekten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Und Sie fokussieren mit Steer-by-Wire auf jeden Fall auf Elektrofahrzeuge?
Nicht ausschließlich. Das muss man grundsätzlich trennen. Es ist zwar richtig, dass oftmals wenn über Steer-by-Wire geredet wird, das im Rahmen der Elektromobilität erfolgt, aber grundsätzlich ist es unabhängig davon. Wir gehen davon aus, dass die Technologietrends sich mittelfristig einstellen und wahrscheinlich erst im Langfrist-Zeitraum parallel laufen werden, so dass es Interaktionen geben wird. Der eigentliche Treiber für Steer-by-Wire ist das autonome Fahren. Hier wird diese Technologie für mehr Komfort und neue Innenraumarchitekturen sorgen. Wenn zukünftig zum Beispiel auf längeren Strecken der Autopilot das Steuern übernimmt, ermöglicht Steer-by-Wire aufgrund der fehlenden mechanischen Zwischenebene ein Versenken bzw. Herausfahren des Lenkrades ins Cockpit.

Sie möchten gerne weiterlesen?