Volkswagen-Chef Herbert Diess schwört den Konzern vor allem wegen den Problemen bei neuen Abgastests auf ein schwieriges zweites Halbjahr ein. Im zweiten Quartal verdiente VW dank des weiter schwungvollen Verkaufs weltweit und dank des Erfolgs mit teureren Geländewagen zwar im Tagesgeschäft überraschend viel Geld. «Aber wir können uns darauf nicht ausruhen, denn in den kommenden Quartalen liegen große Anstrengungen vor uns - vor allem im Hinblick auf die Umstellung auf den neuen WLTP-Prüfzyklus», sagte Vorstandschef Herbert Diess am Mittwoch (1. August) in Wolfsburg. Auch die Dieselaffäre liegt dem Konzern mit weiteren Milliardenkosten weiter schwer in der Bilanz.
Volkswagen hat insbesondere bei der Kernmarke VW Pkw mit dem neuen Prüfzyklus zu kämpfen, weil das Unternehmen mit den Zertifizierungen seiner vielen Motor-Getriebekombinationen nicht hinterherkommt. Unter anderem stehen deswegen in mehreren Werken nach den Werksferien tageweise die Bänder still. Für schon produzierte Autos, die das neue Prozedere noch nicht durchlaufen haben, muss der Konzern große Flächen zum Zwischenparken anmieten.
Finanzchef Frank Witter sprach von einem «volatilen» zweiten Halbjahr, das wegen WLTP zu erwarten sei. Diess verwies zudem auf den drohenden Handelskrieg zwischen der EU, den USA und China. «Auch der wachsende Protektionismus stellt die global vernetzte Automobilindustrie vor große Herausforderungen.»
Volkswagen hat mit seinen 12 Fahrzeugmarken aber beim Absatz einen guten Lauf - und kann die Belastungen damit zumindest bisher finanziell weitgehend abfedern. Zwischen April und Juni kletterten die Auslieferungen im Jahresvergleich um knapp 7 Prozent auf 2,8 Millionen Fahrzeuge. Der Umsatz stieg um 3,4 Prozent auf 61,1 Milliarden Euro.
Dass der Konzern dabei vor allem bei teureren Autos besser dasteht und auch bei Kostensenkungen vorankommt, sorgte im abgelaufenen Quartal für einen deutlich besseren Betriebsgewinn im Tagesgeschäft. Vor Sondereinflüssen, Zinsen und Steuern kletterte das operative Ergebnis um 22,7 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro.
An der Börse sorgte das kaum für Euphorie, die Aktie lag am Morgen mit 1,6 Prozent im Minus. Die Konzernprognose für das operative Ergebnis stellte VW nämlich wie in den vergangenen Jahren üblich unter den Vorbehalt, dass Sonderposten ausgeklammert werden. Inklusive Sonderbelastungen werde das operative Ergebnis moderat unter dem angestrebten Korridor von 6,5 bis 7,5 Prozent vom Umsatz landen.
Denn die Sonderkosten sind nach wie vor bedeutend. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte den Wolfsburgern im Juni ein Bußgeld von einer Milliarde Euro aufgebrummt - Grund waren «Aufsichtspflichtverletzungen in der Abteilung Aggregate-Entwicklung im Zusammenhang mit der Fahrzeugprüfung» rund um die Dieselaffäre. Der Konzern hatte die Geldbuße akzeptiert.
Volkswagen verbuchte zudem noch einmal 600 Millionen Euro mehr für die Bewältigung des Dieselskandals - wegen höherer «Rechtsverteidigungskosten», wie es hieß. Gegen den Konzern laufen etliche Gerichtsverfahren, unter anderem sind 17.300 Einzelklagen von VW-Besitzern anhängig, die wegen der Manipulation von Dieselabgassystemen Schadensersatz verlangen. Viele der Verfahren räumt VW mit Vergleichen aus der Welt.
Darüber hinaus gibt es Ermittlungen gegen ehemalige und aktive Vorstände und Mitarbeiter in strafrechtlicher Hinsicht - sowie ein Verfahren, in dem Anleger dem Konzern zur Last legen, den Kapitalmarkt zu spät über die Dieselkrise informiert zu haben.
Mit den 1,6 Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten wächst die Rechnung für die Dieselaffäre auf insgesamt rund 27,4 Milliarden Euro. Vor allem in den USA hatte Volkswagen viel Geld bezahlt, um Rechtsstreitigkeiten mit Vergleichen zu beenden.
Im zweiten Quartal fiel der Gewinnzuwachs bei Volkswagen unterm Strich mit knapp 7 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro deutlich schmaler aus als beim operativen Ergebnis, weil die Sonderkosten einen größeren Sprung zunichte machten.