Staubsaugerhersteller Dyson, Elektronikkonzern Xiaomi oder Smartphone-Riese Apple – die Elektroautowende lockt zahlreiche Quereinsteiger aus anderen Branchen ins Mobilitätsgeschäft. Zu den vielleicht am wenigsten erwartbaren Neulingen zählt der Druckmaschinenkonzern Heidelberg, der in kurzer Zeit zu einem der größten deutschen Anbieter von Wallboxen und Ladesäulen geworden ist. Die Süddeutschen selbst jedoch sehen den Schritt als durchaus logisch an.
Die E-Mobilität öffnet branchenfremden Unternehmen eine Tür, die lange Zeit fest verschlossen war. Weil der antriebstechnische Vorsprung der etablieren Hersteller plötzlich keine Rolle mehr spielt und auch VW und Co. in vielen Bereichen neu anfangen und lernen werden müssen, scheint das rentable Autogeschäft plötzlich für jedermann greifbar. Dass es ganz so einfach nicht ist mit dem Brancheneintritt, mussten allerdings auch schon einige hoffnungsvolle Starter erkennen. Etwa der Luxus-Staubsaugerhersteller Dyson, der 2017 zunächst öffentlichkeitswirksam ein eigenes E-Auto ankündigte – und die Pläne knapp zwei Jahre später wieder kassieren musste. Selbst Börsenriese Apple hat sein Auto-Projekt „Titan“ trotz üppiger Mittel und hoffnungsvoller Geschäftsaussichten nie zur Serienreife entwickeln können. Mittlerweile liegen die Pläne auf Eis.
Während die anvisierten Einstiegsluken bei Dyson (Elektromotoren sind Kern jedes Staubsaugers) und Apple (Knowhow bei Software und Bedienbarkeit) ziemlich offensichtlich sind, sind die Synergien bei Heidelberg etwas versteckter. Schließlich ist der Konzern Weltmarktführer bei großen Druckmaschinen. Ein noch weniger mobiles Produkt ist jenseits der Baubranche wohl kaum zu finden. Auch deswegen gründete der Konzern eine auf das Geschäft mit E-Auto-Ladelösungen spezialisierte neue Marke: Amperfied. „Zwischen dem traditionellen Geschäft von Heidelberg und dem der Amperfied GmbH gibt es viele vergleichbare Anforderungen, vor allem, was das nötige Know-how bei der Leistungselektronik und anderen Komponenten betrifft“, erläutert Florian Franken, Leiter des Produktmanagements, die Überlegungen, die beim Aufbau des Ladegeschäfts eine Rolle gespielt haben. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Konzerns beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit verwandter Technik – Wissen, das auch der neue Ableger nutzen soll.
Doch die Synergien gingen noch über das reine Technik-Wissen hinaus, so Franken. „Wir haben auch viel Erfahrung in der Beschaffung von Komponenten und allem, was wir für elektrische Systeme benötigen. Zudem können wir bei Zulieferern aufgrund unserer Größe oft bessere Konditionen aushandeln. Das ist ein Vorteil für uns im Vergleich zu anderen Herstellern von Ladegeräten.“
Auf dem Wallbox-Markt tummeln sich aktuell vor allem viele kleine und mittelgroße Unternehmen, die von der erwartbar wachsenden Nachfrage profitieren wollen. Nach dem Ende der Wallbox-Förderung im vergangenen Jahr gerieten erste Firmen bereits in Not, Experten erwarten für die Zukunft eine weitere Konsolidierung. Auch, weil viele Anbieter zwar großes Knowhow, aber nur kleine Produktionskapazitäten und geringe Vertriebsmöglichkeiten haben. Amperfied-CEO Davide Ghione glaubt, dass sein Arbeitgeber in dieser Hinsicht besonders von der Verbindung mit Heidelberg profitiert: „Es braucht keinen Konzern, um einen Prototyp für ein elektrisches Gerät wie eine Wallbox zu entwerfen und zu entwickeln. Die Schwierigkeit besteht darin, die Idee in die Serie zu überführen und das Produkt in der richtigen Qualität herzustellen.“ Die Synergien, die Amperfied durch die Einbindung in einen großen Konzern heben können, seien unglaublich wichtig. „Und wir glauben fest daran, dass sie uns einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.“
Anders als Apple, Dyson und Co. baut Amperfied kein ganzes Auto, sondern konzentriert sich auf einen kleinen, aber feinen Markt. Die Spezialisierung könnte auch für andere Quereinsteiger Chancen bieten. Der japanische Elektronikkonzern Sony etwa will zwar ebenfalls im Autogeschäft Fuß fassen, hat sich mit Honda aber einen kompetenten Partner gesucht, der sich um das Gesamtfahrzeug kümmert. Die Software- und Entertainmentkompetenz hingegen kommt aus dem eigenen Haus. Auch Xiaomi gilt aktuell als einer der chancenreichsten Quereinsteiger – auch, weil sich der Elektronik- und Software-Riese die Kooperation des Autokonzerns BAIC gesichert hat. Denn ganz allein haben wohl auch die innovativsten Newcomer nur begrenzte Chancen, sich durchzusetzen.