Webasto CEO: "Protektionismus hat wenig Einfluss auf unsere Entwicklung. Allerdings steigt das Investitionsrisiko."
Webasto CEO: "Protektionismus hat wenig Einfluss auf unsere Entwicklung. Allerdings steigt das Investitionsrisiko." (Bild: Webasto)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Neben den Batterieprodukten steigt Webasto bei Ladesystemen ein, erste Lösungen gibt es bereits. Welche Ziele verfolgen Sie?
Wir haben 2017 damit begonnen und auch hier inzwischen die ersten Aufträge erhalten. Der Bereich Ladelösungen ist ein Startup innerhalb unserer Unternehmensgruppe. Der Markteintritt ist erfolgreich gelungen. Wir rechnen damit, dass das Geschäft in der zweiten Hälfte 2018 anzieht, wenn wir unseren ersten OEM-Auftrag ausliefern.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wollen Sie in die Batteriezellenproduktion einsteigen?
Nein. Das ist nicht geplant. Webasto entwickelt sich zu einem Mischkonzern.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Braucht das Unternehmen vor dem Hintergrund des neuen Geschäftsfelds eine neue Struktur?
Ja, da müssen wir voraussichtlich einiges ändern. Wir sind augenblicklich nach Geschäftsbereichen aufgestellt. Die Frage lautet aber: Welche vorhandenen Strukturen können wir wie für die neuen Aktivitäten nutzen? Wir haben die neuen Aktivitäten nach dem Vorbild von Startups zum Leben erweckt. Wenn sie jetzt wachsen und konkrete Aufträge erhalten, ist es natürlich, dass sie sehr eng mit unseren etablierten Bereichen kooperieren und deren Know-how nutzen. Hierfür brauchen wir auch neue, geeignete Strukturen. 

Hohe Elektroziele
Hohe Elektroziele

AUTOMOBIL PRODUKTION: Also alles neu?
Jein. Wenn Sie in unser Unternehmensprogramm „One Webasto“ schauen, finden sie dort den Kerngedanken von engerer Zusammenarbeit der Geschäftsbereiche. Wir wollen uns gegenseitig noch mehr unterstützen, intensiver austauschen, voneinander profitieren. Dieser Ansatz spiegelt sich auch im Multi-Space-Raumkonzept unserer neu errichteten Firmenzentrale wider. Wir wollen das Momentum mit der Stärke des gewachsenen Kerngeschäfts verbinden. Ein großer Vorteil unserer Organisation ist, dass wir heute sehr schnell in der Entscheidungsfindung sind. Das wollen wir uns erhalten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie erwähnten ja schon Ihr neues Entwicklungszentrum am Hauptsitz in Stockdorf. Ist der Bau mit seinem Schwerpunkt auf offene Kommunikation ein Sinnbild für die Entkopplung von der Produktion?
Nein. Im Gegenteil, wir sind ein klassischer Hersteller von Produkten. Da ist eine enge Verzahnung der Produktion mit allen anderen Bereichen des Unternehmens unerlässlich. Wichtig ist für uns eine große Transparenz, durchlässige Strukturen und eine enge Zusammenarbeit über Funktionsbereiche und Abteilungen hinweg. Das alles fördert die Raumgestaltung in unserer neuen Zentrale. Sie ist zentraler Baustein für eine bessere Kommunikation innerhalb von Webasto und Blaupause für andere Standorte weltweit. Einer unserer USPs ist, dass wir Anläufe unserer Kunden sehr gut managen können. Das haben wir auch dem standort- und länderübergreifenden Austausch unterschiedlicher Mentalitäten zu verdanken, den wir als große Bereicherung erleben. Wir Deutschen können beispielsweise von den Chinesen lernen und sie von uns. Wir beschäftigen uns permanent mit der Frage, wie wir die Vernetzung innerhalb unserer Organisation weiter optimieren können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Holen Sie sich bei der Optimierung Ihrer Organisation Rat von außen?
Die Perspektive und Know-how von außen ist hier hilfreich. Berater können in diesem Prozess gut unterstützen, aber einem über Jahrzehnte gewachsenen Unternehmen keine Organisation vorgeben. Die Projektleitung bleibt immer in unserer Hand.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Gibt es bald weitere Zukäufe?
Wir haben erst kürzlich eine geplante Übernahme im Bereich Ladelösungen bekanntgegeben und prüfen, ob eventuell weitere Zukäufe, vor allem in unseren neuen Geschäftsfeldern, sinnvoll sind. Insgesamt planen wir, in den nächsten drei Jahren 600 Millionen in neue Features und Entwicklungen für bestehende Produkte und vor allen in die neuen Geschäftsfelder zu investieren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Werden Sie künftig auch eigene Produktionsanlagen herstellen?
Komponenten davon durchaus. Unser Ziel ist nicht, alles selbst zu machen. Aber wir wollen  unterschiedliche Module von Fertigungslinien in Gesamtlinien integrieren können und bauen unsere Kompetenzen in diese Richtung aus. Unabhängig davon werden wir künftig für einen Hersteller hochautomatisiert produzieren. Dabei werden wir sehen, was in unseren Produktionsprozessen möglich und sinnvoll ist, um es dann gegebenenfalls weltweit auszurollen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie wappnen Sie sich als international aufgestelltes Unternehmen gegen den wachsenden Protektionismus?
Wir sind davon nur mittelbar betroffen, weil wir grundsätzlich in der Region produzieren, in der wir unsere Produkte absetzen. Dort haben wir auch unsere lokalen Zulieferer. Auf die USA und Mexiko bezogen heißt das: Wir fertigen in den USA für die USA und in Mexiko vor allem für OEM-Standorte in Mexiko, auch für US-Anbieter, die dort fertigen. In Mexiko erweitern wir übrigens gerade unsere Kapazitäten. Grundsätzlich halte ich diesen Protektionismus für irrational. Am Ende werden die Produktpreise in den USA steigen und das bekommt der Verbraucher im Land selbst zu spüren. Auch den Brexit sehen wir recht nüchtern: Dort, wo die Kunden künftig ihre Fahrzeuge herstellen und unsere Produkte abrufen, werden wir unsere Kapazitäten anpassen. Unterm Strich hat das wenig Auswirkungen auf die Entwicklung der Webasto-Gruppe. Aber das Investitionsrisiko steigt natürlich auch für uns.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Eine letzte, generelle Frage: Hat das Auto eine Zukunft?
Die Mobilität hat eine sehr spannende Zukunft und unsere Industrie verändert sich. Webasto wird die Mobilität von morgen auf jeden Fall aktiv mitgestalten.

Vita Dr. Holger Engelmann
Vita Dr. Holger Engelmann

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