Herr van Meel, BMW M feiert dieses Jahr 50-jähriges Jubiläum. An Geburtstagen rekapitulieren Menschen gelegentlich die vergangenen Jahre. Wie sieht diese Auswertung für Ihr Unternehmen aus?
Wir haben tatsächlich wie beim eigenen Geburtstag zurückgeschaut und uns gefragt, wie alles angefangen hat. Begonnen hat BMW M als Motorsport GmbH. Damals war das Thema 3-Liter-CSL. Und um den Rennfahrzeugen die Motorsportzulassung zu ermöglichen, mussten Autos homologiert werden - so sind die ersten BMW Ms entstanden. Wir haben es geschafft, Motorsport in Serienfahrzeuge zu bringen. Früher musste man sich zwischen Sportwagen und Serienauto entscheiden, wir haben diesen Konflikt aufgelöst. Auch jetzt, 50 Jahre später, steht M für Motorsport und Emotionen. Das war schon immer unsere DNA und das wird auch so bleiben.
Jetzt im Januar fangen wir an, mit unserem Le-Mans-Daytona-Hybrid-Prototypen (LMDH) Rennen zu fahren. Das ist das erste Mal, dass wir Langstreckenrennen elektrifizieren. Dieses Auto fährt mit einem V8-Hybrid-Antriebsstrang, der sich auch im BMW XM wiederfindet. Also sieht man hier, wie sich die Geschichte wiederholt. Wir übertragen wieder ein Antriebskonzept aus dem Motorsport in ein Serienfahrzeug. Und irgendwann wird dann auch der M3 elektrisch, aber dann muss er eben immer noch fahren wie ein M3 und besser sein als sein eigener Vorgänger. Es geht also auch in den nächsten 50 Jahren so weiter, dass wir unsere Fahrzeuge und Antriebe einfach immer weiter verbessern.
Sie haben jetzt das Thema Elektromobilität schon angerissen, das sich in der Regel nicht ganz so einfach mit dem Motorsport vereinen lässt. Wie geht es da konkret weiter?
Genau das ist aktuell die spannende Diskussion, die wir mit der FIA (Fédération Internationale de l'Automobile) und auch mit der IMSA (International Motor Sports Association) in den USA zum Beispiel führen. Wir fahren momentan mit dem M4 GT3, der den Sechszylinder-Motor vom Serien-M3 mit mehr Leistung hat, aber eigentlich ist das eben der Motor aus dem Serienauto. Unsere Wettbewerber fahren Lamborghinis und Mercedes AMGs. Nur wenn alle Basisfahrzeuge irgendwann demnächst elektrisch sind, dann kann ich aus denen auch keine Rennfahrzeuge mehr bauen. Ich kann schließlich keine Elektro-Plattform nehmen und sagen: 'Da baue ich jetzt für den Motorsport noch einen Verbrenner ein.' Und andererseits können wir auch nicht die alten Fahrzeuge noch zehn Jahre länger fahren, weil uns gerade nichts Besseres einfällt.
Das heißt, wir brauchen genau wie für die High-Performance-M-Fahrzeuge auch für die Motorsportfahrzeuge eine Elektrolösung, die es bisher leider noch nicht gibt. Deshalb sind wir im Gespräch mit den ganzen Rennserien, denn für die hat das ebenso immense Auswirkungen. Da kommt dann auch die Frage nach der Infrastruktur auf. Was machen wir denn, wenn wir wie bei der DTM 28 Autos haben, die alle in die Box reinfahren und richtig schnell geladen werden müssen? Klar gibt es da normale Steckdosen, aber wenn da einer ein Auto ansteckt, gehen direkt überall die Lichter aus.
An den Rennstrecken muss eine entsprechende Ladeinfrastruktur geschaffen werden. Außerdem haben wir anhand des LMDH-Rennfahrzeuges gemerkt, dass wir die Rennteams auf Hochvolt schulen müssen. Die kennen Sprit, Öl, Kühlung und Achsen, aber mit Hochvolt-Leitungen und Gleichspannungen können die noch nicht umgehen. All das, was jetzt bei den Serienfahrzeugen passiert, kommt auch im Motorsport, aber hier wird es noch eine Weile dauern.
Denn am Ende des Tages müssen wir es schaffen, Langstrecken-Elektro-Rennfahrzeuge hinzukriegen. Also kein Auto, das 30 Minuten fährt und dann eine halbe Stunde an der Ladesäule hängt. Natürlich müssen diese Fahrzeuge zwischendurch laden, aber das darf nur ein paar Minuten dauern. Das Rennauto darf nicht ewig zum Laden in der Box stehen und muss auch während eines 24-Stunden-Rennens seine Leistung halten können. Das sind unsere Challenges, aber der Vorteil ist: Das gilt für den Motorsport und für unsere High-Performance-Autos, das heißt, wir müssen in diesem Bereich sowieso Lösungen finden.
Haben Sie sich ein festes Datum für diese weitere Elektrifizierung gesetzt?
Das muss schon noch in diesem Jahrzehnt passieren. Wir haben schon elektrische M-Performance-Automobile, da, wo es noch nicht um Rennstrecken-Einsatz geht, aber einfach um Autos, die mehr Leistung haben als die Serienautos und ein sportliches Fahrwerk – zum Beispiel den i4 M50. Das ist aktuell auch unser Bestseller so aus dem Stand heraus. Das zeigt, dass schon viel Bedarf und Nachfrage nach Elektromobilität da ist. Aber der i4 M50 ist noch nicht für die Rennstrecke geeignet und deshalb müssen wir jetzt daran arbeiten, das, was wir im High-Performance-Bereich schon leisten, auch im Motorsport umzusetzen.
Franciscus van Meel
Nach einem Studium der Fahrzeugtechnik an der TU Berlin konnte van Meel von 1996 bis 2012 in verschiedenen Funktionen bei Audi, unter anderem als Leiter Elektromobilitätsstrategie und Leiter Entwicklung Bremse, umfangreiche Branchenerfahrung sammeln. Anschließend war er bis 2014 als Managing Director bei Quattro tätig. Seitdem ist van Meel bei der BMW Group als Geschäftsführer der Motorsportsparte BMW verantwortlich für den High Performance Bereich, mit einer kurzen Pause zwischen 2018 und 2021, in der er als Senior Vice President der Rolly-Royce-Linie agierte.