Herr Strohhäcker, die Automobilzulieferer geraten aktuell zunehmend unter Druck. Einerseits muss die Kosteneffizienz besser werden, andererseits verändert sich das Auto in rasanter Geschwindigkeit zu einem elektrischen und digitalen Produkt. Welche Fachkräfte brauchen die Unternehmen, um diesen Wandel zu stemmen?
Bei den Zulieferbetrieben werden aktuell eher die hochqualifizierten und erfahrenen Fachkräfte gesucht. Für den strukturellen Umbau müssen sie zwingend einschlägige Erfahrungen im Prozessmanagement mitbringen, aber auch mit einer hohen Projektkomplexität umgehen können. Das spiegelt sich auch in den gesuchten Jobprofilen wider: Wir sehen aktuell die höchste Nachfrage bei den Ingenieuren und Softwarespezialisten, die sich auf Bereiche wie Hochvolttechnik oder Batterieentwicklung spezialisiert haben. Aber auch praktische Erfahrungen in Umfeldern wie Task Force oder Trouble Management, Fehleranalysefähigkeiten, funktionale Sicherheit oder das Verständnis für Wirkungsabhängigkeiten stehen aktuell hoch im Kurs. Im Bereich der OEMs sieht das allerdings etwas anders aus. Dort arbeitet man gern mit Young Professionals zusammen, die bereits erste Branchenerfahrungen mitbringen, sich rasch in interne Prozesse einfinden können und vor allem frischen Wind in das digitale Mindset des Unternehmens bringen. Die OEMs wissen auch, dass das Einarbeiten dieser Berufseinsteiger zwar etwas langwieriger und aufwendiger wird, sie dafür aber im Anschluss kompetente Kräfte für sich aufbauen, die dem Unternehmen dann möglichst langfristig erhalten bleiben.
Viele große Zulieferer machen derzeit mit Stellenstreichungen von sich reden. Warum sollten sich Young Professionals da noch für ein solches Unternehmen als Arbeitgeber entscheiden?
Trotz Stellenstreichungen bleibt die Faszination für fortschrittliche Technologie und Fahrzeuge bei den Young Professionals ungebrochen. Hinzu kommt, dass der Name im Lebenslauf eine Top-Referenz für die weitere berufliche Karriere ist. Attraktiv dürfte gerade für die Berufseinsteiger auch die Tatsache sein, dass diese Unternehmen immer schon gute und moderne Weiterqualifizierungschancen sowie hohe finanzielle Anreize geboten haben. Hinzu kommt, dass Berufseinsteiger in Zulieferbetrieben schnell spannende Fach-Expertise aufbauen können. Was wiederum ihre beruflichen Chancen auf interessante Jobs erhöht. Allerdings muss man zwischen der Attraktivität von Zulieferbetrieben und OEMs nochmals unterscheiden. Letztere haben jahrzehntelang ihre Reputation genau bei dieser Zielgruppe sehr gezielt aufgebaut. Die Automobilindustrie gehört zu den großen Schlüsselindustrien in Deutschland, das zahlt sich bei den Bewerbenden aus.
Angesichts der schwierigen Lage in Deutschland wollen auch kleinere Zulieferer zunehmend im Ausland investieren oder die Kooperation mit entsprechenden Partnern (etwa aus China) stärken. Beobachten Sie auf dem Arbeitsmarkt bereits derartige Bewegungen? Und welche Maßnahmen sind auf HR-Seite nötig, um eine Internationalisierung der Workforce erfolgreich durchzuführen?
Bei unseren aktuellen Ausschreibungen nehmen wir diese Bewegungen derzeit noch nicht wahr. Unabhängig davon müssen sich die Personalabteilungen, gerade der Zulieferbetriebe, darauf einstellen, bei der Suche nach Fachkräften verstärkt auf interkulturelle Kompetenzen sowie Bereitschaft zur Mobilität zu achten. Aber auch die Sprache spielt dabei eine entscheidende Rolle. Beispielsweise fällt es indischen Studierenden in Deutschland schwer, nach dem Studienabschluss trotz hoher Fachlichkeit eine adäquate Beschäftigung zu finden. Denn ihre Deutschkenntnisse reichen meist noch nicht aus. Englisch wird nur in den Großkonzernen gesprochen, in Zulieferbetrieben ist eher noch die Landessprache wichtig. Auch wenn die sprachliche Barriere eher als Hygienefaktor angesehen wird, ist sie doch ein sehr wichtiger Hebel für die Personaler, um ihre Talente- und Karriereentwicklung stärker auf die Skill-Sets für internationale Märkte auszurichten. Für die Internationalisierung der Workforce sind zudem Themen wie Compliance für Auslandseinsätze oder Mobilitätsprogramme eine wichtige Grundlage.