Herr Maser, Herr Bultmann, die Automobilindustrie hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Welche Strategien setzen Sie als Automobilzuliefere ein, um dennoch wettbewerbsfähig zu bleiben?
Jan Maser: Der Markt ist in den vergangenen Jahren durchaus noch einmal herausfordernder geworden. Das liegt zum einen an der deutlich höheren Volatilität bei den Abrufen als Resultat der unterschiedlichen Krisen – Covid, Ukrainekrieg sowie Versorgungslücken – zum anderen an der noch nicht linear verlaufenden Transformation zur Elektromobilität. Gleichzeitig strapazieren die hohen Energiekosten und die ständig steigenden regulatorischen Anforderungen unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir kompensieren das unter anderem dadurch, flexibler und automatisierter zu agieren und uns auf die für uns wichtigen Kernprozesse in der Wertschöpfung zu konzentrieren. Außerdem versuchen wir, Kostenvorteile in der Lieferkette zu nutzen.
Welcher der eben von Ihnen bereits genannten oder aktuellen Herausforderungen stellt dabei die größte Hürde dar?
Jan Maser: In den letzten beiden Jahren und auch aktuell sind das sicherlich die stark gestiegenen Energiekosten, außerdem der Mangel an Arbeitskräften und die Unsicherheit in der Lieferkette. Das betrifft übrigens nicht nur Lieferanten aus der Ferne, sondern auch solche, die nur vier bis fünf Fahrstunden entfernt sind. Die Hintergründe sind oft vielfältig.
Welche Auswirkungen hatten die globalen Lieferkettenprobleme auf Ihr Unternehmen, und wie haben Sie darauf reagiert?
Stefan Bultmann: Zunächst haben sie vor allem zu deutlich höheren (Sonder-) Frachtkosten geführt. Das hat sich mittlerweile wieder etwas gebessert – vor allem deswegen, weil wir dazugelernt haben und versuchen, noch vorausschauender und flexibler zu planen.
Und welche Veränderungen ergeben sich bei IFA durch die zunehmende Nachfrage nach Elektromobilität, etwa auch durch neue technische Innovationen?
Stefan Bultmann: Durch unsere Produktstrategie sind wir glücklicherweise offen und bereit für beide Technologien, Verbrenner und E-Fahrzeuge. Auch unsere Produktion ist darauf ausgelegt, dass wir flexibel, je nach Verlauf der Transformation, agieren können. Wo immer möglich nehmen wir neue technische Innovationen gerne auf. Allerdings erarbeiten wir Innovationen bei unseren Produkten und Prozessen vornehmlich selbst. Dafür haben wir weltweit hervorragende Entwicklungsteams und eigene Prüfzentren.
Welche digitalen Technologien nutzen Sie, um die Effizienz und Transparenz in Ihren Produktionsprozessen zu erhöhen?
Stefan Bultmann: Wir setzen auf unterschiedliche Lösungen: softwarebasiert beispielsweise zur effizienten Überwachung und Steuerung unserer Anlagen, hardwarebasiert durch den Einsatz von Robotics und smarten Automatisierungslösungen. Wir planen mit dem rasanten Tempo des technologischen Fortschritts mitzuhalten, indem wir mit unserer Expertise unseren Beitrag zum Fortschritt leisten und diesen aktiv mitgestalten. Aktuell ist dabei im Hinblick auf das Thema E-Mobilität die Entwicklung von neuen, kundenspezifischen Gelenken ein wichtiger Schwerpunkt.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrer Unternehmensstrategie? Welche Technologien kommen hier zum Einsatz?
Jan Maser: Das Thema spielt eine große Rolle bei uns. Wir arbeiten schon seit einiger Zeit daran, uns hier weiterzuentwickeln – nicht nur, weil unsere Kunden das fordern oder weil es entsprechende rechtliche Anforderungen gibt, sondern auch, weil wir Nachhaltigkeit selbst sehr ernst nehmen. So stellen wir derzeit auf hundert Prozent Grünstrom um und sind dabei, eine größere Photovoltaik-Anlage zu installieren. Die wird künftig einen nennenswerten Anteil unseres Strombedarfs am Standort Haldensleben decken.
Wie bewältigen Sie den Fachkräftemangel und wie fördern Sie die Weiterbildung der bereits bestehenden Mitarbeitenden?
Stefan Bultmann: Das ist, wie bereits geschildert, in der Tat eine große Herausforderung. Wir adressieren das Thema mit unterschiedlichen Maßnahmen – von einem modernen Arbeits- und Führungsstil über die Fokussierung auf Kernprozesse bis hin zu bestimmten Benefits für unsere Beschäftigten, um nur einige Beispiele zu nennen. Grundsätzlich fördern und fordern wir, dass unsere Beschäftigten über den Tellerrand hinausschauen und mit neuen Ideen arbeiten. Weiterbildungen sind hierbei nur ein Teil, sei es intern oder extern. Mindestens genauso wichtig ist es nach meiner Erfahrung, dass sich die Werke und Funktionen an den verschiedenen weltweiten Standorten regelmäßig treffen und austauschen. Auf diese Weise entstehen großartige, kreative Lösungen für unsere Kunden. Kürzlich hatten wir zum Beispiel ein Treffen der Vertreter aller weltweiten IFA-Werke zu den Themen Prozessentwicklung und Qualität. Das Treffen hat am Firmensitz in Haldensleben stattgefunden und in unserem polnischen Werk in Ujazd.
Welche Bedeutung haben internationale Märkte für Ihr Unternehmen, und wie stellen Sie sich auf unterschiedliche regionale Anforderungen ein?
Jan Maser: Die IFA ist ein Global Player. Unsere Kunden sind international aufgestellt und wir sind es auch. Dabei berücksichtigen wir regional unterschiedliche Wünsche. In der Regel sind die Anforderungen aber weltweit sehr ähnlich oder sogar identisch.
Welchen Einfluss hat die zunehmende Markteroberung durch chinesische Player auf Ihr Unternehmen?
Stefan Bultmann: Ähnlich wie wir europäische und amerikanische Unternehmen nach China begleitet haben und diese lokal durch unser Werk in Shanghai beliefern, sind wir auch bereit dafür und im Austausch mit chinesischen OEMs, diese bei lokalen Markteintritten in Europa oder den USA zu unterstützen und mit unseren Produkten zu beliefern.
Wie erleben Sie die Kooperationsdynamik zwischen Automobilherstellern und Zulieferern in den letzten Jahren? Sehen Sie die Beziehungen zunehmend belastet?
Jan Maser: Das hängt von den jeweiligen Kunden ab und sicherlich aus Sicht der OEM auch von den Lieferanten. Wir selbst haben in vielen Fällen gute Erfahrungen gemacht und überwiegend einen sehr partnerschaftlichen Stil erlebt. Allerdings ist das nicht immer der Fall.
Was sind Ihre größten Herausforderungen und Chancen für die nächsten fünf Jahre, und wie bereiten Sie Ihr Unternehmen darauf vor?
Stefan Bultmann: Ich gehe davon aus, dass die genannten Herausforderungen – hohe Energiekosten, volatilen Abrufzahlen, instabile Lieferketten, Arbeitskräftemangel – auch die kommenden Jahre prägen werden. Gleichzeitig eröffnet die Transformation in der Automobilindustrie auch neue Chancen, um für uns neue Marktbereiche zu erschließen. Durch die Erfahrung der vergangenen Jahre und die strategische Ausrichtung unserer Produkte und Prozesse sehen wir uns für die Zukunft gut gerüstet.
Zur Person:
Stefan Bultmann ist als Managing Director Teil des Operations-Teams der Aequita-Gruppe. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur verantwortet auf Geschäftsführungsebene den Bereich Operations in unterschiedlichen Portfoliounternehmen – unter anderem als einer der beiden Geschäftsführer der IFA Gruppe. Vor dem Wechsel zu Aequita sammelte er internationale Erfahrung bei dem britischen Zulieferkonzern GKN im Bereich Automotive und Aerospace.
Zur Person:
Jan Maser ist Managing Director bei Aequita und Teil des Operations-Teams. Der gelernte Industriemechaniker und Diplom im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen verantwortet auf Geschäftsführungsebene die Transformation der Portfoliounternehmen. In dieser Funktion ist er gemeinsam mit Stefan Bultmann Geschäftsführer der IFA Gruppe. Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind die Neuausrichtung des Produktportfolios sowie die Entwicklung von wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen. Jan Maser verfügt über langjährige Erfahrung in der Industrie und Beratung, zuletzt als Partner bei Roland Berger im Bereich der Restrukturierung von Zulieferunternehmen der Autoindustrie.