AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie sagten in einem Interview, dass Sie zu der von Stefan Sommer erarbeiteten Unternehmensstrategie „ZF 2025“ stehen. Doch wie viel Flexibilität ist für Sie im Rahmen der Pläne noch möglich?
Sehr viel, denn es gab und gibt viele Gründe, unsere Strategie immer wieder zu überprüfen und anzupassen. Es gilt den strategischen Horizont zu erweitern und gleichzeitig das Tempo zu erhöhen. Die Elektromobilität und auch das autonome Fahren sind Beispiele dafür, dass Entwicklungen schneller stattfinden, als man es noch vor wenigen Jahren gedacht hätte. Der strategische Fokus von ZF ist jetzt noch stärker darauf gerichtet, Systemanbieter für die Mobilität der Zukunft zu sein.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Conti, aber auch andere Unternehmen der Branche wie VW oder Mercedes verpassen sich neue Strukturen, damit einzelne Divisionen schneller und konzernunabhängiger auf Erfordernisse des Mobilitätswandels reagieren können. Unisono sind nun die Einheiten kleiner. Ist ZF auch im Umbau?
Um rasch auf Kundenwünsche reagieren oder – wichtiger noch – künftige Mobilitätsanforderungen frühzeitig antizipieren zu können, ist eine Konzernstruktur nötig, die agile Arbeitsformen erlaubt und in Szenarien plant. In einem sich rasch wandelnden Umfeld kann dabei ein Nachjustieren der Geschäftsbereiche durchaus sinnvoll sein. Ob das zwingend zu kleineren Einheiten führen muss, bezweifele ich. Um den Kunden Systemlösungen anbieten zu können ist eher entscheidend, die Geschäftsbereiche so zuzuschneiden, dass Austausch und Kompetenztransfer innerhalb der Einheiten und zwischen den Einheiten möglichst reibungslos funktionieren.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Ihr Vorgänger Stefan Sommer hat die Strukturen bei ZF mit einer starken, politisch geprägten Stiftung im Rücken als nicht mehr zeitgemäß kritisiert. Wie erleben Sie das Konstrukt?
Wir haben mit zwei auf Gemeinnützigkeit ausgerichteten Stiftungen als Eigentümern eine Gesellschafterstruktur, die ich als überlegen ansehe, da sie uns ein sehr nachhaltiges Wirtschaften ermöglicht. Wir sind in der Lage, auch sehr große Übernahmen zu tätigen, das haben wir mit TRW bewiesen. Wir haben für ein Unternehmen unserer Größe passende Corporate-Governance-Regeln und der Entscheidungsspielraum des Vorstands ist hoch..
AUTOMOBIL PRODUKTION: Vor noch fünf Jahren plante, entwickelte und produzierte man ein Produkt über einen gewissen Lebenszyklus. Hat sich das geändert? Wenn ja, wie?
Die Produktentwicklungs- und -lebenszyklen haben sich massiv verkürzt, denn nicht zuletzt Digitalisierung und Vernetzung erzeugen einen enormen Veränderungsdruck. Wie in der IT sind auch in der Automobilbranche nun agile Prozesse wie Scrum inzwischen Standard. Das heißt, der Produktentstehungsprozess ist viel offener angelegt als früher und das Produktdesign kann viel schneller an neue Kundenwünsche angepasst und weiterentwickelt werden.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Es herrschen unruhige Zeiten, sowohl bei der technologischen Entwicklung als auch bei den geopolitischen Szenarien. Wie geht man als Unternehmenslenker mit solch volatilen Situationen um?
Technologisch führende, global agierende Unternehmen tun sich mit diesen Volatilitäten leichter, denn sie haben das Know-how und eine internationale Präsenz für rasche Anpassungen und können zum Beispiel auf protektionistische Maßnahmen besser reagieren. Idealerweise bilden Unternehmensstruktur und Unternehmensstrategie diese Wandlungsfähigkeit ab – das im Blick zu behalten und gegebenenfalls nachzuschärfen ist Aufgabe des Managements. Die aktuellen Umfeldbedingungen können jedoch auch für uns noch zu signifikanten Herausforderungen führen.