Sergio Marchionne, FCA

Sergio Marchionne: Seine Eigenschaft als jemand, der nie den Status quo akzeptiert hätte und nie mit einem «gut genug» zufrieden war, sei in die Unternehmenskultur von Fiat Chrysler übergegangen, sagte Fiat- und Ferrari-Präsident John Elkann kurz vor Marchionnes Tod. (Bild: FCA)

Plötzlich rückten seine so berüchtigten Eigenschaften als Spitzenmanager in den Hintergrund, und der Mensch Sergio Marchionne wurde sichtbar - immerhin ein bisschen. Schon Tage bevor sein Tod am Mittwoch (25. Juli) mitgeteilt wurde, wurde der Italo-Kanadier gewürdigt, als Visionär, als Menschenversteher. Als einer der zuhört und großzügig ist. Zuvor war der frühere Konzernlenker bei dem italienisch-amerikanischen Autobauer Fiat Chrysler (FCA) und der Tochter Ferrari für seinen kompromisslosen und teils rücksichtslosen Ehrgeiz bekannt. Dass ausgerechnet eine schwere Erkrankung sein Karriereende markierte, schockierte die Wirtschaftswelt. Marchionne wurde 66 Jahre alt.

Der Abgang des Fiat-Chefs war eigentlich geplant, mit einem erreichten Ziel in der Tasche, das dem gebürtigen Italiener mit kanadischem Pass so wichtig war. Für Ende Juni hatte Marchionne die Schuldenfreiheit von Fiat Chrysler erklärt und wollte das Unternehmen 2019 verlassen.

2004 kam Marchionne zu dem kriselnden Turiner Großkonzern Fiat und richtete das Unternehmen komplett neu aus. Er baute die Bürokratie ab und halbierte die Entwicklungszeiten für neue Modelle. 2007 sagte er: «Ich will, dass Fiat zum Apple der Autos wird. Und der 500 wird unser iPod.» Ganz so weit ist es nicht gekommen - aber die Fusion mit Chrysler 2014 zählt zu einem seiner größten Verdienste. Ihm gelang es, aus den zwei schwer angeschlagenen Konzernen Fiat und Chrysler einen globalen Player der Automobilindustrie zu machen.

Der 1952 in den Abruzzen geborene Marchionne wanderte mit seiner Familie nach Kanada aus, als er 14 Jahre alt war. Dort studierte er neben Wirtschaft und Jura auch Philosophie. Vor seiner Zeit bei Fiat arbeitete er bei Verpackungsfirmen und wurde Chef eines Genfer Prüfkonzerns.

Seine markigen Sprüche waren im Laufe seiner Karriere immer wieder für eine Nachricht gut. Etwa als Vorwürfe aufkamen, auch Fiat habe bei Abgaswerten geschummelt. Damals sagte Marchionne mit Blick auf VW: «Wer uns mit dem deutschen Unternehmen vergleicht, hat etwas Illegales geraucht.» Auch bei Ferrari, dessen Präsident er 2014 und dessen CEO er 2016 wurde, war er dafür bekannt. Brüsk sagte er vor der Vorstellung eines Rennwagens in Richtung seiner Ingenieure und Teamchef Maurizio Arrivabene: «Entweder haben sie ein Monster oder Müll gebaut.»

Marchionnes Strenge bekam auch immer wieder das Team von Formel-1-Pilot Sebastian Vettel zu spüren, das er mehrmals öffentlich klar kritisiert hatte. Über den Chefpiloten der Scuderia sagte Marchionne: Sollte Vettel es schaffen, seine Emotionen zu kontrollieren, die ihm - untypisch für einen Deutschen - immer mal wieder entgleiten würden, habe man die Chance, Lewis Hamilton zu schlagen.

In der Formel 1 galt der Ferrari-Präsident und CEO ohnehin als harter Verhandlungspartner. Marchionne drohte auch mit dem Ausstieg von Ferrari. Er wollte verhindern, dass die Formel 1 die DNA des Unternehmens verändert. Doch es ist auch Marchionne zu verdanken, dass Ferrari wieder aufgeholt hat.

Zum Markenzeichen wurden Marchionnes dunkle Strickpullover, die er lieber trug als Anzüge. Einige Kommentatoren bezeichneten ihn deshalb sogar als Stilikone. «Der Tag, an dem ich eine Krawatte tragen werde, wird ein großer Tag sein», sagte er einmal. Im Juni war es so weit, als Marchionne verkündete, Fiat Chrysler von den Schulden befreit zu haben. Erfolg war für Marchionne, der sich selbst als bodenständig beschrieb, nicht selbstverständlich und vor allem begriff er ihn nicht als dauerhaft, sondern als etwas, das man sich Tag für Tag erarbeiten muss.

Seine Eigenschaft als jemand, der nie den Status quo akzeptiert hätte und nie mit einem «gut genug» zufrieden war, sei in die Unternehmenskultur von Fiat Chrysler übergegangen, sagte Fiat- und Ferrari-Präsident John Elkann kurz vor Marchionnes Tod. Marchionne sei ein einmaliger, «erleuchteter» Manager gewesen - für ihn persönlich aber in erster Linie ein wahrer Freund.

Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi hob ihn als jemand hervor, «der die Industrie-Geschichte Italiens verändert hat - ob es seinen Verleumdern gefällt oder nicht». Denn gleichzeitig erinnerte Renzi an die Kämpfe, die Marchionne mit den Gewerkschaften ausgefochten hatte. «Wenn Italien ein paar weitere Marchionnes gehabt hätte, hätten wir eine wettbewerbsfähige Alitalia und einige starke Banken, die in der Welt bekannt wären.»

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dpa