Manuel Ötsch, Vice President Operations bei Ioncor

Manuel Ötsch sieht gerade auch bei der Elektrifizierung außerhalb des Pkw-Sektors sehr großes Potenzial und dringt mit Ioncor in die Truck-, Bus- und Off-Highway-Segmente vor. (Bild: Marko Priske)

Herr Ötsch, Sie haben im Verlauf ihrer Karriere zahlreiche Greenfield- und Brownfield-Produktionen mit aufgebaut und verantwortet, zuletzt das Brownfield-Batteriewerk im württembergischen Kirchardt. Wie sehr schmerzt Sie persönlich die aktuelle Kaufzurückhaltung bei E-Autos?

Im Batteriegeschäft war Kirchardt mein erstes Projekt. Davor war ich im Schwerpunkt „Stoßfänger“ tätig, dort habe ich Greenfield-Projekte mit aufgebaut. Die Handlungsfelder beim Aufbau eines Werks lassen sich jedoch gut vergleichen, egal ob es sich dabei um ein Batteriewerk oder um eines für andere Komponenten handelt. Um auf Ihre Frage der Kaufzurückhaltung einzugehen: Natürlich schmerzt es mich, dass der BEV-Markt derzeit deutlich hinter den Erwartungen hinterherhängt. Mittel- bis längerfristig betrachtet ist das Erreichen der Umweltziele ohne E-Mobilität aber nicht realisierbar. Zudem sind wir nicht nur bei batterieelektrischen Fahrzeugen aktiv. Gerade bei den Plug-in-Hybriden können wir auf starke Aktivitäten verweisen. Und hier profitieren wir davon, dass die entsprechenden Produkte länger oder in höheren Stückzahlen laufen.

Ende August gab Valmet Automotive bekannt, sein 2019 gegründetes EVS-Geschäft als unabhängiges Unternehmen aufzustellen; seit Oktober agieren sie offiziell mit der eigenständigen Marke Ioncor am Markt. Was waren die Beweggründe?

Wir sind klar ein auf Wachstum ausgerichtetes Unternehmen und sprechen speziell bei Batteriesystemen über ein sehr investitionsintensives Business. Mit der neuen, auf das Batteriegeschäft fokussierten Marke sind wir noch interessanter für Investoren. Und wir sehen bei der Elektrifizierung außerhalb von PKWs sehr großes Potenzial. Insbesondere in den Truck-, Bus- und Off-Highway-Segmenten wollen wir mit unseren eigenen Produkten stark wachsen. Angesichts der neuen Zielgruppe war der Beiname „Automotive“ nicht mehr zeitgerecht, um unser Geschäft und unsere Ambitionen abzubilden.

Roberts Abele ist CEO bei Ioncor, Ville Jaakonsalo startet im November als CFO, sie bleiben Vice President Operations und sind damit für die Produktion verantwortlich. Welche Veränderungen erwarten Sie persönlich im Rahmen dieser neuen schlanken Konstellation?

Bereits Valmet Automotive war generell schlank und flexibel aufgestellt. Nichtsdestotrotz gehe ich persönlich davon aus, dass uns die neue Aufstellung noch einen Tick flexibler und noch schneller in den Entscheidungsprozessen machen wird.

Nur eines der Aufgabenfelder von Ioncor, das Ionen als zentrales Batterie-Element im Namen trägt, wird künftig noch in der Fertigung von Autobatteriepacks liegen. Mit dem neuen Unternehmen expandieren sie bis hinein in den Bergbau. Mittelpunkt bildet eine skalierbare modulare Batterieplattform. Was zählt zum Portfolio von Ioncor?

In Automotive sind wir weiter Tier-1 Systemlieferant und Auftragsfertiger, und wir decken die gesamte Wertschöpfungskette von Konzept, Entwicklung, Prototypen und Testing bis hin zur Industrialisierung und Produktion ab. Dort sehen wir jedoch nur noch begrenztes Wachstum. Eine Ursache dafür liegt in den Inhouse-Strategien der OEMs, die im Umfeld der Batterien zunehmend selbst mehr tun. Im Pkw-Segement fertigen wir sehr kundenspezifische Batteriepacks, streng nach den Vorgaben der Kunden, aber mit unserem eigenen Engineering-Know-how. Unser künftiger Schwerpunkt liegt in der Elektrifizierung von Truck-, Bus- und Off-Highway-Segmenten. Hierfür bieten wir mit unserer Modularen Batterie Plattform ein Portfolio an fertigen Batteriesystemen, die speziell auf die Anforderungen dieser Branchen abgestimmt sind. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass der Produktionslebenszyklus in diesen Anwendungen deutlich über die von Automotive bekannten üblichen sieben Jahre hinaus geht. Der Bereich Non-Automotive ist auch weit beratungsintensiver. Deshalb müssen wir auch mit den passenden Services über den gesamten Lebenszyklus präsent sein und unser Geschäftsmodell entsprechend erweitern.

Um welche Produkte handelt es sich im Portfolio von Ioncor?

Zu den Automotive-Angeboten zählen neben den erwähnten 48-Volt-Lösungen auch die Batteriesysteme für Plug-in-Hybride, mit denen wir etwa Volvo für die Pkw-Modellbaureihen 60 aufwärts beliefern. In den weitaus differenzierteren Segmenten Truck, Bus und Off-Highway, mit ihren deutlich kleineren Stückzahlen, wo es aber auf eine hohe Skalierbarkeit und Modularität ankommt, bieten wir für 48-Volt-Anwendungen unser modulares Power Pack an: dieses zeichnet sich durch besondere Robustheit aus und ist besonders für den Einsatz in rauen Umgebungen ausgelegt. Dieses bereits im Markt befindliche System deckt zahlreiche Anwendungsfälle ab, die von Truck-Trailern bis hin zu Forstmaschinen reichen und eine hohe Variabilität bei einer kompakten Bauweise erfordern. Davon zu unterscheiden ist das sogenannte Energy Pack, ein 670-Volt-System, das sich derzeit noch in der Entwicklung befindet und speziell für den Antrieb von vollelektrischen LKW, Bussen und Off-Highway Fahrzeugen und Maschinen ausgelegt ist. Mit dieser modularen Standard-Batterie-Lösung mit 50 kWh pro Pack bauen wir auf eine flexible Skalierbarkeit bis hinauf zu 1.000 kWh je Fahrzeug. Den OEMs wollen wir damit eine flexibel hochrüstbare Standardlösung für ihre individuellen Ansprüche bieten.

Eines der neuesten Produkte ist das bereist am Markt befindliche Modular Power Pack für die genannten Segmente im Nutzfahrzeugsektor. Was zeichnet dieses Produkt im Vergleich zu den Angeboten im Bereich Pkw aus?

In technischer Hinsicht liegt das Hauptaugenmerk beim Modular Power Pack auf der Skalierbarkeit. Das bedeutet, dass wir abhängig von der finalen Kilowattstunden-Kapazität und Systemspannung, die der entsprechende Kunde benötigt, das Produkt auch mit dem Faktor zwei oder mehr im Fahrzeug integrieren und damit die gewünschten Leistungsanforderungen erfüllen können. Dieses lässt sich insofern gut umsetzen, da wir auch die Software gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln. Daraus ergibt sich eine maximale Modularität.

Tauchen wir in die Fertigung ein: Bereits auf dem Automobil Produktion Kongress im vergangenen Mai sprachen Sie mit Blick auf die Produkte für die Elektromobilität von enormen Schwankungen bei den Volumina. Eine Lösung sollen flexible Linien in der Fertigung bieten. Was genau bedeutet das?

Um das zu beantworten, muss man zwischen dem klassischen Automotive-Geschäft und unseren zukünftigen eigenen Produkten differenzieren. Bei Automotive haben wir es beispielsweise geschafft, speziell für einen deutschen OEM mehrere Produktvarianten auf einer flexiblen Montagelinie zu liefern. Für unser zukünftiges Business, unsere Plattformprodukte, gehen wir aber etwas weg von der klassischen Linienfertigung, wie man sie etwa in Form von hochautomatisierten Fertigungslinien mit über 100 Metern Länge kennt. Ziel sind einzelne Module, sprich einzelne Zellen, die diverse Arbeitsschritte verrichten und dann über Fahrerlose Transportsysteme (FTS, Anm. d. Red.) miteinander verknüpft sind. Damit lassen sich Volumenschwankungen besser skalieren und abbilden. Ist ein Absatzwachstum absehbar, können wir mit einer zusätzlichen Fertigungszelle reingehen und sie über logistische Möglichkeiten wie etwa durch FTS verbinden, um so einen höheren Output zu erreichen. Darin sehen wir einen Erfolgsschlüssel, denn die Stückzahlen in den neuen Segmenten sind im Vergleich zum reinen Automotive-Geschäft geringer, die Varianten hingegen größer.

Die Assemblierung von Batterien soll also planbarer gestaltet werden. Plädieren Sie damit nicht zugleich auch ein wenig für eine Abkehr von der Automatisierung?

Das darf nicht als Abkehr von der Automatisierung verstanden werden. Bei den für die genannten neuen Produkte erforderlichen diffizilen Prozessen wird auch immer ein gewisser Grad an Automatisierung erforderlich sein. Um Umsatz- und Absatzschwankungen abfedern zu können, muss es jedoch schlicht möglich sein, ein Stück weit die Vollautomatisierung zurückzunehmen.

Wie verteilen sich derzeit die Kapazitäten unter den drei Batteriestandorten Salo und Uusikaupunki in Finnland sowie Kirchardt in Deutschland?

Mit Blick auf das Platzangebot sind wir in der Lage, an allen drei Standorten zu erweitern. Allerdings ist dabei auch ein differenzierter Blick auf Umsatz und Stückzahlen notwendig. Am Standort in Salo etwa sind neben den 48-Volt-Batterien auch Plug-in-Hybrid-Batterien beheimatet, bei denen die Stückzahlen relativ hoch sind. Bei 48-Volt ist der reine Umsatz im Verhältnis hingegen etwas geringer. Salo ist im Verbund eher der Standort, den wir in der Zukunft auf unsere eigenen Produkte ausrichten werden. Der Standort Uusikaupunki ist und wird auch in Zukunft der Ort sein, an dem wir trotz der Selbständigkeit von Ioncor immer in einer engen Kooperation mit Valmet Automotive und deren Fahrzeugfertigung Batteriesysteme und Fahrzeuge unter einem Dach fertigen werden. Dem deutschen Standort Kirchardt kommt hingegen die Rolle des klassischen Batterie-Standorts zu, an dem wir mit speziellen Logistikkonzepten, mit JIS und JIT, nahe an den Fahrzeugwerken unserer Kunden sind, um die Produkte anforderungsgerecht liefern zu können.

Kirchardt bei Heilbronn mit seinen zwei Linien auf 11.500 Quadratmetern ist ihr jüngstes Werk. Wie hoch ist dort die Auslastung und steht die von Anbeginn mögliche Erweiterung um 15.000 Quadratmeter aufgrund der Zurückhaltung bei E-Fahrzeugen derzeit eher noch eher in den Sternen?

Mit Blick auf die Fläche können wir dort eine Verdopplung recht kurzfristig umsetzen. Darüber hinaus lässt sich der Standort auch thematisch erweitern, was aber dann einen gewissen Planungshorizont von ein bis drei Jahren bedeutet.

Welche Rolle kommt innerhalb Ioncor dem Battery Test Center BTC in Bad Friedrichshall zu, das kürzlich noch unter Valmet Automotive-Ägide erweitert wurde?

Bad Friedrichshall ist zu einhundert Prozent Teil von Ioncor und damit der Standort für alle Testing-Themen des ursprünglichen EVS-Geschäfts. Testing spielt zur Absicherung unserer hohen Qualitätsstandards von der Entwicklung bis zur Produktion eine wichtige Rolle für unsere Strategie.

Zum Know-how in der Batteriefertigung von Valmet Automotive und nun von Ioncor zählen sowohl die Modul- wie auch die Packfertigung. Hinzu kommen Applikationsanwendungen, wie etwa das Biegen, Schneiden, das Laserschweißen, Kleben, die Dichtheitsprüfung sowie End-of-Line-Prüfverfahren. Welcher Aufwand steht hinter diesen Prozessen?

Mit einer der größten Aufwände liegt sicherlich im End-of-Line, also in der finalen Qualitätsprüfung der Batteriepacks. Ein Themenfeld, bei dem sie nichts von der Stange kaufen können. Hier sprechen wir von einer Abhängigkeit der Spezifikation dessen, was genau Sie an dem Produkt prüfen wollen oder gar müssen. Dazu bedienen wir uns auch noch externen Know-hows. Die Betonung liegt auf „noch“, denn diese Abhängigkeit wollen wir abbauen. Mit unserer klaren Ausrichtung auf eigene Produkte werden wir auch im End-of-Line-Testing künftig einen deutlichen Zuwachs an internem Know-how sehen. Im Umkehrschluss bedeutet das: für alle anderen von Ihnen genannten Prozesse können wir schon heute auf einen mindestens fünfjährigen Erfahrungsschatz blicken. Mit diesem sehen wir uns gut aufgestellt.

Mit neuen Produkten und Fertigungstechnologien sind auch neue Jobs verbunden. Wie sehr sind Sie vom Fachkräftemangel betroffen? Und gibt es Unterschiede zwischen Finnland und Deutschland?

Auch wir spüren den generellen Fachkräftemangel. Insbesondere bei Software ist es nicht so einfach, erfahrene Mitarbeiter am Markt zu bekommen, weil es sich bei Software und den entsprechenden Experten um einen sehr gefragten Personenkreis handelt. Am Standort Kirchardt, der ja quasi im Zentrum Deutschlands liegt, gestaltet sich das Recruiting freilich etwas einfacher. Finnland verfügt im Vergleich dazu nicht über eine weitgefächerte Automobilindustrie. Dort haben wir es über die Jahre aber geschafft ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und durch Weiterqualifizierungsmaßnahmen die Mitarbeiter zu halten sowie Stellen auch durch internationales Recruiting zu besetzen.

Können seit den Erfahrungen in der Corona-Pandemie auch Remote-Working-Angebote hilfreich sein?

Speziell bei Softwaregibt es zahlreiche Stellen, die sich für einen Einsatz remote eignen. Da wir jedoch heute und auch in Zukunft ein produzierendes Unternehmen sind und bleiben, kommen wir nicht umhin, viele Schlüsselpositionen vor Ort zu besetzen. Denn auf dem Shopfloor spielt die Musik. Eine Art Standardlösung, etwas remote aufzuspielen, wird nur im Einzelfall funktionieren.

Zur Person

Manuel Ötsch, Vice President Operations, IONCOR
(Bild: Ioncor)

Manuel Ötsch ist bei Ioncor in seiner Funktion als Vice President Operations verantwortlich für den Betrieb der derzeit drei Batteriewerke des Unternehmens sowie für Lieferantenmanagement, Qualität und Logistik. Dieselbe Rolle hatte Ötsch bereits im Geschäftsbereich EVS inne, aus dem die Marke Ioncor im Oktober 2024 hervorgegangen ist. Zu Valmet Automotive kam der gebürtige Österreicher im Jahr 2021, wo er gleich zu Beginn federführend für den Aufbau des Werks Kirchardt verantwortlich war. Vor seiner Zeit bei Valmet Automotive arbeitete er acht Jahre für die Motherson Group, wo Ötsch verschiedene Werke in Deutschland, den USA und Osteuropa leitete. Zuvor war der Maschinenbau- und Automatisierungsingenieur zwölf Jahre bei Magna Mirrors tätig, wo er verschiedene Führungspositionen in der Logistik, Einkauf und im Werksmanagement innehatte. In seiner jetzigen Rolle ist Ötsch Teil des Global Management Teams der Marke Ioncor.

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