Peter Weber, Leiter des BMW-Werks München, eskizziert auf dem AAutomobil Produktion Kongress 2023 die Transformation des Standorts.

Peter Weber, Leiter des BMW-Werks München, eskizziert auf dem APK 2023 die Transformation des Standorts. (Bild: facesbyfrank)

Kein Standort der BMW Group steht mehr für stetigen Wandel als das Stammwerk München. In seiner hundertjährigen Geschichte wurde es zum exemplarischen Beispiel für zukunftsfähige Veränderungen auf engstem Raum. Auf nur einem Kilometer Länge und 500 Metern Breite erstreckt sich das Werk im Norden der Isar-Metropole. Produziert wird dank Hochbau auf 400.000 Quadratmetern. „Transformation ist ein kontinuierlicher Prozess“, schlägt Werksleiter Peter Weber auf dem Automobil Produktion Kongress 2023 den Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart.

Aktuell verfolgt der Autobauer in der Landeshauptstadt nämlich gleich zwei ambitionierte Ziele: den Anlauf der Neuen Klasse und die Weiterentwicklung zur iFactory. „Die Neue Klasse ist unser Jahrhundertprojekt“, betonte Weber auf dem Kongress. Den Aufschlag werde das ungarische Greenfield-Werk in Debrecen machen, 2026 folge dann das Stammwerk. Damit sei München zugleich der erste Standort, der den Anlauf der künftigen vollelektrischen Modellreihe parallel zur laufenden Produktion meistert.

„Es gibt im Werk fast keine Ecke, an der wir nicht umbauen“, so der Werksleiter. Deshalb müssten bestehende Prozesse temporär verlagert werden. Einbußen beim Volumen soll dieser Ansatz allerdings nicht verursachen. Absolut elementar sei dafür das digitale Abbild des Werkes und die Planung mittels Virtual Reality gewesen. „So erleben wir auf der Baustelle keine Überraschungen.“ Allein für die Verkehrswege bedeutet der Umbau eine enorme Belastung: So steige die Anzahl der täglichen Lkw-Transporte während der Umbauphase laut Weber um etwa 300 auf über 1.000 an.

Wie weit ist BMW mit dem Umbau des Werks München?

Neu sind die Herausforderungen bei Umbau- und Installationsmaßnahmen jedoch nicht. Das verdeutlichen die bereits abgeschlossenen Umbauten und Produktionsanläufe sowie die Geschichte der Produktionsstätte. Erst 2017 hatte BMW eine neue Lackiererei fertiggestellt, in die über 200 Millionen Euro investiert wurden. Sie setzte mit ihrer Trockenabscheidung nicht nur konzernweite Maßstäbe im Bereich Nachhaltigkeit, auch die vollautomatisierte Qualitätskontrolle wurde mit ihr pilotiert.

Auf dem Gelände der ehemaligen Lackiererei wird aktuell ein neuer Karosseriebau errichtet. Die Fläche des seit 1977 etablierten Motorenbaus werde ab November derweil zur Montage für die Neue Klasse umfunktioniert. Allein für Letzteres beziffert BMW die Kosten auf weitere 400 Millionen Euro. Bestehende Produktionshallen werden abgerissen, um Flächen für Baustellen zu schaffen, so Weber. Die Verlagerung der Lkw-Distribution und des ersten Nachlacks sowie die Inbetriebnahme der neuen Fördertechnikbrücke seien indes schon abgeschlossen.

Die Geschichte des BMW-Werks München

Auch in ferner Vergangenheit waren Veränderungen stets Teil der Werks-DNA: Während sich 1922 rundherum noch weite Felder erstreckten, bettete sich das Werksgelände östlich des heutigen Olympiaparks mit den Jahren in die entstehenden Wohngebiete ein. Der Spielraum für Erweiterungen schwand. Und auch die Ausrichtung änderte sich in bedeutender Weise: Ursprünglich für Flugzeugmotoren und Motorräder bekannt, rollte erst 1952 das erste Automobil vom Band.

Das Werk wurde zur Wiege ikonischer Modelle, wie der Isetta, die 1955 die rückläufige Motorradproduktion kompensierte, des BMW 1500, der 1962 den Siegeszug der Neuen Klasse einläutete oder des 3ers, der nach seinem Anlauf 1975 zum erfolgreichsten Modell des OEMs wurde. Seit dem Einzug des neuen BMW M3 im Jahr 2020 ist die 3er-Familie gar komplett in München angesiedelt – Limousine oder Touring, Hybrid, Benziner oder Diesel.

Nachdem sich zunächst die Plug-in-Hybride zu den klassischen Verbrennern gesellten, werden aktuell fünf unterschiedliche Modelle mit sämtlichen Antriebsvarianten auf einer Linie gefertigt. Als Vorreiter im Bereich Elektromobilität fungierte der BMW i4. „Binnen drei Jahren haben wir uns von einem reinen ‚Verbrennerwerk‘ über den Hybrid zum vollelektrischen i4 entwickelt”, erklärte Werksleiter Weber anlässlich des Produktionsstarts des E-Modells im Jahr 2021.

Smart Factory wird für BMW zur Notwendigkeit

Dass die angestrebten Produktionsziele nur durch Optimierung und Automatisierung der Fertigungsabläufe erreicht werden können, wurde BMW bereits 1986 klar. Trotz diverser Auslagerungen, wie der Forschung und Entwicklung ins FIZ, zwang die urbane Lage zur effizienten Nutzung des rarsten Gutes – dem Platz. Ein Umstand, der heutzutage in der Vision der iFactory mündet und das Werk zum Paradebeispiel für deren Nutzen macht. Schließlich laufen derzeit rund 900 Fahrzeuge täglich vom Band. 2016 wurde die Marke von insgesamt zehn Millionen Autos geknackt.

Nur weil es sich um ein Brownfield-Werk handelt, ist die Geschichte des Stammwerks somit längst nicht auserzählt. „In München liegen unsere Wurzeln. Dieses Werk ist Herkunft. Und zugleich Zukunft“, sagte Produktionsvorstand Milan Nedeljković anlässlich des 100-jährigen Jubiläums. Lean, green und digital laute die Devise. Technologien und Wertströme sollen unter diesen Gesichtspunkten in jeglicher Weise optimiert werden, berichtet auch Weber.

Dafür setzen die Münchener vor allem auf Künstliche Intelligenz, Virtualisierung sowie Datenanalyse und -bereitstellung. Über 300 digitale Prozesstafeln helfen den Vorarbeitern bei ihren täglichen Ritualen. Smart Maintenance überwacht die Anlagen und unterstützt bei Wartungen. Oberflächen von Karosserien werden mittels KI untersucht. Die Anwendungsgebiete für neue Technologien sind mannigfaltig. Und der bayerische Autohersteller wird in dieser Hinsicht sicherlich nicht das letzte Mal von sich hören lassen.

Werksleiter Peter Weber beim Start der Serienproduktion des BMW i4 in München.
Werksleiter Peter Weber durfte mit dem BMW i4 bereits den Anlauf eines vollelektrischen Modells in München feiern. (Bild: BMW)

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