Lange Flure durch leere Hallen, in denen sich die wenigen Mitarbeiter gerne noch verlaufen, eine Manufaktur in Zeitlupe und ein Lager voll leerer Regale: Noch ist auf dem Rimac Campus in Sveta Nedelja eine Viertelstunde außerhalb der kroatischen Hauptstadt Zagreb nicht viel los. Kein Wunder. Schließlich hat der elektrische Entrepreneur das Gebäude nach nicht einmal drei Jahren Bauzeit und einer Investition von über 200 Millionen Euro erst im Juni offiziell in Betrieb genommen. Und so ganz fertig sind sie natürlich noch nicht.
Doch trotzdem rollen seit Wochen die Umzugslaster, nur dass sie weniger Möbel bringen als Maschinen, Werkzeuge, Fahrzeugkomponenten und halbfertige Exemplare des Supersportwagens Nevera, der jetzt dann schon seine dritte Produktionsstätte bezieht. Denn die Zeit drängt: Während sie ihren Überflieger - mit mehr als 1.900 PS und über 400 km/h Höchstgeschwindigkeit das erste elektrische Hypercar - zur Not auch weiter in den alten Hallen hätten bauen können, weil es in Summe ja ohnehin nur 150 Autos geben soll, stehen Rimac die OEM auf den Füßen, die er mit Komponenten und vor allem mit Batterien beliefert. Für Porsche, Aston Martin und Koenigsegg arbeitet er schon, Hyundai, Kia und VW haben bei ihm Entwicklungen in Auftrag gegeben und vor wenigen Wochen ist auch noch BMW mit einem Großauftrag für die nächste Batterie-Generatio dazu gekommen. Dafür brauchen sie Platz, und zwar schnell.
Rimac hat ambitionierte Expansionspläne
Deshalb hat Rimac die rund 70.000 Quadratmeter großen Produktionsanlagen in der Bauplanung priorisiert und vor allem die Kollegen aus der Fertigung schon nach Sveta Nedelja geholt, während andere Bereiche noch auf die neuen Büros und Labors auf dem Campus warten müssen, genau wie auf die Gästehäuser, das Restaurant mit eigenen Biogärten, die Kita und die Rennstrecke, die das Gelände mal umrunden soll. Wenn alles fertig ist, dann sollen 100.000 Quadratmeter bebaut sein auf dem gut doppelt so großen Areal und mehr als 2.500 Mitarbeiter Platz finden.
Das Rimac-Werk Sveta Nedelja in Zahlen
Inbetriebnahme: 2024
Mitarbeiter (geplant): 2.500
Grundstücksgröße: 200.000 m2
Gebäudefläche: 100.000 m2
Investitionsvolumen: 200 Mio. Euro
Für Rimac geht damit nicht nur eine logistische Herausforderung zu ende. Denn was vor 15 Jahren mal in der sprichwörtlichen Garage nur einen Steinwurf vom Campus entfernt als Startup begonnen hat, ist schneller als geplant zu einer Firma mit erheblichem Platzbedarf geworden und Rimac hat zwischenzeitlich so ziemlich alle geeigneten Gewerbeimmobilien gekauft oder gemietet, die in und um Zagreb frei waren – bis hin zum ehemaligen Baumarkt, der zur Interimsfabrik für den Nevera umgebaut wurde.
Rimac soll Kroatien auf der Auto-Weltkarte etablieren
Mate Rimac betreibt damit auch Standortpolitik im großen Stil. Denn er will dafür sorgen, dass Kroatien einen Platz bekommt auf der automobilen Weltkarte und der PS-Branche hier eine moderne, ansprechende Heimat bieten. Schon aus Eigennutz, wie er im Interview einräumt. Denn um weiter zu wachsen, braucht er internationale Talente. Und so sehr er auch als Person gerade gefeiert wird und so viel ansehen er als Techniker und Unternehmer genießt, muss er den Menschen schon etwas bieten, wenn er sie ins vermeintlich unbekannte Kroatien locken will. Und er lockt viele: „Als wir den Campus beschlossen haben, hatten wir gerade mal 400 Mitarbeiter. Heute sind es mehr als dreimal so viele“, sagt Rimac. Vieles spricht dafür, dass es bei der finalen Fertigstellung des Campus mehr sein werden als die 2.500, für die das Headquarter ausgelegt ist.
Rimac-Campus ist offen für Besucher
Für Leben auf dem Campus sollen nicht nur die eigenen Mitarbeiter in ihren klimaneutralen Büros und der mit Solarenergie versorgten Fertigung sorgen, sondern auch die Besucher, sagt Pressefrau Marta Longin, die auch für das Erlebnisprogramm auf dem Campus verantwortlich zeichnet und dabei ganz neue Wege gehen will. Denn wo sich Hersteller sonst gerne verschlossen geben und ihre Fabriken abschotten, ist der Campus so weit möglich offen für Jedermann. „So wie Mate in seiner Zeit in Deutschland als Teenager über die Fabriken von BMW oder Mercedes gestaunt haben, sollen sich hier die Kids der Umgebung an den Fenstern die Nasen für den Nevera plattdrücken“, sagt Longin.
Zwar hat der Campus schon jetzt eine imposante Größe und die Animationen der finalen Ausbaustufe lassen den Betrachter noch mehr staunen, weil dagegen selbst die Autostadt in Wolfsburg oder das Areal um Vierzylinder und BMW-Welt vergleichsweise bescheiden aussehen. Doch noch nicht einmal ganz fertig, ist er der Platz schon jetzt voll ausgereizt, sagt Longin mit einem theatralischen Stöhnen, in dem viel Stolz mitschwingt. „Mit dem Auftrag von BMW haben wir unsere letzten Freiflächen belegt und sind damit am Limit“.
Rimac Verne soll den autonomen Massenmarkt anschieben
Für das Robotaxi Verne, das 2026 in Zagreb und danach in mindestens zehn weiteren Städten in Dienst gehen soll, baut Rimac die Fabrik deshalb schon in einer andren Ecke der Stadt und plant dort mit bestenfalls 10.000 Autos bis zum Ende der Dekade. Und während der eigentliche Campus noch gar nicht ganz fertig ist, reift in seinem Kopf schon die nächste Idee, sagt Rimac: „Bis zum Abschluss der Bauarbeiten werden all unsere Büros voll und die Produktionshalle zu 100 Prozent ausgelastet sein. Während der Campus wächst und zu unserer neuen Heimat wird, planen wir deshalb bereits den Bau eines neuen Mega-Campus auf einem dreimal größeren Gelände, um das Produktionspotenzial von Rimac Technology weiter auszubauen.“