Produktion

18. Jun. 2025 | 13:21 Uhr | von Christopher Ludwig

Enric Brau, Seat S.A.

„Logistik ist entscheidend für den Erfolg der Elektrifizierung“

Seats neuer Logistik-Chef, Enric Brau, knüpft an die digitale Roadmap seines Vorgängers an, um den Hochlauf der E-Auto-Produktion zu forcieren, Resilienz zu erhöhen und auf sich verändernde Kundenanforderungen in der Lieferkette zu reagieren.

Enric Brau Seat

Enric Brau ist seit sechs Monaten Chef der Logistik bei Seat und Cupra und will den erfolgreichen Weg seines Vorgängers fortsetzen. (Bild: Seat)

Als Enric Martí Torres im Dezember 2024 in den Ruhestand ging, hatte er 15 Jahre lang die Logistikaktivitäten der Seat S.A. geleitet – eine bemerkenswerte Kontinuität in einer Branche, die sich in dieser Zeit dramatisch verändert hat: von Wirtschaftskrisen über Lieferkettenunterbrechungen bis hin zu Herausforderungen durch neue Technologien. Doch Martís langes Wirken bedeutete keineswegs Stillstand in der Logistik der spanischen Volkswagen-Tochter. Vielmehr steht es für eine langfristige Strategie und Vision: eine vernetzte, datengetriebene und kundenzentrierte Lieferkette aufzubauen.

Dieses Erbe verschafft seinem Nachfolger Enric Brau González als Logistikdirektor von Seat und Cupra ein solides Fundament, um die Abläufe weiter zu digitalisieren und voranzutreiben. Brau ist Ingenieur mit über 15 Jahren Erfahrung bei Seat und der Volkswagen-Gruppe. Er hat in Bereichen wie IT, Logistik und Fertigung gearbeitet, zuletzt leitete er die Produktionssteuerung bei Seat. Seit Dezember vergangenen Jahres ist er für sämtliche Logistikfunktionen verantwortlich: von der Lieferkettenplanung über Vorserien, Inbound, Verpackung und Materialhandling bis hin zur Fahrzeugdistribution. Brau und sein Team arbeiten zudem eng mit den Logistikabteilungen der anderen Marken sowie mit der Konzernlogistik zusammen.

Brau übernimmt die Verantwortung zu einem entscheidenden und herausfordernden Zeitpunkt für Seat. Die Marke treibt die Elektrifizierung seiner Lieferkette stark voran, denn das Stammwerk in Martorell, Spanien, wird zum zentralen Hub der Volkswagen-Gruppe für die Small-BEV-Plattform. Die Produktion des elektrischen Cupra Raval startet im Laufe des kommenden Jahres, gefolgt vom Volkswagen ID.2 – parallel zur Fertigung bestehender Modelle mit Verbrennungsmotor und Hybridantrieb. In Martorell entsteht zudem derzeit ein 64.000 Quadratmeter großes Batterie-Montagewerk, das noch in diesem Jahr in Betrieb gehen soll.

Was sind Ihre wichtigsten langfristigen Prioritäten und Ziele für die Logistik von Seat – und wie leiten Sie daraus Ihren Führungsansatz ab?

Zuerst möchte ich die außergewöhnliche Arbeit meines Vorgängers Enric Martí würdigen, der ein großartiges Team aufgebaut und bemerkenswerte Meilensteine erreicht hat. Es war mir eine Ehre, von ihm und mit ihm zu lernen. Ebenso danke ich dem Team dafür, dass es mir den Einstieg in meine neue Rolle erleichtert hat – sie sind die treibende Kraft hinter unserem Erfolg. Diese neue Rolle ist eine große berufliche Herausforderung, aber ich bin überzeugt, dass ich mit einem höchst kompetenten Team zusammenarbeite, um unsere Ziele gemeinsam zu erreichen. Ich möchte dem Team Mut machen, Risiken einzugehen und ohne Angst zu innovieren. Unsere wahre Stärke zeigt sich darin, wie wir gemeinsam Herausforderungen meistern. Meine Priorität ist es, die Kernwerte von Seat im Team zu verankern: „Mut machen, um gemeinsam erfolgreich zu sein.“ Das wird die Grundlage unserer Transformations- und Logistikstrategie sein. Durch kontinuierliches Lernen und das ambitionierteste Trainingsprogramm unserer Geschichte entwickeln wir ein flexibles, anpassungsfähiges Team mit Gewinnermentalität. Dieses Wachstumsversprechen ist vollständig auf unseren kundenzentrierten Ansatz abgestimmt – damit wir die Bedürfnisse unserer Kunden antizipieren, nahtlos zusammenarbeiten und außergewöhnlichen Service liefern können. Gleichzeitig sind Flexibilität und Innovation essenziell für unseren Fortschritt. Wenn wir Kreativität und Technologie integrieren, steigern wir die Effizienz, senken die Kosten und fördern Nachhaltigkeit. Darüber hinaus wird die bereichsübergreifende Zusammenarbeit unsere Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Seat bereitet sich beim Bau des elektrischen Cupra Raval im spanischen Martorell auf neue Materialien und Logistik vor.
Seat bereitet sich beim Bau des elektrischen Cupra Raval im spanischen Martorell auf neue Materialien und Logistik vor. (Bild: Seat)

Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Seat in der Logistik aktuell konfrontiert ist?

Wir durchlaufen aktuell die größte Transformation unserer Geschichte hin zur Elektrifizierung – und das in der Rolle des führenden Standorts für urbane Elektrofahrzeuge innerhalb der Markengruppe Core des Volkswagen-Konzern. Ab 2026 werden wir Elektroautos in unserem Werk in Martorell produzieren, beginnend mit dem Cupra Raval. Diese Projekte sind von zentraler Bedeutung für die Zukunft unseres Unternehmens. Und unser Logistikteam ist begeistert, sie unterstützen zu dürfen, denn die Logistik spielt eine entscheidende Rolle für ihren Erfolg. Um diesen Erfolg zu sichern, müssen wir jedoch mehrere große Herausforderungen bewältigen.

Die da wären?

Mit der Elektrifizierung wandeln sich unsere Produktionsstandorte zu Fabriken der Zukunft: intelligenter, vernetzter und flexibler. Diese Transformation erfordert neue Materialien, starke Partnerschaften mit Zulieferern und logistische Anpassungen für Komponenten von Elektrofahrzeugen. All das ist entscheidend, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Auch sich wandelnde Kundenbedürfnisse beeinflussen unser Vorgehen maßgeblich. Kunden stehen im Mittelpunkt unseres Handelns, aber ihre Erwartungen ändern sich ständig. Um voraus zu sein, müssen wir ihre Anforderungen antizipieren, Markttrends verstehen und herausragenden Service mit Agilität liefern. Gleichzeitig ist es essenziell, sich an ein sich rasch veränderndes Umfeld anzupassen. Regulatorische Änderungen, wirtschaftliche Schwankungen und technologische Fortschritte erfordern Flexibilität und ein agiles Mindset, um Herausforderungen in Chancen zu verwandeln. Nicht zuletzt stellt der Einsatz von KI in der Logistik sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance dar. Sie kann Effizienz steigern und Prognosen verbessern, doch ihr Erfolg hängt von einer durchdachten Implementierung ab. Um ihr volles Potenzial zu entfalten, müssen wir sicherstellen, dass unser Team über die richtigen Kompetenzen und das notwendige Wissen verfügt.

Sie haben zuletzt die Produktionssteuerung bei Seat geleitet. Worauf sind Sie in dieser Funktion besonders stolz?

Etwa das Rekordniveau, das wir 2024 bei der Produktion erreicht haben: Wir haben im Werk Martorell erstmals die Marke von 2.550 produzierten Fahrzeugen an einem Tag überschritten. Ich bin auch stolz darauf, zur Stärkung der Attraktivität und Sichtbarkeit des Bereichs beigetragen zu haben. Durch gezielte Kommunikation, Transparenz und die Darstellung unserer Erfolge und Herausforderungen haben wir die Produktionssteuerung zu einem attraktiven Arbeitsbereich gemacht, der dabei hilft, Top-Talente anzuziehen und zu binden – und gleichzeitig die Produktivität zu steigern. Schließlich war auch die effiziente bereichsübergreifende Zusammenarbeit ein Schlüsselfaktor: Durch die enge Kooperation mit anderen Produktionsbereichen konnten wir Prozesse verschlanken, Engpässe reduzieren und die Gesamteffizienz steigern.

Wie prägt Ihre Erfahrungen in der Produktionssteuerung und in der IT Ihre Herangehensweise an die Logistik?

Mein Hintergrund in der Produktionssteuerung und in der IT hat mir wertvolle Einblicke in die Logistik und ihre zentrale Rolle im Produktionszyklus gegeben. Logistik und Produktion sind eng miteinander verflochten – sie sind voneinander abhängig und müssen nahtlos zusammenarbeiten. In unseren Prozessen ist eine pünktliche Fahrzeugauslieferung unerlässlich. Diese Erfahrung hat mir die enorme Bedeutung einer durchgängig optimierten Logistik vor Augen geführt, für maximale Effizienz und Wirkung. Darüber hinaus war mein IT-Hintergrund besonders hilfreich, um das Potenzial der Digitalisierung und datenbasierten Entscheidungen zu erkennen. Auch wenn ich kein Spezialist in diesen Bereichen bin, habe ich eine solide Grundlage, um ihre Bedeutung zu verstehen. Der Einsatz von Echtzeitdaten hilft uns, Logistikprozesse zu optimieren – durch bessere Routenführung, Lagerverwaltung und die frühzeitige Erkennung potenzieller Störungen. Unser Ziel ist es, die Digitalisierung stärker in den Produktionszyklus zu integrieren, um die Logistik noch kundenorientierter und effizienter zu gestalten. Wenn wir unser logistisches Know-how mit digitalen Tools verbinden, fördern wir Anpassungsfähigkeit und Innovation in einer sich ständig wandelnden Branche.

Das neue Batteriepack-Montagewerk von Seat in Martorell wird über ein hohes Maß an Logistikautomatisierung und AGVs verfügen.
Das neue Batteriepack-Montagewerk von Seat in Martorell wird über ein hohes Maß an Logistikautomatisierung und AGVs verfügen. (Bild: Seat)

Was begeistert Sie persönlich am meisten an der Leitung der Seat-Logistik?

Die Leitung dieses Teams und die Möglichkeit, aktiv zur Zukunft von Seat beizutragen, motivieren mich in dieser Rolle am meisten. Ein zentrales Anliegen ist mir, jedes Teammitglied zu ermutigen, sein Bestes einzubringen – und damit sowohl individuellen als auch kollektiven Erfolg zu fördern. Ich freue mich auch darauf, meine Erfahrung einzubringen, um unsere Logistikstrategie mitzugestalten. Wenn wir uns auf Effizienz, Nachhaltigkeit und Innovation konzentrieren, halten wir unsere Abläufe effektiv – und im Einklang mit den übergeordneten Zielen des Unternehmens. Dieser ganzheitliche Ansatz hilft uns, Kundenbedürfnisse vorausschauend zu erkennen und in einem sich ständig weiterentwickelnden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Ebenso wichtig ist mir, mit gutem Beispiel voranzugehen und andere zu Spitzenleistungen und Integrität zu inspirieren. Das ist das Fundament unseres Erfolgs – und das Vermächtnis, das wir gemeinsam aufbauen wollen.

Das Interview erschien zuerst bei unserem Schwestermagazin Automotive Logistics.

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