Insbesondere Volvo und Mercedes hatten sich vor drei bis vier Jahren in Person von Volvo-CEO Hakan Samuelsson, Tesla-Chef Elon Musk und Daimler-Entwicklungsvorstand ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert, wann die jeweils eigenen Konzernprodukte unfallfrei durch den Verkehr kommen würden. Gestützt wurden die Abkündigungen dadurch, dass Hightech-Start-ups wie Mobileye, Nvidia, Waymo, Argo AI oder die großen Zulieferfirmen auf die Überholspur einbogen und immer neue Probebetriebe verkündeten und so als vermeintliche Innovationstreiber in aller Munde waren. Bisweilen hatte man den Eindruck, eine nennenswerte Zahl an Autos sei in US-Bundesstaaten wie Michigan, Nevada oder Kalifornien bereits außerhalb winziger Testflotten ohne Zutun des Fahrers unterweg. Dazu die Bilder, in denen Tesla-Fahrer auf US-Highways ein Nickerchen machten oder die Fahrt zur Arbeit mit einem Film verkürzt wurde. Viele waren der Meinung, dass sie bei einem neuen Fahrzeug bereits in ein zwei bis drei Jahren nicht mehr bei jeder Fahrt zum Steuer greifen müssten.

Seit mehreren Jahren sind sowohl Autohersteller als auch große wie kleine Zulieferer in Sachen automatisiertem Fahren mit Hochdruck unterwegs und haben in der Tat zahlreiche Testfahrzeuge mit neuen Assistenzsystemen auf die Straßen gebracht. Viele Tests finden zudem auf abgesperrten Erprobungsgeländen auf der ganzen Welt statt und Fahrzeuge mit einer entsprechenden Kennzeichnung sind mittlerweile auch im Straßenverkehr von Tokio, München, Los Angeles und Singapur unterwegs. Und doch werden wir in den nächsten Jahren nicht viel mehr als intelligente Autobahnassistenten bekommen, die Einzug in die neuen Modelle halten.

An sich ist der aktuelle Audi A8 bereits auf das hoch automatisierte Fahren der Stufe drei vorbereitet. Freigeschaltet wurde das System bisher nicht, obwohl er schon seit zwei Jahren auf dem Markt ist und diese Freischaltung dürfte in der aktuellen Generation kaum noch erfolgen. Die Gründe hierfür liegen nicht nur an einer zugegeben unklaren Rechtslage speziell in Europa, sondern insbesondere auch daran, dass die Sensoren und die Rechenleistung der Bordelektronik noch nicht die harten Anforderungen des automobilen Alltagsverkehrs erfüllen und ganz nebenbei schlicht zu teuer sind. Nicht nur der scheidende BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich oder der CEO des Tier-1-Zulieferers Continental Elmar Degenhardt haben mittlerweile mehrfach bekundet, dass es bei autonomen Fahrzeugen erst nach dem Jahre 2030 einen Durchbruch geben könnte. Andere Experten bezweifeln ganz offen, dass das vollautonome Fahren der Stufe überhaupt eine Chance auf reale Umsetzung hat.

Hoffen auf die neue Mercedes S-Klasse

Problematisch bleibt, dass die aktuellen Fahrerassistenzsysteme nur im Kleinen für Erleichterung sorgen. Einparkhilfe, Abstandstempomat und Notbremsung funktionieren ebenso wie Totwinkelwarner oder Spurhalteassistent ohne nennenswerte Probleme. Doch ansonsten kann man auf Landstraße oder Autobahn die Hände allenfalls ein paar Sekunden vom Steuer lassen, ehe die vernetzten Assistenten der Stufe zwei aussteigen und man wieder selbst zupacken muss. Selbst die teilautonomen Fahrfunktionen der aktuellen Tesla- oder Cadillac-Modelle (Super Cruise) auf festgelegten Highways sind nicht mehr als ein Fahrerassistenzsystem der Stufe zwei plus. Gleiches gilt für Nissan, wo man in diesem Sommer an sich die nächste Stufe des Fahrerassistenzsystems Pro Pilot zünden wollte.

Im September feiert die neue Mercedes S-Klasse ihre Weltpremiere und die Automobilwelt wird wieder einmal mehr als einen Augenblick verharren, um zu schauen, was das Luxusmodell aus Sindelfingen an neuer Hightech offeriert. Immer wieder hatte das Sternenmodell aus Schwaben neue Sicherheitsausstattungen eingeführt, die später Einzug in kleinere Modelle hielten. Bereits im Vorfeld war durchgesickert, dass die neue S-Klasse ab Werk mit den Fahrfunktionen der Fahrerassistenzstufe drei ausgestattet sein wird. In abgesperrten Bereichen wie zum Beispiel Parkhäusern soll sogar die Stufe vier möglich sein und so soll die S-Klasse von morgen ohne Zutun des Fahrers per Knopfdruck auf dem Smartphone sogar automatisch vorfahren oder parken können. Möglich machen dies neue Kameras, intelligente Sensoren und nicht zuletzt der Datenturbo 5G, der erstmals in einem Serienmodell verbaut sein wird. Nahezu zeitgleich soll das ab Mitte des Jahres mit einigen Fahrzeugen in China geschehen. Unter anderem hat der chinesische Premiumhersteller Nio angekündigt, dass er von der aktuellen 4G-Technik seiner Modelle ES6 / ES8 auf die 5G-Technik umstellen wird, die von vielen Experten als Mindestanforderung für eine funktionierende Fahrerassistenz der Stufen drei und vier angesehen wird.

In den nächsten zwei Jahren wird 5G Einzug in die meisten neuen oder technisch aufgefrischten Fahrzeuge halten. Das gilt nicht nur für das elektrische BMW-Doppel aus i4 / i5, sondern auch für die ID-Familie von Volkswagen, die E-Tron-Modelle von Audi oder die neue Porsche-Sportler, die allesamt ab 2021 auf den Markt kommen. Besonders schnell dürfte die 5G-Technik, die eine Datenübertragung und damit Sicherheitsfunktionen nahezu in Echtzeit ermöglicht, bei Fahrzeugen in Asien und den USA implementiert werden. Einige kleinere Hersteller aus China werben bereits damit, dass ihre Fahrzeuge aktuell mit 5G-Technik unterwegs sind. Das Problem sind dabei jedoch nicht nur die teuren Bordeinheiten mit 5G-Antennentechnik, sondern dass das 5G-Netz in vielen Regionen auch wegen der kleinen Funkwaben nur höchst regional funktioniert. Wer auf deutschen Straßen unterwegs ist und selbst in Innenstädten oder auf Autobahnen nicht einmal 3G oder 4G in seinem Display sieht, mag darüber schmunzeln, dass das für das hoch automatisierte Fahren benötigte 5G-Netz in den nächsten Jahren flächendeckend verfügbar sein soll. Es dürfte daher noch eine ganze Zeit dauern, ehe wir auf dem Weg zu Arbeit die Hände etwas länger vom Steuer nehmen können - außer man gönnt sich einen Chauffeur. Und der war in den 1960er Jahren deutlich verbreiteter als heute.

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