Wenn die Türen am Fahrstuhl aufgehen, kommt es zur Begegnung der dritten Art: Fahrerlose Transportsysteme (FTS) schwärmen von hier in alle Richtungen der Montagehalle aus und bringen den angeforderten Teilenachschub an die Bearbeitungsstationen. Den Transportauftrag erhalten sie per Funk aus dem digitalen Ökosystem der Fertigungsplaner, ihren Fahrweg suchen sich die frei beweglichen Elektrotransporter mit Laserscanner und bordeigenem Navigationsprogramm. „Die FTS werden angelernt und können mit dem Leitrechner und dem Fahrstuhl kommunizieren“, sagt Peter Schilling, Werkführer im Audi-Werk Neckarsulm.

28 autonom fahrende Transporter sind in der A8-Montage unterwegs und versorgen Montageroboter und Mitarbeiter bis zur Erstinbetriebnahme mit den Einbauteilen der neuen Oberklasse-Limousine. Computertechnik, Sensoren und Software machen die fahrbaren Transporteure lernfähig und navigations-sicher. Feste Wegstrecken, wie sie durch herkömmliche Induktionsschleifen im Hallenboden vorgegeben sind, benötigen die rollenden Montagehelfer nicht mehr. Ihr Aufgabenspektrum wird im Werk Neckarsulm schrittweise vom Behältertransport kleiner Bauteile auf größere Baugruppen und den Karossentransport in der Halle ausgerollt.

Nur dort automatisieren, wo es sinnvoll ist

Der Startschuss für die neue Teilmontage des A8 fiel im Frühsommer 2016. Dann ging es Schlag auf Schlag bis zum offiziellen Start of Production (SOP) der neuen Premiumlimousine, mit der Audi den Anschluss an die Platzhirsche von Daimler und BMW sucht. Heute kommissioniert und verteilt der Bereich Montage insgesamt 56.000 Teilenummern. Auf die Expertise der Fachkräfte will aber auch in einer smarten Fabrik niemand verzichten. „Nur dort automatisieren, wo es Sinn macht“, heißt es unisono bei den Audi-Verantwortlichen: „Es gibt viel Gruppenarbeit neben robotergestützter Montage wie Scheibeneinbau und Rückwand“, sagt Frank Rockendorf von der Montageplanung A8.

Konzept und Architektur des neuen A8 sowie die Themen Elektromobilität und autonomes Fahren hinterlassen in der Montage ihren Footprint: Der Kabelbaum für das 48-Volt-Netz inklusive wassergekühltem Riemen-Starter-Generator ist größer und schwerer als beim Vorgänger, ebenso ist der Powertrain für einen Mild-Hybrid-Betrieb vorbereitet, die Lithium-Ionen-Batterie ist über der Hinterachse platziert.

Das flächenmäßig größte Bauteil der A8-Passagierzelle ist die faserverstärkte Carbon-Rückwand inklusive Hutablage zwischen Kofferraum und Hintersitzen – ein Highlight aus der Materialkiste des Leichtbaus, denn sie wiegt gerade mal die Hälfte im Vergleich zum Vorgängermodell. Dennoch bietet die aus unterschiedlichen Faserlagen hergestellte Rückwand eine hohe Festigkeit und Crashsicherheit und trägt mit gut 33 Prozent zur Steifigkeit des Gesamtfahrzeugs bei. Die Rückwand kommt im Gegensatz zum Aluminium Space Frame nicht im Karosseriebau, sondern erst in der Montage ins Auto, da sie schon mit allen Einbauteilen bestückt ist, etwa dem Lautsprecherhalter, den Dreipunktgurten und der Mittelarmlehne. Den Einbau übernimmt ein Roboter, der das Teil durch die rückwärtige Fensteröffnung einsetzt. Befestigt ist die CFK-Rückwand über einen Spezialkleber und 22 Nieten. Der Zukauf des Rückwand-Moduls und die Verlagerung des Einbaus in die Montage reduziert den Aufwand und ist kostengünstiger.

Inselhopping entlang der Wertschöpfungskette

Sowohl im Rohbau als auch in der Montage folgen die Audi-Planer der Vision einer smarten Fabrik, die besser auf die zunehmende Komplexität und Variantenvielfalt in der Automobil-Produktion zugeschnitten ist. Von der klassischen Fließbandarbeit mit festen Taktzeiten weicht man ab und setzt auf Fertigungsinseln, an denen Roboter und Werker bestimmte Arbeitsschritte ausführen. Während in der Serienproduktion der Volumenmodelle A3 oder A4 in Ingolstadt nach wie vor Taktzeiten von 88 Sekunden vorgegeben sind, bietet die A8-Produktion in Neckarsulm mit einer Taktzeit von 4,9 Minuten eine komfortable Zeitspanne für den Einbau individueller Modellvarianten. „Die festen Taktzeiten führen an vielen Stellen zu Leerlauf, je heterogener der Modell- und Derivatemix auf dem Band ist, nimmt das sogar noch zu“, sagt Marc Haas von der Fertigung des Audi A8.

Vom Einbau des Kabelbaums bis zur Hochzeit von Karosse und Motor heißt das oberste Ziel in Neckarsulm: „Wir wollen unsere Produktion immer verschwendungs- und störungsärmer machen, sie komplett vernetzen und ergonomische und sichere Arbeitsplätze haben“, betont Audi-Werkleiter Helmut Stettner. Dazu gehört auch die digitale Identifikation von Fahrzeugkomponenten mittels eines RFID-Transpondersystems. Vorbild ist der Audi-Standort Györ in Ungarn, wo die Produktions- und Logistikprozesse bereits mit Radio Frequency Identification (RFID) unterstützt werden. Damit lassen sich Bauteile und Fahrzeuge über die gesamte Produktions- und Lieferkette schnell und einfach identifizieren. Vor allem für die Steuerung der FTS liefern die Informationen aus den RFID-Lesegeräten wertvolle Hinweise für einen optimalen Transporteinsatz.

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