Ein Daimler-Mitarbeiter bei seiner Arbeit in der Produktion.

Auf Basis von Daten lassen sich Prozessanomalien frühzeitig erkennen. (Bild: Daimler)

Predictive Maintenance ist nur ein erster Schritt dessen, was im Rahmen der Digitalisierung möglich wird. Das Startup nextLAP mit Sitz in München und Mountain View, Kalifornien, bezeichnet seinen Lösungsansatz als „Predictive Process Control“. Auf Basis von Daten lassen sich Prozessanomalien frühzeitig erkennen, sodass proaktiv und automatisiert gegengesteuert werden kann. „Die Bedeutung von Daten verändert sich auch in der Produktion derzeit sehr stark: ohne Daten keine intelligente Fertigung. Die Idee von Produktion 4.0 als einer ganzheitlichen Digitalisierung kann nur umgesetzt werden, wenn alle Daten an einer Stelle in Echtzeit vorhanden und beherrschbar sind“, erklärt André Ziemke, Geschäftsführer von nextLAP und ehemaliger Verantwortlicher der Produktions-IT von Audi.

Ein digitales Echtzeitabbild der Produktion, also sowohl der Fertigung als auch der Logistik, ist demnach die Grundlage für das Planen, Gestalten, Steuern und Überwachen. Umsetzen lässt sich ein solcher Ansatz flächendeckend nur mit dem Einsatz von kostengünstiger IoT-Technologien (Internet of Things), ist sich Ziemke sicher. Dazu gehörten Mini-PCs und intelligenten Devices, die in der Lage sind, auch wieder in den Prozess zurück zu steuern. Das Startup hat dafür die Cloud-basierte Produktion-Prozess-Plattform IP/1 entwickelt.

Aus Sicht von nextLAP muss im Grunde alles, was am Produktionsprozess beteiligt ist, auf einer Plattform im Prozesskontext vernetzt werden. Das gelte für Maschinen, Werkzeuge, Roboter, autonome Transportsysteme, Pick-by-Light-Regale, Behälter, Drohnen und natürlich die Mitarbeiter, die ihre Informationen über entsprechende Interfaces bekommen. In einem solchen System zeigt der Monitor zum Beispiel dem Montagemitarbeiter an jedem Arbeitsplatz genau, wie und welches Teil als nächstes verbaut wird, anschließend quittiert der Mitarbeiter den Arbeitsschritt digital. Smarte Regale signalisieren, welches Teil entnommen werden muss und steuern den Nachschubprozess. Der elektronische Schrauber weiß exakt, wie viele Umdrehungen jeweils für ein bestimmtes Teil notwendig sind, er prüft, ob die Verschraubung korrekt war und meldet das Ergebnis an die Plattform zurück. Alles in der Fabrik hat eine IP-Adresse und wird mit der Plattform verbunden. Predictive Process Control bedeutet in der Praxis: Sobald etwas aus dem Ruder zu laufen droht, weiß die Produktions-Prozess-Plattform den Gründern zufolge sofort Bescheid, ermittelt eigenständig mögliche Szenarien zur Problemlösung und steuert direkt in den Prozess zurück, bevor die Störung real durchschlagen kann.

Herr André Ziemke, Geschäftsführer von nextLAP.
André Ziemke, Geschäftsführer von nextLAP. (Bild: nextLAP)

In der Automobilindustrie wächst die Riege derer, die eine solche Vision von einer Produktion der Zukunft teilen. Neben mehreren deutschen Premium-Herstellern gewann das Startup einen US-amerikanischer Hersteller von Premium-Elektrofahrzeugen. Für ein Projekt mit der Audi AG erhielten die Newcomer den Digital Economy Award DEA 2016. Im Bereich Unternehmen 4.0 prämierte die Jury die hohen Effizienzgewinne. Mit dem neuen Ansatz sollen vor allem die oft noch stark getrennten Bereiche von Fertigung und Logistik verbunden werden. Auch die Planung von Fertigungs- und Logistikprozessen und deren Steuerung wachsen so zusammen.

Dr. Thomas Stöckel ist auch Geschäftsführer von nextLAP.
Dr. Thomas Stöckel, ebenfalls Geschäftsführer von nextLAP. (Bild: nextLAP)

„Erfahrene Produktioner und Logistiker wissen aus dem Bauch heraus, wann eine Abweichung Probleme bereiten wird, wie groß der Spielraum noch ist. Der jüngeren Generation fällt das zunehmend schwerer, zugleich steigt die Komplexität in der Fertigung weiter“, sagt Dr. Thomas Stöckel, ebenfalls Geschäftsführer von nextLAP und vormals bei Audi verantwortlich für die Produktions-IT am Standort Ingolstadt. Die Software des Startups sammelt unterschiedlichste Prozessparameter, die an vielen verschiedenen Prozessstufen erhoben werden – sei es der Zeitpunkt, an dem ein Teil verbaut wird, der Maschinendurchsatz oder der Standort eines LKWs, der Teile zum Werk bringt. Auch die Zulieferer, die zunehmend Just-in-Sequence liefern werden, sind hier eingebunden.  Aus all diesen komplexen Daten entsteht ein digitales Echtzeitbild, wie der integrierte Fertigungs- und Logistikprozess abläuft. Auf Basis dieser Echtzeitdaten auf der Produktions-Prozess-Plattform entwickelt das Unternehmen Algorithmen, die eigenständig in der Lage sind, Optimierungsentscheidungen zu treffen und diese in den Prozess zurückzusteuern. So ließen sich Erfahrungswerte, die bisher nur Produktionsexperten vorbehalten waren, automatisiert anwenden, erklärt Stöckel.

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