Der Dieselmotor hat es momentan schwer. Manche Experten beschwören sogar schon das Ende des Selbstzünders herauf. Nach Ansicht von Andrew Fulbrook ist diese postulierte Götterdämmerung etwas voreilig. "Ohne Diesel würde kein Hersteller die CO2-Regularien, die ab 2021 in Europa gelten, erreichen", stellt der Chef-Analytiker der Prognose-Spezialisten von IHS Markit klar. Schließlich garantieren die Diesel-Triebwerke nach wie vor einen geringen Verbrauch und damit auch niedrige CO2-Werte. Vor allem angesichts des unvermindert anhaltenden SUV-Booms ist das entscheidend, um auch nur in die Nähe des dann vorgeschriebenen Kohlendioxid-Ausstoßes von 95 g/km zu kommen. In den USA steht VW ja hauptsächlich wegen manipulierter Stickstoffoxid-Emissionen am Pranger (NOx).
Der Grund für die weitere Abhängigkeit von den Selbstzündern liegt aber auch im schleppenden Absatz der E-Mobile begründet. Jüngste Zahlen belegen, dass in Deutschland die am 2. Juli gestartete E-Prämie momentan noch nicht die hochgesteckten Erwartungen erfüllt. Bis Ende Juli rechnet die zuständige BAFA-Behörde mit rund 2.000 Anträgen. Von der Anfangseuphorie ist nicht viel übrig. Das deckt sich mit den Vorhersagen der IHS-Markit-Analysten, die zwar mit einem steten Abfall der Dieselverkäufe in Europa rechnen, aber davon ausgehen, dass 2028 der Anteil dieser Motorengattung immer noch bei 36 Prozent liegen wird.
Genau andersherum schaut es bei Plug-in-Hybriden und den Mild-Hybriden aus, die erst ab 2020 so richtig zulegen werden. Bei den Mild-Hybriden steigt die Absatzkurve in Deutschland und auch dem Rest von Europa deutlich stärker an als bei den PHEVs. Der Grund ist das leistungsfähige 48-Volt-Bordnetz, das ab diesem Zeitpunkt verstärkt in den Autos Einzug halten wird. Im Gegensatz zu den aktuellen Zwölf-Volt-Bordnetzen kann diese Variante eine deutlich höhere Energiemenge übertragen. Das hilft beim Boosten, beim Rekuperieren und erlaubt auch die Elektrifizierung der elektrischen Verbraucher, wie zum Beispiel der Klimaanlage. "Das wird das neue Start-Stop in Europa werden", ist sich Andrew Fulbrook sicher.
Harte Daumenschrauben
Alle diese technischen Neuerungen kosten Geld und das bringt die Autobauer zunehmend in ein Dilemma. Kein Kunde ist bereit, für das Erreichen einer Abgasnorm exorbitant viel zu zahlen. Selbst mit all diesen technischen Kniffen ist es noch nicht sicher, ob die Flottenverbräuche aller Hersteller 2021 die geforderte 95-g/km-Grenze unterschreiten werden. Bei Zielverfehlung drohen Strafzahlungen. Momentan wird in Brüssel diskutiert, wie diese CO2-Werte, die noch auf dem NEFZ-Zyklus basieren, sich auf den neuen WLTP-Zyklus auswirken, der ab 2017 vorgeschrieben ist. Eine Hintertür können die sogenannten Innovations-Credits sein. Mit diesen besonders umweltfreundlichen Erfindungen können Automobil-Hersteller bis zu sieben g/km von ihrer CO2-Flottenbilanz abziehen, so die Grenzwerte schaffen und Straf-Zahlungen vermeiden.
Sogar Super-Credits sind vorgesehen. Das sind per EU-Definition Autos, die weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Das entspricht etwa 2,15 Liter Benzin beziehungsweise rund 1,9 Liter Diesel pro 100 Kilometer. Das schaffen momentan nur Plug-in-Hybride und natürlich reine E-Mobile. Jedes dieser Vehikel zählt 2020 wie zwei Autos zum Flottenverbrauch und bis zum Jahr 2023 reduziert sich dieser Wert sukzessive auf die Gleichung eins-zu-eins. Allerdings sind die maximalen Super-Credits auf 7,5 g/km begrenzt.
Das zeigt schon, dass die Abgas-Daumenschrauben in den nächsten zehn Jahren weltweit weiter angezogen werden: 2025 wird es in den USA und die eine radikale Verschärfung geben und auch die Emissionsnorm Euro 7 wird nach Andrew Fulbrooks Einschätzung sogar für Benzin-Direkteinspritzer schwer zu erreichen werden. Zumal die Entwicklungs-Etats für Benziner zunehmend zusammengestrichen werden, da den Verbrennern langfristig keine große Zukunft mehr vorhergesagt wird.