Alle setzen derzeit auf das Thema Elektro, doch insgeheim wird auch die Kritik an den Akkus immer größer. Um die Reichweiten zu realisieren, die Kunden von ihren Benzinern oder gar den lange Zeit so hochgeschätzten Dieseln gewohnt sind, müssen große Limousinen oder SUV gigantische Akkupakete mit sich herumschleppen. "Wir denken, dass ein Elektroantrieb in einem Kleinwagen deutlich mehr Sinn macht", sagt Kohei Hitomi, Projektmanager des Honda e, "die Leute fahren am Tag durchschnittlich kaum mehr als 40 Kilometer. Für größere Autos und längere Strecken setzen wir auf die Brennstoffzelle." Honda werkelt ebenso wie zahlreiche andere Hersteller seit langem am Wasserstoffantrieb herum. Doch mehr als Kleinserienfahrzeuge wie der FCX Clarity haben es bisher kaum auf die Straße geschafft. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern.
Als die große Elektrowelle vor Jahren einsetzte, zogen gerade amerikanische und europäische Autohersteller große Investitionen aus der Brennstoffzellenentwicklung ab. Allein die Asiaten spielten weiter und brachten mit Modellen wie dem Hyundai Nexo, Honda FCX oder dem Toyota Mirai im Laufe der Zeit erste Modelle auf die Straße. Doch auch wenn die Technik mittlerweile den Sprung ins Serienzeitalter geschafft hat, die Volumina sind winziger als winzig. Mit einiger Verzögerung hat auch der Daimler-Konzern mittlerweile nachgelegt und nach endlosen Entwicklungsjahren einen mit Wasserstoff betrieben Mercedes GLC auf die Straße gebracht. Mit seinen 4,4 Kilogramm Wasserstoff an Bord soll er knapp 500 Kilometer mit einer Tankfüllung schaffen. Das kleine Akkupaket an Bord reicht für rund 50 Kilometer. Doch nicht nur das dünne Tankstellennetz ist ein unverändertes Problem. Die Preise der Brennstoffzellenmodelle sind bei allen Marken happig - unter 70.000 Euro geht kaum etwas und manche Modelle sind nur zu leasen, denn den Mercedes GC Fuel Cell kann man anders als das breite Spektrum vom 163 PS starken GLC 200d bis zur Sportversion des AMG GLC 63 S+ nicht kaufen.
Elektroantrieb und Brennstoffzelle schließen sich nicht aus - im Gegenteil. Denn genau genommen ist ein Brennstoffzellenauto nichts anderes als ein Elektrofahrzeug, das seine Energie nicht in Lithium-Ionen-Akkus mit einem Gewicht von mehreren hundert Kilogramm an Bord speichert. Vielmehr befindet sich das Lebenselixier im flüssigen Wasserstoff, der aufwendig nachgetankt und erst im Auto in elektrische Energie umgewandelt wird, ehe er die Elektromotoren antreibt. Vorteil: das schwere Akkupaket muss nicht im Auto untergebracht werden und die 400 bis 600 Kilometer Reichweite sind bei einem entsprechend großen Hochdrucktank kein Problem. Zudem dauert das Nachtanken nicht länger als bei einem Verbrennungsmotor. Mittlerweile beseitigt sind Probleme wie das Abdampfen bei längerem Parken oder das Packaging, denn die crashsicheren Tanks sind trotz 700 bar Belastbarkeit weithin unsichtbar in den Modellen versteckt. So ganz lässt sich das komplexe Antriebsmodul dann aber doch nicht überdecken, denn die Tanks und das kleine Kraftwerk, das den flüssigen Wasserstoff in elektrische Energie umwandelt, schluckt so viel Raum, dass Crossovern wie dem Hyundai Nexo oder dem Mercedes GLC beispielsweise der übliche Allradantrieb verwehrt bleibt.
Audi und Hyundai gemeinsam?
Volkswagen war lange Jahre - zumindest mit gebremstem Schaum - ebenfalls in der Brennstoffzellenentwicklung unterwegs. Doch man fühlte sich zu Zeiten eines Ulrich Hackenberg überaus wohl mit einem Platz in der dritten Reihe. "Wenn hier etwas passiert, fangen wir nicht bei null an, sondern können aus unserer Basisentwicklung heraus innerhalb von wenigen Jahren reagieren", so der damalige VW-Chefentwickler. So gab es sogar Vorserienmodelle im Blechkleid von Audi A7 und dem VW US-Passat, die man innerhalb von kurzer Zeit hätte Realität werden lassen können.
Doch wie bei vielen anderen Herstellern auch zweifelten insbesondere die Vertriebler an der Zukunft des Wasserstoffantriebs, denn seit vielen Jahren liegen die größten Probleme der Brennstoffzelle nicht bei den Autoherstellern selbst, sondern in der mehr als löcherigen Infrastruktur. Ein Tankstellennetz in einem Land oder gar auf einem Kontinent aufzubauen, erscheint angesichts der großen Kosten, die durch die speziellen Hochdrucktanks und die Füllanlagen entstehen, in den nächsten Jahren abwegig. Insbesondere, weil die Brennstoffzelle längst nicht nur gegen die übermächtige Ölindustrie ankämpfen muss, sondern einen deutlich gefährlicheren Gegner hat: die Akkutechnik. Trotzdem gibt es neben Mercedes mittlerweile auch von BMW und Audi wieder erste Wasserstoffbekenntnisse. "Wir wollen es wirklich beschleunigen", so zuletzt der Audi-Vorstandsvorsitzende Bram Schot, "wir werden Wasserstoff-Brennstoffzellen mehr Priorität einräumen - mehr Geld, mehr Kapazität und mehr Vertrauen." Noch in diesem Jahr soll der Prototyp eines Brennstoffzellen-Elektrofahrzeugs vorgestellt werden. Ein limitiertes Leasingprogramm, wie es aktuell insbesondere die asiatische Konkurrenz anbietet, soll bis 2021 umsetzbar sein. Vor rund einem Jahr einigten sich Audi und Hyundai darauf, bei den Entwicklungen im Bereich Brennstoffzelle zusammenzuarbeiten. "Wir sind zuversichtlich, dass unsere Partnerschaft mit Audi die Vision und die Stärken des Brennstoffzellen-Antriebs erfolgreich unter Beweis stellen wird", so Euisun Chung, Vice Chairman der Hyundai Motor Company. "Diese Vereinbarung ist ein weiterer Beleg für das starke Engagement von Hyundai, eine nachhaltigere Zukunft mit wasserstoffbetriebenen Autos zu gestalten - dem schnellsten Weg zu vollständig emissionsfreier Mobilität."
Olympische Spiele als Brennstoffzellenplattform
Deutlich weiter sind hier speziell Toyota und Honda, die die Olympischen Spiele im kommenden Jahr nutzen wollen, um die mobile Brennstoffelle wieder international ins Bewusstsein zu rücken. Toyota will seine Brennstoffzellentechnik zukünftig an die BAIC Group liefern und könnte sich durchaus vorstellen, seine Antriebstechnik auch an andere Marken zu verkaufen. Die Kooperation mit BMW beschränkt sich keinesfalls nur auf die gemeinsame Entwicklung von BMW Z4 und Toyota Supra, denn eine kleine Flotte von BMW 6er GT ist seit längerem zu Testzwecken mit Wasserstoffantrieb unterwegs. Große Teile der Technik stammen vom Toyota Mirai.
Foton Motor, die Nutzfahrzeugsparte von BAIC, wird jedoch der erste chinesische OEM sein, der von Toyotas FCV-Technologien profitieren wird. Foton will Brennstoffzellen-Busse produzieren, die während der Olympischen Winterspiele 2020 in Peking in Betrieb gehen sollen. In seinem Werk Motomachi / Aichi hat Toyota eine neue, besonders kompakte Anlage namens SimpleFuel installiert, die Wasserstoff erzeugt, speichert und an Brennstoffzellenfahrzeuge liefert. Die Station nutzt hierfür den Strom, der aus den Solarmodulen auf dem Dach der Produktionsstätte stammt. Die Sonnenkraft liefert die Energie für die Anlage, die Wasser mittels Elektrolyse in Wasser- und Sauerstoff zerlegt. Täglich werden so rund 8,8 Kilogramm Wasserstoff produziert, verdichtet und unter Druck gesetzt. Mit dieser Menge lassen sich sieben bis acht der Brennstoffzellen-Gabelstapler betanken, die im Werk unterwegs sind.