Auf dem Vorplatz des japanischen Kaufhaus Takashimaya in der legendären Orchard Road hat der lokale Mazda-Händler seine neuesten Schmuckstücke ausgestellt. Auf dem Dach des roten Mazda 6 2.5 Luxury thront ein Preisschild, das Europäern die Sprache raubt: 128.888 Singapur-Dollar. Ein Aktionspreis anlässlich des 50. Landesjubiläums ebenso wie der Mazda 3 2.0, der die zahlreichen Passanten auf dem 2,2 Kilometer langen Prachtboulevard mit einem Einstandspreis von 103.888 Singapur Dollar lockt. Heißt, der Mazda 6 kostet in Singapur Dank der lokalen Luxussteuer über 86.000 Euro und selbst das japanische Kompaktklassemodell schlägt umgerechnet mit rund 73.000 Euro zu Buche. Besonders beliebt sind in dem Stadt- und Inselstaat jedoch nicht nur koreanische und japanische Volumenmodelle, sondern europäische Premiummodelle von Audi, BMW, Mercedes oder Porsche, deren Kaufpreise durch die Luxussteuer durchaus schon einmal verdoppelt werden.

600.000 Autos – mehr nicht

Die unzähligen 5er BMW, Audi A4 oder Mercedes E-Klassen kosten in Singapur ein Vielfaches von den Mazdas, die am Wochenende an der von Leo Sayer in den 80ern besungenen Orchard Road angepriesen werden. In diesen Tagen kleidet sich ganz Singapur in den traditionellen Landesfarben rot-weiß. Grund ist der runde Jahrestag des autonomen Commonwealth Staates am 9. August. Jedes Geschäft, alle Restaurants und die allgegenwärtigen Händler an jeder der überfüllten Straßenecken locken mit 50-Jahres-Angeboten. Da wollen die Autohändler keine Ausnahme machen und in dem beliebten Rechtslenkerstaat ein paar mehr fahrbare Untersätze mehr verkaufen. Für Hybrid- oder gar Elektromodelle interessiert sich in Singapur niemand und Cabrios sind wegen des ganzjährig schwülheißen Klimas trotz Dauersonne kaum ein Thema.

Wer sich für ein Modell aus deutscher oder asiatischer Produktion interessiert, kann bei den feuchtenheißen Temperaturen jedoch nicht einfach zum Händler stiefeln und den Traumwagen trotz Wahnsitzpreis in die eigene Garage holen. Denn ein Nummernschild zu bekommen, ist in Singapur mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern noch schwerer als in einigen Regionen Chinas. Die nationale Regierung hat die Fahrzeuganzahl bereits vor Jahren gedeckelt und so muss jeder nicht nur für einen Mercedes E 250 oder einen BMW 740 Li tiefer denn je in die Tasche greifen. Ein Nummernschild kostet in den Versteigerungen ein paar weitere Zehntausender oder der künftige Neuwagenkäufer weist die Entsorgung von mehreren Altmodellen nach. So hält sich die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge seit Jahren bei 600.000 Stück.

Formel 1

Kein Wunder, dass viele Singapurer auf ein eigenes Auto verzichten und die täglichen Wege mit Bussen, der größtenteils unterirdischen MRT oder den allseits beliebten Taxis zurücklegen. Dem Parkchaos versucht die Regierung nicht zuletzt rund um den 50-Jahr-Feierlichkeiten mit einem hoch technisierten Parkleitsystem entgegenzuwirken, das sich zwischen Financial District, Little India und Central Business District erstreckt. Autofahren macht auf der Singapur-Insel alles andere als Spaß. Die Straßen im Zentrum sind verstopft, das Parken astronomisch teuer und die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf den kargen Expressways liegt bei schmalen 90 km/h. “Geduldet werden Tempo 100″, so Hashim, “doch wer mit mehr als 100 km/h erwischt wird, muss vor Gericht. Dann wird es richtig teuer.” Als ob das nicht schon teuer genug wäre, kostet jede Einfahrt in den Citybereich – je nach Uhrzeit – zwischen 50 Cent und zwei Singapur-Dollar. Auf der Sonneninsel Sentosa Island darf man nur 30 bis 50 km/h schnell fahren. Da nehmen gleich die Magnetbahn oder die Touristengondeln.

Da haben es Nico Rosberg, Lewis Hamilton und Sebastian Vettel im September besser. Denn wenn die Formel-1 Einzug in Singapur hält, gibt es auf dem Stadtkurs nur die Grenzen der Physik als reale Geschwindigkeitsbegrenzungen. Das Rennen selbst ist in dem südasiatischen Staat ein mächtiger Wirtschaftsfaktor, dem die umfangreichen Einschränkungen der Bevölkerung nur allzu gerne untergeordnet werden. Wie bei seinem europäischen gegenüber in Monte Carlo wird der Kurs mehrere Monate auf- und rund einen Monat nach dem Rennen am 20. September wieder abgebaut. Doch so sehr das Autofahren in Singapur auch sanktioniert wird, Autos haben eine gigantische Bedeutung und gelten neben Uhren und Haus- sowie Wohnungseigentum als wichtigstes Statussymbol. Wer sich einmal wie Sebastian Vettel fühlen will, kann sich bei Autovermieter “Ultimate Drive” einen kunterbunten Lamborghini Gallardo oder einen Ferrari F 430 gönnen und im Schneckentempo durch Singapur brüllen.

Tuningszene

Wer beruflich etwas auf sich hält, hat nicht selten einen eigenen Chauffeur. Gerade Luxuskarossen und Sportwagen verkaufen sich in einem der teuersten Länder der Welt wie fahrend warme Semmeln. Jährlich werden in Singapur rund 50.000 Fahrzeuge abgesetzt. Kein Wunder, dass eine Marke wie BMW in Singapur mit 3.200 verkauften Autos auf Platz drei lag. Volumenmodell: der 5er, denn jedes zweite neu zugelassene Fahrzeug in dem rot-weißen Stadtstaat ist ein Fahrzeug der Premiumklasse. Audi setzt in Singapur bevorzugt sein Mittelklassemodell A4 ab. Verkauft werden die Modelle mit den vier Ringen auf dem Kühlergrill in einem spektakulären Händlerbetrieb am so genannten Car Belt. Drei Stockwerke liegen unter der Erde, acht über den Boden mit einer großen Werkstatt in Etage sieben. Während außen der technische Audi-Look den Ton angibt, lockt im Innern asiatisches Feng-Shui. Mehr und mehr entwickelt sich Singapur dabei zu einem SUV-Markt. Bestseller von Porsche ist der Macan, von dem in der ersten Jahreshälfte 2015 insgesamt 222 Stück verkauft wurden – mit mächtigem Vorsprung vor dem Cayenne mit 46 Stück. Hauptgrund: die gigantische Luxussteuer.

Am Car Belt machen nicht nur potenzielle Kaufinteressenten bevorzugt am Wochenende Station, sondern hier treffen sich auch die eingefleischten Tuningfans, die allen Restriktionen und Geschwindigkeitsgrenzen zum Trotz bevorzugt japanische Fahrzeuge wie Honda Civic oder Subaru Impreza nach dem Vorbild von Tokio Drift tunen und präsentieren.

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