Wiener Hofburg mit Fahnen des Motorensymposiums

In Wien werden die neuesten Ergebnisse und
Fortschritte bei der Entwicklung mobiler Antriebssysteme 2021 im Rahmen der zweitägigen Online-Tagung präsentiert. (Bild: ÖKV, Doris Kucera)

Der 42. Branchentreff der Antriebsexperten feiert 2021 sein 30. Jubiläum in der Wiener Hofburg. Aufgrund der Corona-Pandemie allerdings zum zweiten Mal in Folge lediglich digital. Trotz der Einschränkungen erweist sich die aktuelle Gemengelage in der Branche freilich nicht minder brisant: Ehrgeizige Klima- und CO2-Reduktionsziele, ein ungebremstes Mobilitätsbedürfnis weltweit und der auf vielen Märkten bereits eingeläutete Wechsel hin zur batterieelektrischen Fortbewegung bilden den Rahmen der täglichen Ingenieursarbeit. Und erneut sind alternative Antriebs- und Kraftstoffkonzepte ein wichtiges Feld, dem sich die Branche widmet.

In Einklang mit der Konzern-Philosophie liegt Audi-Chef Markus Duesmann zufolge der Schlüssel zum Erfolg in der wirtschaftlichen Skalierung der Elektromobilität. Im Konzern nutze man dazu die markenübergreifenden Plattformen wie die Premium Platform Electric (PPE), die in Zusammenarbeit mit Porsche entsteht und eine breite Modellpalette vom B- bis zum D-Segment ermöglichen soll. Mit der Audi Q4 e-tron-Familie werde zudem die MEB-Plattform für Kompakt- und Mittelklassemodelle bereits in diesem Jahr skaliert. Als nächsten Schritt werde man die E-Modelle aller Marken des Volkswagen-Konzerns auf einer gemeinsamen flexiblen Plattform zusammenführen, so Duesmann.

Zulieferer betonen ihr hohes Integrations-Knowhow

Ökologische, soziale und ökonomische Aspekte der Mobilität in Einklang zu bringen, sei laut dem Vorsitzenden des Unternehmensbereichs Mobility Solutions bei Bosch, Stefan Hartung, wichtig für die Perspektiven des Komponentengeschäfts im Powertrain. Mobilität sei fundamental und gerade Frachttransporte würden noch weiter steigen, etwa auch durch das Online-Shopping. 2050 müsse der Bereich Fracht deshalb klimaneutral werden. Für Erfolge könne man sich nicht mehr zurücklehnen. Viele würden befürchten, dass Mobilität finanziell nicht mehr stämmbar bleibe. Daher sei man bei Bosch Treiber fairer Mobilitätsmodelle und gehe Themen wie die Reichweite, aber auch das Feld der Infrastruktur mit Integrations-Knowhow an.

Für den Bosch-Mobilitätsexperten zählen dazu auch die Brennstoffzelle sowie synthetische Kraftstoffe. In der Diskussionsrunde hob Hartung mit Blick auf das in diesem Jahr starke Thema der alternativen Kraftstoffe hervor, dass man für die Reduktion von CO2 alle gebotenen Pfade einschlagen solle. Sowohl die Industrie als auch die Menschen würden die Ideen mittragen und die entsprechenden Wege mitgehen. Auch Uwe Wagner, Vorstand Forschung und Entwicklung bei Schaeffler, spricht über die Rolle eines Zulieferers bei der Defossilisierung und Transformation des Mobilitätssektors. Der Technikexperte warb in seinem Vortrag für das hohe vertikale Integrationsverständnis seines Hauses und betonte die zunehmenden Bedarfe an Kompetenzen im Bereich Thermomanagement für batterieelektrische Antriebe.

Alternative Kraftstoffe erneut starkes Thema

In Wien war bereits in den vergangenen Jahren Kraftstoff in all seinen Facetten ein zunehmend präsentes Themengebiet. Zahlreiche Vorträge befassen sich auch 2021 mit den Möglichkeiten, die alternative Kraftstoffe in neuen, aber auch in Bestands-Fahrzeugen bieten können. Die Anwendung synthetischer Kraftstoffe sei eine zeitnah realisierbare Alternative für die Sektoren Luft- und Schifffahrt sowie den Langstreckentransport und deren spezifischen Anforderungen, sagt Arne Güdden von der RWTH Aachen in einem gemeinschaftlichen Vortrag mit FEW. Besonders Methanol eigne sich sowohl für die dieselmotorische als auch die ottomotorische Verbrennung. Der Experte beschreibt die möglichen Brennverfahren und identifiziert die vielversprechendsten Alternativen. Mit der Diesel-Piloteinspritzung als Zündhilfe könne Methanol diffusiv verbrannt werden. Die erzielbaren Wirkungsgrade liegen ihm zufolge über dem Niveau aktueller Dieselmotoren.

Mats Hultmann vom Energieunternehmen Neste Oyi zeigt in seinen Ausführungen, dass das gewohnte Gleichsetzen von Verbrennungsmotoren und Kraftstoffen aus fossilen Rohstoffen heutzutage so nicht mehr gilt. Bei der Suche nach klimafreundlichen Lösungen gelte es, alle Emissionen während des Fahrzeuglebenszyklus von der Herstellung bis zum Recycling zu berücksichtigen. Viele  seien womöglich überrascht über die Vergleichsergebnisse der Emissionen von Elektro- und Dieselfahrzeugen während ihres Lebenszyklus von etwa 200.000 Kilometern basierend auf verschiedenen Energiequellen, so der Experte. Ein Elektrofahrzeug mit 100 Prozent Windkraft mag nach der besten Lösung klingen. Beim Vergleich der Lebenszyklus-Emissionen könne ein Diesel-Pkw, der mit 100 Prozent erneuerbarem Kraftstoff betrieben werde, im Hinblick auf die Emissionen aber eine noch bessere Alternative darstellen.

Unterschiedliche Perspektiven für ein faireres Bild

Die Emissionspotenziale aus mehreren Perspektiven zu betrachten ist auch ein Ansatz, den das Entwicklungsunternehmen IAV in einer aktuellen Studie mit Blick auf Wasserstoff verfolgt. Mark Sens stellt in Wien im Rahmen seines Vortrags die Potenziale wasserstoffbasierter Antriebe in drei Fahrzeugklassen vor. Bei IAV ordnet man diese in Bezug auf die TtW-, WtW- und auch CtG-CO2-Intensitäten sowie die Herstellkosten und die Total Cost of Ownership ein. Zu den Schlussfolgerungen der Untersuchung zählt etwa, dass Wasserstoffantriebe im Pkw zumindest mittelfristig eine Alternative zu batterieelektrischen Antrieben darstellen, bis eine ausreichende Menge an national erzeugtem regenerativem Strom zur Verfügung steht. Für die Brennstoffzelle könne im Pkw-Bereich sogar von einer langfristigen Alternative gesprochen werden, wenn auch blauer und türkiser Wasserstoff beziehungsweise importierter grüner Wasserstoff zur Verfügung stehe und genutzt werde.

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