Die Bedeutung der klassischen Automessen wird immer geringer; echte Weltpremieren kann sich hier kaum jemand mehr erlauben. Mit mächtiger Verzögerung haben das auch die Autohersteller erkannt. Wer als Hightech-Marke und nicht allein als hausbackener Autoproduzent gelten möchte, kommt um die Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas nicht herum. Der Termin Anfang des Jahres und zudem noch kurz vor dem offiziellen automobilen Jahresauftakt in Detroit auf der North American International Autoshow (NAIAS) ist denkbar ungünstig; der Veranstaltungsort jedoch verlockend. Das liegt zum einen am gewohnt stimmungsvollen und immer wieder reisewerten Las Vegas. Zum anderen jedoch daran, dass sich die Autohersteller auf dem Messegelände als weltweite Zukunftskonzerne präsentieren können. Es geht dabei weit mehr als um die knapp 150.000 Zuschauer, die sich jedes Jahr durch die Hallen quälen, um Neuerungen in sich aufzusaugen, die nahezu in Echtzeit über Twitter, Facebook und Google+ in die Welt hinausgetragen werden.

Die amerikanischen Hersteller und hier allen voran Ford waren seinerzeit die ersten, die vor ein paar Jahren die Fühler zaghaft auf die preiswerten Bodenbeläge der CES ausstreckten. Die zumeist schlurfigen IT-Nerds nahmen die kleinen Messestände oder den ersten Auftritt des jetzigen Ford-Chefs Mark Fields mit Bill Gates bei der Präsentation des Bediensystems Sync kaum wahr. Längst sieht es anders aus. Noch mehr als in den Jahren zuvor wollen die großen Hersteller in Las Vegas hell wie die weltbekannten Leuchtreklamen erstrahlen. Und gerade die deutschen Premiumhersteller wollen sich in der Spielerstadt von Nevada die visionäre Zukunfts-Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Es geht dabei weniger um die Messeinhalte im Einzelnen, sondern darum, vor Ort und somit am Puls der Zeit zu sein. Längst interessieren sich viele potenzielle Autokunden mehr für Vernetzung und die automatisierte Fahrt ins Büro als für Motorleistungen und Höchstgeschwindigkeiten.

Kein Wunder daher, dass Audi, BMW, Volkswagen und Mercedes ebenso wie Ford, Toyota, Mazda, Hyundai oder General Motors auf der CES-Leistungsschau nicht auf neue Fahrzeuge setzen. Die gibt es bestenfalls ein paar Tage später in der alten Automobilwelt von Detroit zu sehen. Mercedes-Chef Dieter Zetsche wird mit seiner Keynote-Ansprache einen Ausblick auf die Daimler-Zukunft des automatisierten Fahrens werfen und einen realen Zukunftsträger zeigen, in dem Fahrspaß zur Nebensache wird. Lenkrad oder Pedale falten sich automatisch zusammen, während sich die vier Insassen für Kurzweil, Unterhaltung oder Arbeit gegenübersitzen und mit Großdisplay verschmelzen. Und auch bei den anderen Autofirmen wird es vorrangig um Teilautomatisierungen und Bedienkonzepte gehen.

Im vergangenen Jahr ließ Audi seinen A7 vollautomatisch automatisch in ein Parkhaus fahren und wieder ausparken, BMWs Sportskanone M 235i drehte ein paar vollautomatische Runden auf der nahe gelegenen Rennstrecke und GM brachte den Datenturbo LTE ins Auto. Mit ein paar Wearables wie Projektionsbrillen oder einer sprechenden Digitaluhr, die einen mit seinem Auto vernetzt wie einst K.I.T.T. mit David Haselhoff alias Michael Knight, ist es längst nicht mehr getan.

In wenigen Jahren sind die Autohersteller nicht nur mediale Zugpferde der CES geworden; wer die Messestände von Audi, BMW und Mercedes sieht, kann sich kaum mehr vorstellen, dass Ford sein Mittelklassemodell Taurus und dessen technische Innovationen einst auf einem 50 Quadratmeter großen Stück Teppich auf die kaum interessierten Messebesucher losgelassen hat. Heute schauen sich branchenfremde Großkonzerne wie Sony, Samsung, Lenovo oder Microsoft die Aufritte der Autohersteller ganz genau an; haben die sich innerhalb kürzester Zeit doch zu echten Messestars gemausert. Was jedoch nichts daran ändert, dass nur ein paar Meter neben den strahlenden Messebau-Kreationen von GM, Ford, BMW oder Mercedes auf Kleintischen nach wie vor Handyhüllen, LED-Schilder und intelligente Bewegungsmelder zur Schau gestellt werden. “Die Ausstellungsfläche der Autofirmen hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt”, sagt Tara Dunion, Sprecherin der Las Vegas Show.

Dafür sorgen nicht nur die Autohersteller selbst, sondern auch Massenzulieferer wie beispielsweise der Nvidia-Konzern, der die Navigationssysteme und Bedienmodule von Audi oder BMW mit turboschnellen Prozessoren versorgt. “Vor zwei Jahren hätte unserer Messestand mit Computern und ein paar Videospielen vollgestanden”, sagt Danny Shapiro, Direktor der Automobil-Sparte von Nvidia, “dieses Jahr machten wir die strategische Entscheidung, unseren Fokus auf Automobile zu setzen.” Das werden in den kommenden Jahren wohl noch ein paar andere Firmen tun. Der legendäre Vegas-Slogan “what happens in Vegas stays in Vegas!” wird dabei jedoch einmal nicht gelten.

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Stefan Grundhoff; press-inform

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