Wenn man den BMW-Verantwortlichen in den vergangenen Monaten lauschen durfte, kann gibt es für den Autobauer aus München ein Fahrzeug, das wichtiger als alle vor ihm und vielleicht auch nach ihm werden dürfte. Sein Projektname: BMW iNext. Vor Jahren führte BMW angetrieben von den innovationsfreudigen Inhaberfamilien Klatten und Quandt die Premiumkonkurrenz mit der mutigen Kreation der Submarke BMW i und den elektrifizierten Modellen i3 und i8 vor. So mutig hatte sich seit Jahrzehnten kein Autohersteller präsentiert; schon gar keiner aus deutschen Landen. Doch in den Jahren 2013 / 2014 waren die Kunden dem wenig ansehnlichen Cityflitzer i3 und dem spektakulär gezeichneten Hybridsportler i8 ebenso wenig zugetan, wie der elektrischen Fahrzeugidee im Allgemeinen. Keine Überraschung, dass BMW fortan auf die Bremse trat und sich bei allen Achtungserfolgen von i3 / i8 auf den Ausbau seines aktuellen Verbrennermodellprogramms kaprizierte, deren Antriebe effizienter und einige Modelle wieder sportlicher machte. Es wurde ruhig um das elektrische Gedankengut im Vierzylinder am Petuelring, während sich die Konkurrenz langsam begann, von dem Elektroschock aus München berappelte.

Rund fünf Jahre später sieht die Situation etwas anders aus. Elektrofahrzeuge erfreuen sich in den meisten Regionen der Welt nach wie vor einer nur überaus bescheidenen Nachfrage. Zu groß ist das Minus, das die Modelle mit dem Stecker nach wie vor bieten. Lange Strecken ohne Nachtanken, am besten noch mit Vollgas, sind in einem Elektroauto nicht zu machen. Die Ladeinfrastruktur ist mäßig; die Ladestärke oftmals eine noch größere Frechheit als die Preise der Autos selbst, die bisweilen das doppelte eines vergleichen Verbrenners kosten. Angeführt von einem vorauseilenden China und drohenden internationalen Reglementierungen wird der Druck auf die Autohersteller jedoch immer größer, Elektromodelle auf die Straßen zu bringen. Feste Elektroquoten sind selbst außerhalb von China wohl nur noch eine Frage der Zeit und wenn ein Fahrzeugsegment endlose Nachfrage zu haben scheint, sind es auf absehbare Zeit wohl nur die allgegenwärtigen SUV.

Da wundert es nicht, dass gerade die Premiumhersteller alles daransetzen, derzeit ihre elektrischen Crossover unter die Leute zu bringen. Überrascht hat in diesem Zusammenhang das Erstlingswerk von JLR in Form des Jaguar i-Pace. Der elektrische Brite stahl den ansonsten vorauseilenden deutschen Premiummarken mächtig die Schau und hat seine ersten Serienfahrzuege bereits ausgeliefert. In der vergangenen Woche feierte der Mercedes EQ C in Schweden seine Weltpremiere; in der kommenden Woche folgt der Audi e-tron Quattro. Und wo ist BMW? Der einstige Elektropionier zeigt nach der Studie eines elektrischen Coupés auf der IAA im vergangenen September jetzt einen Ausblick auf seinen iNext.

Der 5,05 Meter lange SUV wirkt optisch wie eine Mischung aus BMW X3 und einem Renault Espace mit knabberfreudigen Hasenzähnen. Anders als die Konkurrenz aus Stuttgart und Ingolstadt wollen die Münchner Bayern keine halben Sachen machen und mit dem iNext einen SUV auf die Straße bringen, der mehr sein will, als ein Elektroauto allein. Er soll nicht nur in Sachen Antrieb, sondern auch bei den Fahrerassistenzsystemen völlig neue Maßstäbe setzen und kein halbgares Mittelding sein, um so schnell als möglich Kunden zu locken. Das Problem ist dabei, dass der BMW iNext kaum vor Herbst 2021 und somit erst in drei Jahren in die ersten Hauseinfahrten surren dürfte. Die Kunden, die abseits des allzu polarisierenden i3 schon vorher elektrisch einen BMW fahren wollen, bekommen 2020 mit dem im Frühjahr vorgestellten iX3 jene halbgare Lösung, wie man diese aktuell bei Mercedes EQ C und Audi e-tron Quattro sieht. Der große Sprung soll dann mit dem BMW iNext kommen.  

„Wir zeigen mit dem BMW iNext auch unseren Innenraum der Zukunft“, erläutert BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich, „es ist der Blueprint für die Zukunft von BMW, wo wir in den nächsten Jahren zwölf Elektroautos vorstellen werden.“ Das Design ist mit den sehr schmalen Scheinwerferaugen vorne und hinten, den großen Karosserieflächen durchaus gefällig; aber durch die gigantische Doppelniere im Hasenzahndesign allemal polarisierend. Noch heftiger wird es im Innenraum, wo abzuwarten ist, wieviel Realitätssinn die Studie des iNext mit dem Serienmodell von 2021 gemein hat. Abgesehen vom altrosafarbenen Interieur im vorderen Bereich mit zwei Alcantara-Loungesesseln gibt es im Fond ein Sofa, dessen Farbe und Stoffbespannung auch aus den Mittachtzigern stammen könnte.

Bedienung auf dem Stoff - das Touchsofa der Neuzeit ist geboren

Gag: einige Funktionen lassen sich mit Fingerübungen auf dem Stoff bedienen – das Touchsofa der Neuzeit ist geboren. Überraschend karg zeigt sich das Cockpit mit zwei aufgestellten Displays, die nicht so recht ins Gesamtkonzept zu passen scheinen. Schalter, Bedieneinheiten, Spiegel oder ein Head-Up-Display waren bei BMW scheinbar gestern. Die meisten Funktionen werden stattdessen per „Hey-BMW-Zuruf“ per Sprache bedient.

Bei den Leistungsdaten hält sich BMW noch zurück. Der BMW iNext wird ein rein elektrischer Allrad-SUV sein, dessen Akkus platzsparend im Boden verbaut sind und der in der Stufe 3 teilautonom auf einigen Straßen fahren kann. „Die Reichweite wird bei 600 Kilometer liegen“, legt Klaus Fröhlich nach, „man muss jedoch abwarten. Elektromobilität wird erst einmal eine regionale Sache sein. Wir sind stolz auf dieses Auto, weil es all das zeigt, was wir können.“ Der Kunde kann sich daher freuen – muss nur noch lange warten.

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