So richtig Fuß fassen konnte Cadillac in Europa noch nie. Nicht zuletzt dürfte das an den Modellen gelegen haben. Schlachtschiffe wie der 5,2 Meter lange Escalade etwa sind nicht gerade auf die Standardmaße deutscher Parkbuchten hin gebaut. Und auch der Verbrauch dieser rollenden Schrankwände ist wenig kompatibel mit der deutschen Vorstellung von Sparsamkeit. Alles in allem kam Cadillac vergangenes Jahr in Deutschland auf gerade mal 496 Neuzulassungen. Nun versuchen es die Amerikaner noch einmal - und diesmal stehen die Chancen gar nicht so schlecht.

Den der in Kansas City gebaute XT4, mit dem die GM-Tochter Cadillac ab Ende kommenden Jahres in Europa endlich einen Fuß in der Tür bekommen will, bringt so ziemlich alles mit, was ein erfolgreiches Auto hierzulande braucht.

Erstens: Er ist ein SUV. Kein anderes Fahrzeugsegment wächst in Europa derzeit so stark. Allein im vergangenen Jahr war jedes dritte neu verkaufte Auto ein SUV, die Zuwachsraten liegen bei fast 20 Prozent. Zweitens: Der Kompakt-SUV kommt in europakompatiblen Abmessungen. Er ist mit 4.599 mm Länge, 1.881 mm Breite und 1.627 mm Höhe genau in das Feld der Mitbewerber eingepasst, als da wären Audi Q5, BMW X3, Mercedes GLC, Volvo XC60 & Co. Drittens: Unter der Motorhaube brabbelt kein durstiger Ami-V6, sondern ein sozialverträglicher Turbobenziner mit vier Zylindern. Auch ein Dieselmotor ist geplant - "der erste Diesel, den Cadillac seit langem, langem in eines seiner Autos einbaut", sagt Felix Weller, Vice President von Cadillac in Europa, Russland und dem mittleren Osten.

Viertens: Mit einem Einstandspreis von voraussichtlich rund 35.000 Euro wird der XT4 auch ins europäische Preisgefüge passen - anders als etwa der Escalade, der die 100.000 Euro-Latte reißt. Und auch noch weniger als die ATS-Limousine, die mit 37.400 Euro aktuell noch der preiswerteste Cadillac in Europa ist. Die meisten von Leistung und Komfort her vergleichbaren SUV aus deutscher Produktion sind deutlich teurer.

Was dürfen die Kunden für ihr Geld erwarten? Zunächst einmal ein von Cadillac gewohntes, sehr eigenständiges Design - zumindest an der Front. Dort überstrahlt das mächtige Tagfahrlicht in Form einer umgekehrten 1 so ziemlich alles, was die Autodesigner sonst so zu bieten haben. Der Kühler mit Wabenstruktur und dem Cadillac-Logo ragt fast senkrecht hoch und ist ähnlich üppig. Um so dezenter die leicht coupéhafte Seitenansicht mit ihren kurzen Überhängen und auch das Heck mit seiner abfallenden Dachlinie. Die Radkästen füllen serienmäßig 18-Zöller. Von hinten betrachtet, fällt der XT4 unter seinen europäischen und asiatischen Kollegen kaum auf.

Gut verarbeitet

Elegant und gediegen der Innenraum. Die Hauptinstrumente vor dem Fahrzeug sind komplett digitalisiert und entsprechend variabel definierbar. In der Mitte des Cockpits thront eine große Touchscreen mit HD-Auflösung, auf der sich von der Navigation über die Audioanlage bis hin zu den Fahrzeugeinstellungen alles ablesen und einstellen lässt. Leider hat die Digitalisierung nicht dazu geführt, die Vielfalt der Bedienknöpfe rund um die Klimaanlage auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Der Rückspiegel oben an der Windschutzscheibe zeigt den Blick nach Achtern auf Wunsch auch über eine Videokamera - zumindest anfangs allerdings sorgt der Wechsel vom dreidimensionalen Spiegelbild zum zweidimensionalen Bildschirm eher für rebellierende Sehnerven.

Materialien und Verarbeitung im Innenraum machen einen sehr guten Eindruck - nicht gerade eine Selbstverständlichkeit für ein Auto aus amerikanischer Fertigung. Die Sitze sind komfortabel und vielfältig verstellbar, das Lederlenkrad in Dreispeichenoptik lässt sich in Tiefe und Neigung verstellen. Der Knauf der sanft schaltenden 9-Gang-Automatik ist gut erreichbar, Stauraum ausreichend vorhanden. Was den Platz in dem 5-Sitzer generell angeht: vorne fast schon üppig, in der zweiten Reihe vergleichbar mit europäischen SUV - gut ausreichend also auch für längere Strecken, falls man die Vordersitze nicht ganz nach hinten fährt. Größere Passagiere haben hinten Probleme mit der Kopffreiheit. Eher bescheiden: der Kofferraum mit bis zu 1.385 Liter.

Europäisch abgestimmt

Angetrieben wird der Cadillac XT4 zunächst von einem Vier-Zylinder-Turbo-Benziner, der aus zwei Litern Hubraum 177 kW/241 PS holt. Eine 9-Gang-Automatik bringt die Kraft serienmäßig an die Vorderräder, optional ist auch ein permanenter Allradantrieb bestellbar. Das maximale Drehmoment: 350 Nm, die zwischen 1.500 und 4.000 U/min. anliegen. Damit beschleunigt der gut 1,6 Tonnen schwere Ami in 7,6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 210 km/h. Der Motor verfügt über eine beim Fahren nicht merkbare Zylinderabschaltung im Schiebebetrieb und über eine variable Ventilsteuerung. Über den Durchschnittsverbrauch der europäischen XT4-Version mag man bei Cadillac noch nicht viel sagen - er dürfte aber knapp über sieben Liter auf 100 Kilometer liegen.

Und wie fährt er sich, der Ami? Sehr angenehm. Der Motor nimmt die Befehle des Gaspedals praktisch verzögerungsfrei an und sprintet los, dass es eine Freude ist. Die Automatik schaltet unmerklich und liegt immer im richtigen Bereich. Die Bremsen verzögern kräftig und zuverlässig, dieLenkung ist präzise und nicht zu leicht gängig, meldet gut zurück, was auf der Straße los ist. Die Federung ist komfortabel und fest, hat mit den früheren US-Sänften nichts mehr zu tun, die nach jeder Bodenwelle eine halbe Stunde nachschwangen. Kurz: Der Ami ist europäisch abgestimmt.

Unterstützung gibt es durch etliche Assistenzsysteme und Gimmicks. "Wir wollen mit Cadillac deutlich jüngere Käuferschichten erschließen," sagt Designchefin Theresa Pinazzo. Smartphones lassen sich schnell drahtlos aufladen und schneller einbinden, über die permanente LTE-Einbindung in die Cloud können diverse Apps nachgeladen werden. Rückfahrt- und Frontkamera gehören zur Ausstattung, Park Assistent, aktive Spurhaltung, Headup-Display, Cruising Control, ein intelligenter Bremsassistent und mehr.

Der Cadillac XT4 wird in drei Ausstattungslinien angeboten: "Luxury" als Basis zum Preis von gut 35.000 Dollar, darauf aufsattelnd und jeweils rund 5.000 Dollar teurer "Premium Luxury" und "Sport". Die deutschen Preise dürften sich daran anlehnen, stehen aber noch nicht fest. Denn die Markteinführung hierzulande ist erst für Ende 2019 geplant - vorher sind der Heimatmarkt USA und Cadillacs größter Markt China dran.

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