VW-Chef Herbert Diess geht beim 35. GTI Treffen direkt in die Offensive: "Wir haben in diesem Jahr ja nicht nur schöne Dinge zu sagen gehabt. Da bin ich richtig froh hier zu sein. Ich bin zwar zum ersten Mal erst hier, doch kann ich sagen, dass ich zudem froh bin, dass die anderen Marken in diesem Jubiläumsjahr nicht hier sind." Gemeint sind Audi, Skoda und Seat, die in den vergangenen Jahren große Areale für ihre eigenen Fahrzeuge in Beschlag hatten. Und auch VW-Marketingvorstand Jürgen Stackmann ist sichtlich begeistert bei seinem insgesamt sechsten Besuch des GTI Treffens am Wörthersee: "Ich bin saufroh, dass wir in diesem Jahr die einzige Marke hier sind." Einen kurzen Schreckensmoment gab es während des gelösten Auftritts der Vorstandsmitglieder dann aber doch noch, als ein Besucher die Bühne betritt. Jedoch nicht mit böser Absicht und auch nicht mit der eigentlich zu erwartenden Frage nach Abgasen und Co., sondern: "Was passiert denn mit dem R-Golf?" Nach einer kurzen und freundlichen Stackmann-Antwort a la "Erstmal feiern wir hier den GTI" schiebt Herbert Diess überraschender Weise noch schnell hinterher: "In Zukunft könnte es wahrscheinlich auch einen rein elektrisch angetriebenen GTI geben. Doch davon sind wir noch ein wenig entfernt."

Bis dahin werden sich immerhin 400 glückliche Kunden mit dem beim diesjährigen GTI Treffen seine Weltpremiere feiernden stärksten Serien-GTI der Welt, dem Clubsport S, begnügen müssen. Der nun 310 PS starke Wolfsburger gehört damit zu den automobilen Highlights des Fan-Festes. Überhaupt wirkt das Treffen wie eine große Verkaufsveranstaltung zahlloser Zubehörunternehmen, T-Shirt- und Aufkleber-Herstellern sowie Fressbuden und Bierständen. Zumindest sorgen auf dem Gummiplatz, der seinen Namen an diesen Tagen völlig zurecht trägt, ein paar Künstler auf ihre eigene Art und Weise für offene Münder und den einen oder anderen Hustenanfall. Ob auf einem, zwei oder vier Rädern - hier wird ordentlich Gummi gegeben. Im Zweifel solange, bis es laut knallt und der Satz Hinterreifen unter lautem Gejohle der Fans in tausend Teile zerfetzt.

"Heute ist mal wieder der Tag des Jahres, an dem das Herz der Marke Volkswagen am lautesten schlägt", schwärmt VW-Vorstandsmitglied Jürgen Stackmann bei seinem sechsten Besuch des GTI Treffens am Wörthersee. Angesichts der Menschenmenge, die über die Veranstaltungstage hinweg aus über 100.000 Besuchern besteht, kann dem in keinster Weise widersprochen werden. Der beiläufig vom Moderator auf einer der Großbühnen ausgesprochene Satz bringt es aber auf den Punkt: "Seid froh, dass ihr alle hier seid! Alle anderen, die noch hierher wollen, stehen zwölf Kilometer im Stau." Dass dies keine PR-Lüge ist, lässt die schier unendliche Autoschlange erahnen, die sich mit wenigen Metern pro Minute durch das ansonsten eher beschauliche Städtchen Reifnitz schlängelt. Wer jetzt denkt, genau diese Schlange des 35. GTI Treffens bestehe ausschließlich aus den heißgemachten Volkswagen mit den magischen drei Buchstaben GTI, der irrt seltsamerweise gewaltig. Nahezu jedes zweite Fahrzeug trägt ein anderes Logo in der Front. Ob Audi, Seat, BMW oder Mercedes - hier darf sich jeder bei über 20 Grad als Mitglied des längsten Autokorsos in dieser Woche fühlen.

Der Bürgermeister der betroffenen Gemeinde Maria Wörth, Markus Perdacher, sieht das Ganze gelassen. "Wir sind ein Fremden-Verkehrs-Ort. Es hat zwar drei Jahrzehnte gebraucht, bis das jeder Einwohner verstanden hat, aber jetzt ist es ein gern gesehenes Fest. Ich bin vom ersten Tag an dabei und habe immer wieder Freude daran. Wer sein Haus vor eventuellen Beschädigungen schützen will, bekommt natürlich einen Zaun von der Gemeinde gestellt - für Schäden kommt ebenfalls die Gemeinde auf. Es gibt natürlich auch Einwohner, die dem GTI Treffen nichts abgewinnen können. Doch die fahren einfach zweieinhalb Stunden gen Süden ans Meer und gönnen sich einen Kurzurlaub." Dem begeisterten GTI-Fan Markus Perdacher ist es zudem zu verdanken, dass am Nachmittag ein Dassault-Breguet-Dornier Alpha Jet der Kunstfliegertruppe Flying Bulls über dem Wörthersee spektakuläre Flugmanöver vollführt. "Eigentlich hat man mir zum Preis von 5.000 Euro, was schon 10.000 Euro günstiger als sonst ist, zwei Flieger versprochen. Doch ein Pilot ist plötzlich erkrankt", erklärt er mit gebanntem Blick zum Himmel. Doch zurück zum Boden.

Neben der friedlichen, aber durchaus ausgelassenen Stimmung, die von der einen oder anderen knapp bekleideten Schönheit für ihre Tanzshow ausgenutzt wird, feiern sich die GTI-Jünger eigentlich ausschließlich selbst. Hier ein Golf mit Lambo-Türen, dort ein Golf mit Bodenkontakt und drüben ein Golf mit einem echten Steuerrad und Holzinterieur. Die Artenvielfalt an diesen lautesten Tagen der Marke Volkswagen lässt sich kaum in Worte fassen - die Fantreue allerdings auch nicht. "Ich bin innerhalb eines Tages 1.800 Kilometer aus Minsk hierherunter gefahren. Warum? Weil ich es geil finde. Schlaf wird doch völlig überbewertet", lacht Artem Blackline mit kleinen Augen. Und auch der Besitzer und Schöpfer des wohl außergewöhnlichsten Golfs dieser Tage, Simon Kamm, hat einiges auf sich genommen, um hier dabei zu sein. "Wir sind 600 Kilometer mit unserem Eigenbau inklusive Segelboot-Anhänger über die Pässe gefahren. Na gut, die Polizei hat mir irgendwas zwischen 120 und 200 Euro wegen des Lenkrads abgeknüpft, aber wir sind mit unserer aus sechs Autos bestehenden Truppe heil hier angekommen - und das ist die Hauptsache", grinst der 27-Jährige und lehnt sich müde in seinen Sonnenstuhl zurück.

Eine Frau, die durch ihre schiere Anwesenheit so manchem Mann den Kopf verdreht und für die eine oder andere Träne im Auge sorgt, ist Gunhild Liljequist. Die trotz ihres stolzen Alters von 80 Jahren immer noch frisch und jung wirkende Dame, ist keine Geringere als die erste Designerin im Hause Volkswagen. Doch nicht nur das. Sie ist die Person, die das Interieurdesign des Ur-GTI zu verantworten hat. "Was wir genau machen sollten, war damals überhaupt nicht klar. Es war ja alles geheim. Klar war nur, dass wir ein sportliches Auto auf die Räder stellen sollten. Da kam mir die Idee des Golfballs als Schaltknauf. Denn was liegt denn bei der Kombination VW Golf und Sport näher, als der Golfsport? Es war zwar mutig und anfangs bin ich auch belächelt worden... aber wir sehen ja jetzt alle, was am Ende dabei herausgekommen ist", lächelt sie selbstbewusst. Zum legendären Karomuster hat sie sich durch eine ihrer Großbritannien-Reisen inspirieren lassen: "Die klassischen schottischen Clan-Muster brachten mich auf gute Ideen." In diesem Sinne: Nach dem 35. GTI Treffen ist bekanntermaßen zugleich vor dem 36. GTI Treffen. Reifnitz ist bereit - und seine Einwohner planen bereits den nächsten Kurzurlaub.

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