Das Auto der Zukunft wird ein Teil des Zuhauses, ein rollendes Habitat oder zumindest ein mobiles Büro. In diesem Punkt sind sich viele Experten einig. Wenn man immer mehr Zeit in dem beweglichen Lebensraum verbringt, dann sollte auch die Umgebung entsprechend sein. Das Wohlbefinden ist dabei ein ganz entscheidender Punkt: Das israelische Start-up "ContinUse Biometric" macht seinen Namen alle Ehre und schafft es, mit einem optischen Sensor den Blutdruck zu messen. "Ohne Berührung", erklärt CEO Asher Polani stolz und fügt hinzu: "Da sind wir die einzigen weltweit." Diese Messung und alle anderen seien übrigens medizintechnisch validiert.
Damit ist der Funktionsumfang noch längst nicht erschöpft: Auch der Muskeltonus des Fahrers wird überwacht und so festgestellt, wenn er oder sie müde wird, denn dann klammert man sich stärker am Lenkradkranz fest. Ergänzend dazu schafft es das System, den Herzton und den Puls abzugreifen. Dieser Sensor ist im Grunde eine handelsübliche Kamera, der Clou ist, wie so oft, die Software, die im Hintergrund arbeitet. Die nächsten Erweiterungen des Funktionsumfangs sind schon in Planung: Wenn der Fahrer Alkohol getrunken hat, soll dies erkannt werden und am Bestimmen des Blutzuckerspiegels arbeiten die Tüftler ebenfalls. Spätestens dann wird das Auto zur Krankenstation des Raumschiffs Enterprise.
Für Skoda sind die findigen Innovatoren mittlerweile Teil der Forschung an den neuen Fahrzeugmodellen. Die tschechische VW-Tochter kooperiert in Prag, China und eben in Israel mit Start-ups. Dabei legen die Manager Wert darauf, dass die Erfindungen relativ ausgereift sind und die Neu-Unternehmer bewiesen haben, dass die Lösung funktionieren kann. "Wir können keine verrückten Ideen gebrauchen", erklärt Andre Wehner, Chief Digital Officer von Skoda. Damit das gewährleistet ist, suchen die Scouts des Autobauers nach geeigneten Produkten beziehungsweise Erfindungen. Dazu kommt ein weiterer Faktor: Die israelischen Jungunternehmer haben meistens bereits in der Armee gedient, sind um die 40 Jahre alt, dementsprechend verlässlich und sehr gut ausgebildet. Die Tschechen legen Wert darauf, dass Sie keine Investitionen tätigen, sondern gemeinsam mit den Start-ups deren Geschäftsmodell entwickeln.
Sounds of Silence
Der Name "Guardian" lässt dann auch einen militärischen Hintergrund vermuten. Allerdings handelt es sich hier um einen Sensor, der die Fahrgastzelle überwacht. Die Kamera ist im Dachhimmel untergebracht, erkennt, wie der Fahrer seinen Kopf neigt, wie er das Lenkrad hält oder ob auf dem Rücksitz ein Kindersitz befestigt ist. Der Sensor erstellt quasi eine 3-D-Karte des Autos und registriert auch den Herzschlag, etwa den eines im Auto vergessenen Babys. Falls gewünscht, kann man den Sensor auch mit dem Smartphone verbinden und das Innere seines Fahrzeugs aus der Ferne kontrollieren. Der Vorteil dieses Systems ist, dass es nur halb so schwer wie konventionelle Lösungen ist. Auch der Persönlichkeitsschutz sei kein Problem, die Algorithmen wickeln die Prozesse in Echtzeit ab, sodass keine Daten gespeichert werden.
Das Start-up "Silentium" will unter anderem, dafür sorgen, dass mehr Ruhe im Innenraum einkehrt - und das ohne aufwendige und kostspielige Dämmmaterialien. Das Prinzip entspricht dem der Noise-Cancelling-Kopfhörer, also werden die Lautsprecher des Soundsystems dazu genutzt, um Frequenzen auszusenden, die den Lärm unterdrücken. Auch hier ist die Software der Schlüssel für den Erfolg: "Wir führen für jedes Fahrzeugmodell ein Soundmapping durch und passen die Software dann dementsprechend an", erklärt Offira Rubin. Für die Grundfunktionen reichen sogar schon die Lautsprecher in den Türen, je mehr vorhanden sind, umso besser. Dann kann auch eine andere Funktion aktiviert werden, nämlich, dass jeder im Auto seinen eigenen Konzertsaal hat und seine eigene Musik hört, ohne, dass die anderen Passagiere behelligt werden.
Doch die Ideen hören am und im Auto nicht auf, sondern erstrecken sich auch auf die Mobilität als Ganzes. Das Smartphone spielt bei "Anagog" eine zentrale Rolle, denn es agiert als Sensor, zeichnet die Bewegungsmuster des Menschen auf, stellt fest, ob er läuft oder im Auto unterwegs ist, merkt sich die Gewohnheiten und trifft aufgrund dieser Daten mithilfe der künstlichen Intelligenz ziemlich genaue Vorhersagen, zum Beispiel wie lange die Einkaufstour am Samstag dauert. Davon profitieren wiederum andere Autofahrer, da dies die zum Beispiel die Parkplatzsuche vereinfacht. Das Smartphone merkt auch, wenn man aus dem Flieger gestiegen ist oder kann die Bremswarnung bei einer drohenden Kollision anpassen. Neben Skoda arbeitet auch Daimler mit "Anagog" zusammen, die darauf bestehen, dass die Daten lokal auf dem Telefon gespeichert werden und nicht für andere zugänglich sind. Ein ganz besonderer Fall ist "Intervyo". Mit dieser Anwendung soll das Auswahlverfahren bei Stellenausschreibungen beschleunigt werden, indem eine virtuelle Person per Laptop das erste Interview durchführt und die Software unter anderem anhand des Gesichtsausdrucks, des Tonfalls, der Semantik und des Inhalts der Antworten eine Vorauswahl trifft.