Der erste Ausflug von Jaguar in die Mittelklasse ging glatt in die Hose. Der X-Type, technisch eng mit dem damaligen Ford Mondeo verwandt, sah nach dem Jahrtausendwechsel besonders als Kombiversion Estate gefällig aus, wurde jedoch zum Ladenhüter. Egal ob sparsamer 2,2 Liter Diesel oder kraftvoller Dreiliter-V6 mit Allradanrieb – kaum jemand wechselte von den etablierten Premiummarken in der Mittelklasse zu den Briten. Jetzt sind Voraussetzungen und Produktsubstanz besser; doch im Flottengeschäft, dem großen Schrittmacher der Mittelklasse dürfte sich Jaguar mit dem XE unverändert schwer tun. Doch die Briten sind hoffnungsvoll, denn nachdem der indische Tata-Konzern die Marken Land Rover und Jaguar von Ford erworben und mit einem bevorzugt deutschen Management ausgestattet hat, läuft es besser denn je. Nachdem die Geländewagen von Land und Range Rover weltweit Erfolge einfahren, gibt es bei Jaguar noch einiges zu tun. Das Topmodell XJ hat keine Chance gegen die Konkurrenz von Mercedes S-Klasse, BMW 7er und Audi A8.

Diktat der Gewichtsreduktion

Das soll dem neuen Jaguar XE nicht passieren. Design und technische Dreingaben stimmen, denn nicht nur das Kreativteam rund um Ian Callum hat einen guten Job gemacht und die Fahrgastzelle lasziv weit nach hinten gesetzt. “Wir wollen eine Jaguar-Identität schaffen. Das ist nötig. In manchen Gegenden der USA wissen die Menschen nicht einmal, wie ein Jaguar ausschaut“, erklärt Designchef Ian Callum. Das Design ist nicht nur ansehnlich, sondern bietet mit einem cW-Wert von 0,26 auch eine gute Aerodynamik. Mit seiner Aluminiumkarosserie betritt Jaguar in dem Mittelklassesegment Neuland. Die Karosserie des Briten besteht zu 75 Prozent aus Aluminium, wodurch das Chassis des XE lediglich 251 Kilogramm auf die Waage bringt. Entwickler Mark White legt Wert darauf, dass die Karosserie nicht nur sehr leicht sondern auch extrem verwindungssteif ist. “Der beste Wert in dem Segment“, strahlt White. Erreicht wurde dies mit speziellen Aluminium, dass steifer und zugleich dünner ist. Dem Diktat der Gewichtsreduktion ordneten die Ingenieure alles unter. „Wir haben darüber nachgedacht, die Achse des F-Types zu nutzen. Haben uns aber dagegen entschieden, weil die zu schwer ist“, erklärt Jaguar Chefdesigner Ian Callum. Stattdessen ist beim Mittelklasse-Hoffnungsträger eine Aluminium-Integral-Hinterachse zum Einsatz. Vorne sorgt eine Aluminium-Doppelquerlenker-Konstruktion für Traktion. Die Steifigkeit der Karosserie ermöglichte eine komfortablere Abstimmung des Fahrwerks, ohne Abstriche bei der Dynamik zu machen. Dazu trägt auch die ideale Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse von 50:50 bei. Kennt man ebenfalls von der BMW-Konkurrenz.

Auch technologisch soll der XE der übermächtigen Konkurrenz mit Audi A4, Mercedes C-Klasse und insbesondere dem 3er BMW das Wasser reichen können. Wahlweise gibt es den Jaguar XE mit Hinterrad- oder Allradantrieb. Leistungsstarke Topversionen mit über 500 PS werden Jagd machen auch C 63 AMG oder BMW M4. Die flache Silhouette des 4,67 Meter langen Viertürers soll nicht auf Kosten des Platzangebots im Innenraum gehen. Die Sitzprobe beweist: vorne und hinten haben auch erwachsene Personen genügend Platz. Die Qualität des Interieurs gefällt mit ihren unterschäumten Flächen. Zentrales Element in der Mittelkonsole ist ein acht Zoll großer Touchscreen. An den Seiten und unterhalb des Monitors finden sich Bedienelemente für die Assistenzsysteme, wie zum Beispiel die Parksensoren oder die Rückfahrkamera und die Einstellungen der Klimaanlage. Allerdings ist die Hartplastik-Materialanmutung der Knöpfe nicht auf dem Niveau der Premiumkonkurrenz. Ähnlich wie BMW 3er und Mercedes C-Klasse ist auch der Jaguar XE mit einem Head-Up-Display zu haben, das eine besonders scharfe und kontrastreichere Darstellung der Piktogramme in die Windschutzscheibe projizieren soll. Die Einbindung des Smartphones ist ebenfalls auf dem neuesten Stand: Der Fahrer kann die Klimaanlage per Handy so programmieren, dass sie das Auto vorheizt oder runterkühlt. Auch ein Einbruch in das Fahrzeug wird sofort gemeldet und der Polizei weitergeleitet. Damit das nicht passiert, kann das Auto per Internet verschlossen werden.

Fokus auf Infotainment und Assistenzsysteme

Neben dem Gewicht standen das Infotainment und die Assistenzsysteme ganz oben im Lastenheft der Ingenieure. Erstmals kommt bei Jaguar eine elektro-mechanische Servolenkung zum Einsatz. Damit können die Briten bei den Fahrassistenzsystemen nachziehen: Spurwechselwarner und ein Assistent für das seitliche und parallele Parken gehören jetzt zum Repertoire des Jaguar XE. Die verbaute Stereo-Kamera ermöglicht den City-Notbremsassistenten, der bis zu einer Geschwindigkeit von 40 km/h Auffahrunfälle verhindert. Ein Wifi-Hotspot ist im XE ebenfalls vorhanden, allerdings bietet der momentan nur die langsame 3G-Geschwindigkeit.

Befeuert wird die Raubkatze von den Aluminium-Triebwerken der Ingenium-Baureihe, die in dem brandneuen Motorenwerk in Wolverhampton gebaut werden. Das 163-PS-Diesel-Aggregat hat einen Lader mit variabler Turbinengeometrie und einen Einspritzdruck von 1.800 bar. Der Selbstzünder wiegt 154 Kilogramm und wuchtet ein maximales Drehmoment von 380 Newtonmetern auf die Kurbelwelle. Das Resultat ist ein Verbrauch von 3,8 Liter und ein CO2-Ausstoß von 99 g/km. Um diesen Wert zu erreichen, muss der Fahrer zum ersten Mal seit sechs Jahren bei Jaguar wieder selbst zum Schaltknüppel greifen. Das alternative ZF-Achtgang-Automatikgetriebe beansprucht weniger Bauraum als bisher und beide Schaltvarianten erlauben später im Modellzyklus die Kombination mit einem Allradantrieb. Diese e-Performance-Variante des XE mit dem 163-PS- Diesel wiegt lediglich 1.474 Kilogramm und kostet mindestens 36.500 Euro. Für den gleichen Preis gibt es einen 180-PS-Diesel, der mit 4,2 Litern kaum mehr verbraucht. Die Benziner mit 200, 240 und 340 PS kosten zwischen 36.450 und 54.600 Euro. Die Motor-Offensive geht weiter: “Wir werden in den nächsten zweieinhalb Jahren alle drei bis sechs Monate einen neuen Motor herausbringen“, sagt Motor-Entwickler Paul Withwood.

Den Vierzylinder-Benziner wird es in zwei PS-Ausbaustufen geben. Die vorläufige Leistungsspritze wird ein V6-Kompressor-Aggregat mit 340 PS sein. Die Ingenium-Motorenbaureihe aus den West Midlands soll zum zentralen Rückgrat der Mittelklassebaureihen werden. “Der Jaguar XE und der Land Rover Discovery Sport stehen im Mittelpunkt der Wiederbelebung der produzierenden Industrie in Großbritannien“, so Ralf Speth, “Jaguar Land Rover erwirtschaftet solide Finanzergebnisse und steigert weltweit den Fahrzeugabsatz.“ Ab Sommer setzt die kleine Katze zum Sprung in das Mittelklasse-Becken an. Für den Jaguar XE haben die Briten ein neues Werk aus dem Boden gestampft, in dem alle 73 Sekunden ein Jaguar XE vom Band laufen soll. Die neue modulare Architektur ist variabel ausgelegt, so dass mehrere Derivate folgen werden. Die Spanne reicht von einem Shooting Brake bis hin zu einem Coupé.

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Wolfgang Gomoll / Stefan Grundhoff

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