"Bei den letzten Abstimmungsfahrten war mir schon nicht mehr ganz wohl", verrät Tobias Moers, Vorsitzender der Geschäftsführung, Mercedes-AMG GmbH. "Ausgerechnet er?", wird sich so manch ehemaliger Beifahrer von ihm denken. Denn wenn Herr Moers eines seiner automobilen Kinder auf einer Rennstrecke durch die Kurven peitscht, sind es eigentlich immer die Gesichter der anderen, die sich grün färben. Ob es nun die Gesichtsfarbe des AMG-Chefs oder die eines Beifahrers war, die beim reinen heckangetriebenen Mercedes-AMG GT R, dem dritten Mitglied der GT-Familie, zur Vorlage der Exterieurfarbe AMG green hell magno diente, wird natürlich niemand preisgeben. Zumal die Verbindung zur Grünen Hölle sich marketingtechnisch viel besser vermarkten lässt. Was bleibt ist: Schon im Stand macht der 585 PS starke Zweisitzer klar, dass er gern bereit ist seine grüne Farbe an seine Insassen weiterreicht.

Wird die grüne Farbe einmal ausgeblendet, bleiben immer noch zahlreiche Indizien dafür übrig, dass es sich beim ab 165.410 Euro teuren GT R - ja, die Mehrwertsteuer ist da schon inkludiert - um eine brutale Rennmaschine handelt. Auch, wenn einige Dinge erst beim ganz genauen Blick auszumachen sind. Eines davon ist im Tankdeckel verborgen. Denn wo normale Fahrzeuge lediglich über die Art des Treibstoffes Auskunft geben, ist der korrekte Reifendruck für verschiedene Reifentypen und deren Geschwindigkeitsbereiche abzulesen. Demnach sollte sich der Besitzer des auf bis zu 325 Millimeter breiten 30 Zöllern rollenden GT R vorher Gedanken darüber machen, ob er nur 250 oder die maximalen 318 Kilometer pro Stunde abrufen möchte. Ebenfalls verborgen liegt ein Teil des Aerodynamik-Pakets, das Aerodynamik-Profil. Das aus Carbon bestehende Bauteil fährt je nach Fahrprogramm ab 80 oder 120 Kilometer pro Stunde vier Zentimeter nach unten aus. Dabei wird der Luftstrom deutlich verändert und der sogenannte Venturi-Effekt erzeugt. "Dieser saugt den Wagen zusätzlich an die Fahrbahn und reduziert den Auftrieb an der Vorderachse", erklärt Tobias Moers gern. Hinzu kommt das aktive Luftregelsystem Airpanel, das aus senkrechten Lamellen besteht, die sich im unteren Bereich direkt hinter der Frontschürze verbergen. Sie werden elektronisch gesteuert und lassen sich per Elektromotor in rund einer Sekunde öffnen und schließen, um den Luftstrom zu optimieren. Der gewaltige Heckflügel sorgt dann für den Rest. "Beim GT R ist nichts Show and Shine. Alle Elemente haben einen technischen Nutzen und tragen zur erhöhten Fahrdynamik bei", wirft Tobias Moers noch schnell hinterher.

Das wird auch im Innenraum deutlich. Die serienmäßig verbauten, mechanisch verstellbaren AMG Sportschalensitze in Leder Nappa/Mikrofaser vereinen den Fahrer sofort mit dem Fahrzeug. Neben dem ganzen Carbon, Klavierlack und Co. erfüllt vor allem ein Bauteil den Innenraum mit einem besonderen Flair. Es ist ein gelber, mit der Buchstabenkombination TC beschrifteter Drehschalter. Einem Kleinkind gleich, dem gesagt wurde "Du kannst alles hier anfassen, nur den nicht" wollen die Finger natürlich nur eines: Genau den da anfassen und dran rumspielen. Und damit auch möglichst schnell klar wird, was es mit dem gelben Pin da auf sich hat, werden zum ersten Mal unter lautem Krachen und Brüllen die insgesamt vier Liter fassenden, acht in V-Formation angeordneten Brennkammern mit Treibstoff geflutet und das ESP deaktiviert. Was nun bleibt, wird an so manchem Stammtisch für Furore sorgen. Denn wenn ESP deaktiviert ist, was bleibt da noch zu regeln? "Die reine Traktionskontrolle", lautet die Antwort. Denn die beiden, gern auch als Synonyme für einander genommenen Begriffe, unterscheiden sich tatsächlich noch voneinander. Die Traktionskontrolle ermöglicht es dem Fahrer, den Schlupf an der angetriebenen Hinterachse in neun Stufen vorzuwählen, und zwar wie im aktuellen AMG GT3 isoliert sie nur den Antriebsschlupf ohne die Stabilisierung durch das ESP. Soll heißen: Ist die Fahrbahn nass, Stufe neun. Ist die Fahrbahn trocken und der Fahrer weiß, was er tut, Stufen eins bis acht.

Super Sound

Eine weitere Besonderheit beim neuen Mercedes-AMG GT R ist die Tatsache, dass nicht nur Rennprofis mit ihm zurechtkommen. Natürlich muss sich jeder erst einmal daran gewöhnen, dass die Gaspedalstellung die gefühlte Rückenstellung spiegelt. Oder anders gesagt: Die Gasannahme ist herrlich spontan und erstaunlich linear, was unter anderem daran liegt, dass das 700 Newtonmeter starke Drehmoment schon ab 1.900 Umdrehungen anliegt. Eine Drehzahlregion, in der bei eingelegtem Sport+- oder Race-Modus die Drehzahlnadel eh niemals zu sehen sein wird. Erfreulich ist zudem, dass sich der GT R trotz der gewaltigen Motorhaube spielend leicht um enge Kurven zirkeln lässt. Hauptverantwortlich dafür ist die erstmals in einem AMG-Fahrzeug verbaute aktive Hinterachslenkung. Bis zu 1,5 Grad beträgt die Spurwinkeländerung am Hinterrad. Was sich wenig liest, hat große Auswirkungen auf die Fahrstabilität und den Fahrspaß.

Was ebenso für einen immensen Anstieg des Fahrspaßes, aber im Gegenzug vielleicht für böse Gesichter bei den Nachbarn sorgt, ist der Klang des ab März kommenden Jahres erhältlichen 1,6 Tonnen schweren GT R. Im Comfort- oder auch Sportmodus bollert er gemütlich aus dem einen, zentral positionierten Endrohr. Werden der Sport+- oder der Racemodus aktiviert, öffnen sich die Klappen und die beiden äußeren Endrohre komplettieren die Symphonie der acht Zylinder. In diesem Zustand wirken Tunnel oder auch simple Unterführungen wie Gasstoß-Magneten. Was dem mit einem perfekt arbeiteten Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ausgestatteten Sportler fehlt ist lediglich ein Zwischengasknopf am Lenkrad, damit die Fanfare noch imposanter in die Umwelt geblasen werden kann. Aber vielleicht kommt das ja noch. Denn AMG wäre schließlich nicht AMG, wenn nicht schon jetzt eine noch stärkere und brutalere Black Series-Version in Planung wäre.

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