Elektroautos sind toll. Der lautlose Antrieb, die lokale Emissionsfreiheit, das prompt anliegende Drehmoment und der stets imaginär mitfahrende, grüne Daumen sind alles Dinge, die aber nicht erst seit heute bekannt sind.
Gleiches gilt für die aktuell noch vorhandenen Probleme wie eine fehlende Infrastruktur, sprich den Mangel an Stromtankstellen, die im Verhältnis zu konservativen Verbrennungsmotoren geringe Reichweite und die lange Aufladeprozedur sowie der hohe Anschaffungspreis. Und solange sich an eben jenen Problem nichts ändert, können sich die Hersteller abstrampeln und im besten Marketingdeutsch ihre EVs anpreisen - sie bleiben Ladenhüter. Opel hat sich nur zur Aufgabe gemacht, die Probleme zumindest um einen Punkt zu minimieren - und es ist ihnen gelungen.
Mit dem neuen Opel Ampera-e rollt in diesem Jahr ein 100 Prozent-Elektroauto mit einer Reichweite von realen 380 Kilometern auf die Straße. In Europa werden erst die norwegischen Straßen von dem dort nach allen Subventionsabzügen umgerechnet 33.000 Euro teuren Stromer geflutet. Erst danach sind Deutschland, die Niederlande und die Schweiz dran. Hierzulande soll sich der Preis für den 4,17 Meter langen, 2,04 Meter breiten und 1,59 Meter hohen Ampera-e an dem des BMW i3 orientieren, was dem norwegischen Preis leicht überlegen wäre. Genaue Preise sind noch nicht bekannt.
Reichweite bis zu 380 Kilometern
Was wiederum bekannt ist, weil es soeben im schönen Kalifornien getestet wurde, ist ein erster Fahreindruck und die Antwort auf die Frage "Kann der wirklich so lange?". Um es direkt vorweg zu nehmen: "Yes, he can". Ob er jetzt auch "Opel great again" macht, sei einmal dahingestellt. Doch gleicht eine bewusste Fahrt im neuen Opel Ampera-e der einer ersten Fahrschulstunde. Denn wer das Optimum aus seinem 1,7 Tonnen schweren Stromer herausholen will, muss mit dem Kopf fahren und nicht nur mit den Füßen. Der Grund ist schnell erklärt.
Neben der natürlichen und in verschiedenen Stärken einstellbaren Rekuperationsleistung, sprich der Energierückgewinnung während der Phase, in der das Strompedal nicht berührt wird, gibt es eine echte Neuheit: Die Handbremse. Nein, nicht einen 15 Zentimeter langen Stock in der Mittelkonsole, sondern eine Taste auf der linken Rückseite des Lenkrades. Wird diese Taste gedrückt erfolgt eine noch stärkere Abbremsung und somit Energierückgewinnung.
Das von vielen Herstellern so oft genannte "Ein-Pedal-Gefühl", was nichts anderes bedeutet, als dass beim Verlassen des Strompedals die Verzögerung während der Rekuperation so hoch ist, dass das richtige Bremsen per Bremspedal nicht mehr notwendig erscheint, macht beim Ampera-e nicht nur Spaß, sondern trifft es auch zum ersten Mal auf den Punkt. Noch nie zuvor hat bewusstes Autofahren so viel Freude bereitet und hat zudem noch die Reichweite so signifikant vergrößert.
Ladezeiten ohne Ende
Die gewonnene Energie wird in der 430 Kilogramm schweren und 60 Kilowattstunden fassenden Batterie mit 288 Zellen gespeichert und natürlich von dort auch wieder abgerufen. Letzteres macht sogar noch mehr Spaß, da 204 PS für einen sportlichen Vortrieb sorgen. 7,3 Sekunden bis Tempo 100 und eine Spitzengeschwindigkeit von 150 Kilometern pro Stunde können sich sehen, aber natürlich nicht hören lassen. Selbst bei höheren Geschwindigkeiten dringen kaum Fahrtgeräusche in den Innenraum hinein. Lediglich die Bandscheiben haben bei unebener Straße etwas zu leiden, da aufgrund des hohen Eigengewichts der Federungskomfort offenbar an seine Grenzen stößt.
Der Innenraum wirkt hingegen schon auf den ersten Blick modern und aufgeräumt. Auf dem acht Zoll großen Bildschirm hinter dem Lenkrad sind alle für den Fahrer relevanten Informationen und noch viel mehr abrufbar. Der 10,2 Zoll große berührungsempfindliche Bildschirm in der Mittelkonsole wirkt ebenso modern wie auch gut bedienbar. Dass der Innenraum des neuen Opel Ampera-e von Plastik beherrscht wird, stört komischer Weise kaum, auch wenn es natürlich ein Indiz dafür ist, dass Opel an allen Ecken und Enden den Sparfuchs durchs Auto gehetzt hat.
Was hingegen stört sind die Ladezeiten. Wer es tatsächlich schafft, die Batterie nahezu leer zu fahren und daheim lediglich eine Haushaltssteckdose zum Laden zur Verfügung hat, der sollte sich für den kommenden Tag nichts autoabhängiges vornehmen. Es sei denn, es liegt im näheren Umkreis. Befindet sich ein Wandlader in der Garage, verkürzt sich die Ladezeit natürlich. Dennoch darf auch dann noch mit über zehn Stunden für eine komplette Ladung gerechnet werden. Was wiederum die Kunden im hohen Norden nicht stört, wurden in den ersten sechs Wochen seit Verkaufsstart bereits 3.000 Fahrzeuge in Norwegen geordert.