Vor knapp vier Jahren trafen sich Hu Maoyuan und der damalige VW-Boss Martin Winterkorn auf Wunsch des Chinesen zu einem dringenden Gespräch. Der SAIC-Chef und Joint Venture-Partner des deutschen Autobauers erklärte dem allgewaltigen Konzernlenker, dass er in China ein Auto oberhalb des Passats brauche, um langfristig erfolgreich zu sein. Wiko überlegte nicht lange und hob den Daumen. Der Startschuss für den Phideon war abgefeuert. Dass der Name an den Phaeton erinnert, ist kein Zufall, der VW hat mit einer Länge von 5,07-Metern S-Klassen-Ausmaße, ist aber in der oberen Mitteklasse daheim. Das Wachstum hat einen Grund. "Wir haben zwei Millionen Passat-Kunden, denen wir die Möglichkeit zum Aufstieg geben müssen", sagt Holger Santel, heute Vice President SAIC-Volkswagen Sales. Wenn sich die Chinesen ein neues Auto holen, dann muss dieses mindestens eine Klasse höher angesiedelt sein, als der aktuelle Wagen. Wenn der bisherige Hersteller nichts Passendes im Angebot hat, schaut man sich woanders um. Andere Mütter haben auch schöne Töchter - Markentreue, wie man sie aus Deutschland kennt, ist hier noch ein Fremdwort.
Die Aufgabe für den neuen VW ist auch so schon schwer genug. Er tritt im Reich der Mitte gegen den BMW 5er, den Audi A6 und die Mercedes E-Klasse an. Das teutonische Trio dominiert den Markt der Mittelklasse-Limousinen mit einem Verkaufsanteil von rund 75 Prozent. In diese Premium-Phalanx soll der Phideon nach dem Willen eines seiner Schöpfer einbrechen. Dem Ex-VW-Chef Winterkorn war es dem Vernehmen nach ein Dorn im Auge, dass seine Kernmarke kein Premium-Fahrzeug in China im Programm hat. Das ändert sich nun und SAIC-Volkswagen greift ab Anfang Oktober die drei Segment-Bestseller mit einer aggressiven Preispolitik an. Während die teutonischen Platzhirsche bei 400.000 Yuan (gut 53.000 Euro) starten, kostet der günstigste Phideon 359.000 Yuan (knapp 48.000 Euro). Allerdings tobt auch in diesem Segment eine heftige Rabattschlacht. "Das wollen wir nicht und das können wir nicht", sagt Marketing-Chef Jörg Hitpass. Auch ohne Nachlässe bietet der Phideon dem chinesischen Autofahrer einiges: Massagesitze vorne und hinten garantieren Business-Class-Komfort und der Acht-Zoll-Bildschirm erleichtert die Bedienung.
Das Leder des Sitzbezuges wird auch bei der Luxusmarke Louis Vuitton verwendet und die Holzapplikationen im Armaturenbrett stammen von ausgesuchten französischen Oliven-Eschen, die älter als 100 Jahre sein müssen. Die Verarbeitung und der Materialmix erreichen fast Audi-Niveau. Auch wenn man an manchen Schaltern und den konventionellen analogen Rundinstrumenten noch einen Unterschied erkennt. Sensoren überwachen ständig die Luftqualität im Innenraum und zwei Filter der Vier-Zonen-Klimaanlage reinigen diese - angesichts des Smogs, der in den chinesischen Metropolen herrscht, ein sinnvolles Detail. Damit der Lärm auch draußen bleibt, befindet sich eine 0,76 Millimeter dicke Polyvinylbutyral-Folie (PVB) zwischen den Doppel-Glasscheiben. Der Kunstgriff gelingt: Der Phideon ist innen angenehm leise, auch wenn das leichte Knurren des Vierzylinders dennoch vernehmbar ist.