Klassiker wie Golf, T-Roc, Tiguan oder Passat spülen auch bei Volkswagen Geld in die Kassen, fallen aber in der Kommunikation weitgehend unter den Tisch

Beispiel Volkswagen: Klassiker wie Golf, T-Roc, Tiguan oder Passat spülen Geld in die Kassen, fallen aber in der Kommunikation oft unter den Tisch. (Bild: Volkswagen)

Autohersteller wie Tesla, Nio, Polestar oder Aiways haben es auf so manche Art deutlich leichter als die traditionsreichen Marken: Sie müssen sich weder bei Fertigung, noch bei Belegschaft oder Modellportfolio mit allzu vielen Altlasten vergangener Modellgenerationen herumschlagen. Keine Rücksicht auf Vorgänger oder alte Technologien, die gerade bei der Außendarstellung nicht mehr in die Zeit passen. Deutlicher denn je wird dies bei den aktuellen Elektromodellen, denn diejenigen Fahrzeuge, die nicht rein elektrisch angetrieben werden, fallen bei der immer wichtiger werdenden Außendarstellung zunehmend unter den Tisch.

Volkswagen beispielsweise kommuniziert nahezu ausschließlich seine Elektrofamilie ID, wohl wissend, dass Fahrzeuge wie Golf, T-Roc, Tiguan oder Passat das eigentliche Geld in die Kassen spülen. Doch keines dieser Modelle wird rein elektrisch angetrieben und auch über die teilelektrischen Plug-in-Anriebe möchten viele wegen der erwartet kurzen Halbwertzeit nur allzu gerne den Deckmantel des automobilen Schweigens hüllen.

So fällt die Kommunikation der so wichtigen Modellpflege des T-Roc – Bestseller im Hause Volkswagen – schon einmal weitgehend unter den Tisch und auch der neue Taigo läuft beinahe unbemerkt ins Modellprogramm ein, weil ihm Stromstecker und ID-Namensannex verwehrt bleiben. Stattdessen wird lautstärker denn je für den VW ID. Buzz getrommelt; wohl wissend, dass der elektrische Bus weder in Europa noch in den USA ernsthafte Chancen hat, ein Massenmodell zu werden. Doch er ist cool, elektrisch und zahlt mit seinem Retrobezug auf das Image ein – natürlich ausschließlich mit Stecker.

Schwere Zeiten für Golf, E-Klasse und Co.

Nicht anders sieht es bei den Premiumherstellern aus. Mercedes stellt in diesen Wochen sein neues Oberklassemodell Mercedes EQE vor. Der kleine Bruder des erfolgreich gestarteten EQS auf der eigens entworfenen Plattform EVA2 wird in Bremen produziert. Sein entscheidender Vorteil: er wird ausschließlich elektrisch angetrieben und hat einen Vorsprung von rund einem Jahr gegenüber der kommenden Mercedes E-Klasse.

Diese war in Relation aus Volumen und Ertrag seit Jahrzehnten das wichtigste Pferd im Sternenstall, wird zukünftig jedoch nur noch eine kleine Rolle im prall gefüllten Produktportfolio der Schwaben bilden. Klar bietet sie allen nur erdenklichen Komfort, Hightech und Design – doch ist eben nicht als Elektromodell verfügbar und somit an sich schon vor dem Marktstart ein Auslaufmodell – zumindest in der Außendarstellung. Das Schicksal wird auch den kommenden Mercedes GLC ereilen, der das meistverkaufte Modell im ganzen Sternenportfolio ist und im Sommer neu aufgelegt wird. Er bespielt ohne EQ-Label nach wie vor die Verbrennerwelt und bietet allenfalls einen Plug-in-Hybriden.

Da Mercedes seine Elektromodelle mit der EQ-Familie komplett von den Verbrennern abgespalten hat, ist man mehr in der Zwickmühle als die direkten Wettbewerber BMW 5er, 7er und Audi A6. BMW bringt sein neues Flaggschiff, den 7er, zum Ende des Jahres zum Kunden. Seine Weltpremiere feiert dieser Mitte April auf der Auto China in Peking – gleichzeitig als Verbrennerversion mit Benziner, Diesel und Plug-in-Hybrid sowie als elektrischer BMW i7 – optisch kaum voneinander zu unterscheiden. Hier bedient der 7er die klassischen Verbrennermärkte und der i7 glänzt als zeitgemäßes Elektromodell – unter dem BMW-Dach mit einer strahlenden Sieben im Signet. Kommunikativ wird auf den meisten Märkten die Elektroversion i7 im Vordergrund stehen – und die Verbrenner in der noch andauernden Transformationsphase weiter das große Geld verdienen.

Audi stellte jüngst seinen A6 Avant E-Tron als seriennahe Konzeptstudie vor – die Elektroversion seines kommenden A6. Dieser ist ähnlich wie bei BMW als Verbrenner und Elektromodell zu bekommen – wahlweise als Limousine und Kombiversion sowie für China als so wichtige Variante mit langem Radstand. Wenn der kommende Audi A6, der erste Audi der Neuzeit, der dank PPE-Plattform wahlweise mit Hinterrad- oder Allradantrieb verfügbar sein wird, Anfang 2024 zu den Kunden rollt, dann werden die Ingolstädter auch bei seiner Einführung insbesondere auf die Elektrovarianten setzen; wohl wissend, wie wichtig die Modelle ohne Stecker noch ein paar Jahre im Portfolio bleiben werden.

Produktion muss flexibler werden

Diese Probleme hat Tesla mit seinen Massenmodellen 3 und Y ebenso wenig wie beim in die Jahre gekommenen Model S. Hier gibt es keinen Vorgänger und schon gar keinen Bruder mit der unzeitgemäßen Verbrennertechnik, der das perfekte Image einer Elektromarke schädigen könnte. Nio oder Polestar spielen ohnehin nur elektrisch und Volvo wird ebenso wie Porsche alle seine neuen Modelle – mit Ausnahme des ehrwürdigen 911 – künftig nur noch rein elektrisch präsentieren. So kommt man um den schmerzhaften Spagat herum, die Elektroversionen strahlen zu lassen, während die Verbrenner im Schatten parken.

Dabei geht es nicht allein um die Modelle, deren Kunden und die Außendarstellung der Marken an sich, sondern insbesondere auch um die Produktion. Denn nicht jedes Werk ist derart flexibel wie die Fertigung von BMW in Dingolfing oder Mercedes in Tuscaloosa aufgestellt. Hier wie da kann auf einer Linie flexibel zwischen Elektroversion und Verbrenner hin- und hergesprungen werden.

BMW wird das in einem ersten Schritt mit dem neuen 7er in Dingolfing umsetzen, wo auch iX und 8er gebaut werden und ist dabei auch das größte seiner Werke in Spartanburg, im US-Bundesstaat South Carolina, umzustellen. 70.000 der insgesamt mehr als 433.000 im vergangenen Jahr produzierten Fahrzeuge waren Plug-in-Hybride, was einem Zuwachs von fast 50 Prozent im Vergleich zu 2020 entspricht. Und dabei soll es nicht bleiben: Nach Vorbild der bayrischen Stammstätte soll auch Spartanburg in eine flexible Elektrofertigung umgewandelt werden.

In der nachfolgenden Generation, die bei den verschiedenen Traditionsmarken dann Anfang der 2030er Jahre kommen werden, gibt es noch ein ganz anderes Problem. Die milliardenschwer aufgebauten Submarken ID, EQ, E-tron oder BMW i werden dann wieder intelligent choreografiert aus der Nomenklatur verschwinden, denn dann ist nahezu alles rein elektrisch und die Submarken haben ihre Transformationsschuldigkeit getan. Wieder ein Problem, das Tesla, Nio oder Polestar nicht haben.

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