Nach Jahren des Jammers, in denen die britische Autoindustrie praktisch nur durch japanische Hersteller wie Nissan oder deutsche OEM wie BMW am Leben gehalten wurde, erlebt der lange vergessene Industriezweig derzeit einen Boom. Mit einem Absatzplus von knapp über 24 Prozent zwischen 2009 und 2014 führt das Königreich die Gewinnerliste unter den großen europäischen Märkten an. Für neues Selbstbewusstsein auf der Insel sorgt der aktuelle Erfolg von Jaguar Land Rover. Der Aufschwung der Gegenwart macht aber die Versäumnisse der Vergangenheit deutlich: den Briten fehlt es an der Zuliefererbasis auf der Tier-2-Ebene abwärts. Zwar wurden laut Zahlen der Automotive Investment Organisation (AIO) in den vergangenen drei Jahren 7.000 neue Jobs im Zulieferbereich geschaffen und in den nächsten drei Jahren sollen weitere 15.000 hinzu kommen. Das reicht aber nicht, um den aktuellen Bedarf zu decken.
Nach einer Berechnung des AIO liege der Anteil lokal gefertigter Komponenten aktuell gerade mal bei 30 Prozent, etwa halb so hoch wie in Deutschland. Dadurch gingen der automobilen Wertschöpfungskette in Großbritannien jährlich rund vier Milliarden Pfund verloren. Die vom AIO erstellte Defizitliste liest sich dabei wie die eines automobilen Entwicklungslandes. Angefangen von Motorgussteilen über Scharniere und Scheibenwischer fehlt es an allen Ecken und Enden. Derzeit gibt es auf der Insel einen einzigen Hersteller von Aluminiumrädern.
Weil sich die Probleme aus dem heimischen Firmen-Fundus nicht lösen lassen, gehen die Briten ganz gezielt auf deutsche Mittelständler zu. Von deren Erfahrung will man beim Aufbau nachhaltiger Mittelstandsstrukturen profitieren, sagt Lawrence Davies, Vize-Chef der AIO. Dabei locken die Briten ansiedlungswillige Unternehmen mit attraktiven Förderprogrammen. Wer kommt, könne nicht nur auf ein entwickeltes Industrie-Netzwerk zurückgreifen, es winken auch erhebliche steuerliche Anreize.
Unternehmen, die sich für die Programme interessieren, können sich auf der Homepage von UK Trade & Investment www.gov.uk/ukti informieren.
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Frank Volk