AUTOMOBIL PRODUKTION: Die Aufhebung des Embargos hat im Iran zu einer Art Run durch die Automobilindustrie geführt. Was macht das Land so interessant für die Branche und für Renault?
Was den Iran ausgesprochen attraktiv macht, ist die Tatsache, dass der Markt über viele Jahre geschlossen war. Das Potenzial, der Nachholbedarf des Landes ist riesengroß. Wir gehen von einem Absatzvolumen von zwei Millionen Autos bis zum Jahr 2020 aus. Aber unser Interesse beschränkt sich nicht nur auf den Aspekt der Verkaufszahlen. Was den Iran noch interessanter macht als andere Entwicklungsmärkte, ist, dass man es mit einem Land mit einer relativ wohlhabenden Bevölkerung und hochqualifizierten Arbeitskräften zu tun hat. Tatsächlich sprechen wir von einem der größten Zukunftsmärkte der Welt, den es für die Autoindustrie noch zu erobern gilt.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie stellt sich die Lage für Renault in dem Land dar?
Unsere Situation dort ist eher ungewöhnlich. Wir sind nach wie vor sehr stark mit dem Land verbunden. Denn Sie müssen sehen: Eigentlich waren wir nie weg. Während des Embargos, das wir streng eingehalten haben, waren wir gezwungen, unsere Tätigkeiten einzuschränken. Aber wir sind die ganze Zeit über in ständigem Kontakt mit unseren langjährigen und geschätzten Partnern Iran Khodro und Pars Khodro geblieben.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Sehen Sie sich deshalb nun in einer Art Pole-Position, wenn es jetzt darum geht, das Geschäft und vor allem die Produktion neu anzukurbeln?
Ich kann nicht genau sagen, wo die anderen stehen. Was ich Ihnen aber sagen kann: Wir haben in der Zeit vor dem Embargo circa 100"000 Autos abgesetzt – womit wir übrigens keineswegs zu den großen Anbietern gehörten. Im vergangenen Jahr sind wir bis auf 30"000 Einheiten heruntergegangen. Nun stehen wir vor einer starken Wachstumsphase. Wir gehen davon aus, bis zum Jahre 2018 zirka 300"000 Einheiten pro Jahr zu verkaufen. Einer der wesentlichen Gründe für unseren Optimismus ist, dass wir sehr zuversichtlich sind, die richtigen Produkte für die Kunden dort zu haben und dass wir diese mit unseren Partnern sehr schnell auf den Markt bringen können.
Derzeit vertreiben wir den Logan und den Logan Pick-up. Gegen Jahresende werden wir den Sandero auf den Markt bringen. Diese drei Produkte basieren auf unserer globalen Produktionsplattform für Schwellenländer. Derzeit prüfen wir die Möglichkeit einer Markteinführung des Duster 4×4. Große Chancen sehen wir darin – wobei allerdings noch nichts entschieden ist – unsere Kapazitäten in Indien zu nutzen und dort auf den Iran zugeschnittene Autos zu entwickeln. Insgesamt schweben uns also noch weitere Autos mit einem riesigen Absatzpotential für den Iran vor. Ich denke, dass dieses Land zwischen 2018 und 2020 zu einem der Top-3-Märkte weltweit für Renault wird.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie sagten, dass Renault nie weg war aus dem Land. Wie darf man sich das vorstellen: Wurden Ihre Fertigungsanlagen während des Embargos eingemottet und jetzt lassen Sie sie wieder laufen?
Nein, die Fertigungsanlagen gehören Iran Khodro und Pars Khodro. Das sind unsere lokalen Partner, mit denen wir seit Jahren zusammen arbeiten und auch in Zukunft zusammen- arbeiten werden. Mit diesen decken wir auch die Produktionsseite ab. Dazu werden wir natürlich in die Entwicklung neuer Fahrzeuge investieren. Wir haben entsprechende Mittel reserviert, auf die wir nun wieder zurückgreifen. Als erste Maßnahme zur Stärkung unserer Präsenz haben wir den von uns gebauten Unternehmenssitz in Teheran gekauft.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Produzieren Sie derzeit in CKD- oder SKD-Fertigung?
In CKD-Fertigung und einem lokalen Anteil, den wir auf jeden Fall erhöhen wollen. Für den Iran gilt unser Ziel, das wir in allen Ländern mit einer industriellen Basis und einer Langfriststrategie haben: Wir streben eine lokale Fertigungstiefe von 80 Prozent an. Soweit sind wir im Iran nicht. Ich denke, dass wir derzeit so bei 60 Prozent liegen.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Finden Sie im Iran die Zulieferer in der benötigten Qualität?
Natürlich kann man die Lage nicht mit den westlichen Ländern vergleichen. Aber nehmen Sie den Logan. Das ist ein relativ einfach zu produzierendes Autos, das auf einer globalen Produktionsplattform gefertigt wird. Zudem gibt es im Land Erfahrung mit dem Auto, da wir dieses ja vor dem Embargo lokal gesourct haben. Natürlich gibt es eine Reihe von Komponenten, etwa sicherheitsrelevante Teile oder technolgisch anspruchsvolle, die man nicht vor Ort beziehen kann. Unabhängig davon streben wir die Umsetzung exakt der Strategie an, die wir weltweit verfolgen. Was ist die Basis für unsere Planungen im Iran? Wir gehen von einem lokalen Markt in der Größenordnung von etwa zwei Millionen Einheiten jährlich aus und einem Produktionsvolumen im Land, das etwas darüber liegen wird, eventuell mit einem überschaubaren Exportanteil. Durch diese Volumina sehen wir reichlich Spielraum für Investitionen im Iran. Was wir schon jetzt feststellen, ist ein hohes Interesse seitens der Zulieferer.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist Teil der Renault-Strategie, Fahrzeuge aus dem Iran in andere Länder zu exportieren?
Wenn man wie wir einen Marktanteil von zwei bis drei Prozent hat, am Ende des Jahres vielleicht fünf Prozent und nun beginnt, die Produktion hoch zu fahren, dann sollte man erst einmal noch gar nicht daran denken, welche Geschäfte man außerhalb des Landes tätigen könnt. Wir müssen ja erst einmal noch die restlichen 95 Prozent des Marktes bearbeiten. Unsere oberste Priorität muss deshalb sein, uns auf das Thema Qualität in punkto Kundenzufriedenzeit, Produktgüte und Befriedigung der Kundennachfrage zu konzentrieren.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Wer wird Ihr schärfster Wettbewerber im Iran? Die üblichen Protagonisten oder die Chinesen?
Die Frage muss lauten, für wen sich die iranischen Kunden entscheiden. Ohne die Leute kann ich gar nichts entscheiden. Wir müssen ein Angebot auf den Tisch legen, das den potenziellen Kunden entgegenkommt. Wenn die Kunden lieber chinesische Autos haben wollen, okay, dann haben wir uns vielleicht getäuscht. Also müssen wir auf Korrekturkurs gehen. Aber ich denke, dass wir sehr wohl das anbieten können, was sich der iranische Kunde wünscht.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Welches sind die höchsten Hürden, die es für den Erfolg im Iran zu überwinden gilt?
Wie so häufig im Geschäftsleben besteht die größte Hürde aus übersteigerten Erwartungen. Wir müssen uns anstrengen, um weiterhin das Vertrauen aufrecht zu erhalten, das wir in dieser gesamten Zeit aufgebaut haben, und alles daran setzen, um unsere iranischen Partner nicht zu enttäuschen. Die iranische Industrie wird eines Tages die wichtigste Industrie in diesem Teil der Welt sein, und wir tun gut daran, eng mit ihnen zusammenzuarbeiten. Aber zu rasch vorzugehen oder zu glauben, dass jetzt, nach der Aufhebung des Embargos, alles einfach wird: auf gar keinen Fall. Es kommt darauf an, sich die nötige Zeit zu nehmen, das Vertrauen zu erwerben, zu sagen, was man vorhat, und zu halten, was man versprochen hat. Das ist das Wichtigste.
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Das Interview führte Frank Volk