Anhaltend hohe Stromtarife an öffentlichen Ladesäulen könnten aus Sicht von Branchenexperten den Umstieg auf Elektroautos ausbremsen. "Für den Hochlauf der Elektromobilität sind Qualität, Verfügbarkeit und Verlässlichkeit des Ladens entscheidend, aber natürlich auch die Kosten", sagte der Automobilexperte Stefan Bratzel der Augsburger Allgemeinen. Viele Anbieter gäben offensichtlich sinkende Strom-Einkaufspreise nicht an die Kunden weiter, sagte der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach.
55 bis 60 Cent pro Kilowattstunde als Durchschnittspreise bei Betreibern und Ladekartenanbietern seien zu hoch, führte Bratzel aus. "Für regelmäßiges Laden an öffentlichen Säulen in den Städten muss man hier, gemessen an den heutigen Preisen, auf unter 40 Cent pro Kilowattstunde kommen." Andernfalls überstiegen die Ladekosten oftmals die Verbrauchskosten vergleichbarer moderner Dieselfahrzeuge. Er verwies allerdings darauf, dass Tesla mit seinem Supercharger-Netz eine Ausnahme sei und seine Preise mehrfach gesenkt habe.
"Natürlich drängt sich der Verdacht auf, dass zumindest einige Anbieter die Strompreiskrise 2022 für dauerhafte Preiserhöhungen genutzt haben", sagte auch der Verkehrsexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Wolf-Peter Schill. Allerdings sei nicht klar, ob die Ladetarife vor der Krise immer kostendeckend gewesen seien, gab er zu bedenken.
Schill stellte infrage, ob die Preise derzeit tatsächlich überhöht seien im Vergleich zu den Gesamtkosten für die Bereitstellung von Strom an öffentlichen Ladesäulen. Dennoch drohe die Entwicklung dem politisch gewünschten Umstieg auf mehr E-Autos zu schaden, warnte er. "Hohe Kosten und unübersichtliche Tarife helfen der Elektromobilität sicher nicht."