Der Streber an sich ist in seiner Klasse selten beliebt. Für den Taycan gilt dies aber nicht. Porsches erstes vollelektrisches Modell zählt nicht nur zum Besten, was es in der Oberklasse gibt, sondern auch zu den meistverkauften. Seit Ende 2019 haben die Schwaben mit dem Taycan weltweit über 150.000 Kunden elektrisiert. Und angestaubt wirkt der Herzbube aller Sport-Stromer nach vier Jahren wahrlich auch nicht.
Nun liegt es in der Natur jedes Strebers, dass er nach immer mehr strebt. So kam es, dass die Porsche-Crew nochmal die Schulbank drückte, um das Taycan-Potential besser auszuschöpfen. Auf dem Stundenplan stand: Mehr Leistung, mehr Reichweite, mehr Performance, mehr Ausstattung. Los geht es jetzt mit dem heckgetriebenen Taycan bei 101.500 Euro.
Auf dem Weg zum perfekten Taycan legten die Entwickler rund 3,6 Millionen Kilometer rund um den Globus zurück. Von den vielen kleinen und großen Kunstgriffen profitieren ab sofort alle drei Karosserievarianten: also Limousine, Cross Tourismo und Sport Tourismo.
Generell erhält die Taycan-Truppe zum Update deutlich mehr Power. Die kommt in erster Linie von einem neuen, effizienteren Elektromotor an der Hinterachse. So steigt die Systemleistung beim Basis-Modell um 60 kW/82 PS auf nunmehr 320 kW/435 PS. Beim bisherigen Topmodell Taycan Turbo S klettert sie kurzzeitig (mit Launch Control) sogar um 140 kW/190 PS auf jetzt 700 kW/952 PS. Nicht, dass der Taycan bislang ein kraftloser Geselle war, aber das Plus spürt man bei jedem der vier angebotenen Leistungsstufen vom ersten Meter an. Die Souveränität der Antriebe ist unglaublich.
Und mit dem Turbo GT stellt der Sportwagenhersteller den stärksten und von der Beschleunigung schnellsten Serienporsche aller Zeiten ins Schaufenster. 815 kW/1.108 PS und ein Drehmoment von 1.340 Newtonmeter lassen alles erblassen, was wir uns mal unter grüner Mobilität hätten vorstellen können. Wer das erstmals Aufpreis freie, rund 75 Kilo leichtere Weissach-Paket (u.a. fester Heckflügel, Carbon-Stize, Entfall der Rückbank) ordert, darf sich auf fast schon sittenwidrige Fahrwerte freuen. Dann rennt der Turbo GT 305 Spitze und pulverisiert die 100er-Marke in 2,2 Sekunden. Das schafft noch nicht mal Verstappens Red Bull. Mit neuem Attack Mode, der für zehn Sekunden 120 kW/163 PS Zusatzleistung aktiviert, gleicht die Kraftentfaltung des 2,3 Tonnen schweren Turbo GT dem Urknall.
40 Kilometer mehr Reichweite durch optimiertes 21-Zoll-Rad
Rein optisch lässt sich das Facelift nur von ausgemachten Fans erkennen. Es gibt neue Farben, vorne wurden Scheinwerfer, Haube und Kotflügel leicht modifiziert, der Turbo erhält im unteren Stoßstangenbereich neue Elemente und differenziert sich dadurch stärker. Am Heck ist nun auf Wunsch der Porsche-Schriftzug illuminiert. Innen wurde vor allem an der digitalen Leistungsfähigkeit geschraubt. So erfolgt die Routenberechnung inklusive der Ladestopps jetzt online und dreimal so schnell wie bisher. Zudem verhindert eine neue Folie den Blick des Piloten auf das Display des Beifahrers, der Videos nun auch während der Fahrt streamen kann. Für alle Versionen sind ab sofort eine Reihe von Ausstattungsdetails - wie die elektrische Ladeklappe (beidseitig), die Wärmepumpe oder der Drive-Mode-Schalter - serienmäßig an Bord.
Der größte Teil der Entwicklungskosten fiel auf die Verbesserung der Effizienz und der Ladegeschwindigkeit. Bei geringerem Gewicht (9 Kilo) verbessert eine neue Zell-Technologie die Kapazität der Batterie um zwölf Prozent, auf nunmehr brutto 105 kWh (vorher 93 kWh). Dank höherer Ladeströme kann an DC-Ladern jetzt mit bis zu 320 kW Strom gezapft werden (50 kW mehr). Dabei lassen sich über 300 kW für die ersten fünf Minuten halten. Zudem haben die Porsche-Tüftler das sogenannte Thermokonzept, also die Wohlfühltemperatur der Zellen, optimiert. Statt 35 Grad reichen denen nun für unsere Breiten realitätsnahe 15 Grad, um bestmöglich Strom aufzunehmen. Resultat: Das Aufladen von 10 auf 80 Prozent dauert jetzt nur noch 18 Minuten und erfolgt damit doppelt so schnell. Die Reichweite profitiert von den vielen kleinen technischen Finessen, zu denen auch eine um 30 Prozent höhere Rekuperationsleistung zählt. Mit bis zu 678 Kilometer - 175 mehr als bisher - kommt der heckgetriebene Basis-Taycan am weitesten. Alleine das neue, aerodynamisch optimierte 21-Zoll-Rad soll bis zu 40 Kilometer zusätzliche Reichweite bringen.
Das Streben nach Perfektion gipfelt schließlich in der Überarbeitung des Fahrwerks. Nun wird keiner ernsthaft behaupten, der Taycan hätte in diesem Metier bislang große Defizite gehabt. Porsche aber war nicht gänzlich zufrieden. Deshalb erhalten alle aktualisierten Taycan jetzt das adaptive Luftfahrwerk serienmäßig, das Stahlfahrwerk entfällt. Optional lassen sich die Allradversionen mit dem neuen Active Ride Fahrwerk bestücken, das jedes einzelne Rad situativ punktgenau dämpft.
Die Zwei-Ventil-Technik, im Wesentlichen übernommen vom gerade aktualisierten Panamera, soll eine noch größere Spreizung zwischen Komfort und Performance ermöglichen und den Taycan auch in dynamischen Situationen stets in der Horizontale halten. Beim Bremsen beispielsweise taucht er nicht mehr vorne ein. Ganz nebenbei macht Active Ride den Taycan zum Gentleman, weil sich die Karosserie zum Einsteigen um 5,5 Zentimeter anhebt.
Fahren mit Active Ride ist ein Erlebnis. Selten war ein E-Mobil komfortabler. Weil die Bordelektrik die Hydraulik-Pumpen mit 800 Volt befeuern, reagiert das System in Millisekunden auf jede Unebenheit, reduziert zudem Nick- und Wankbewegungen auf ein Minimum. Auf Knopfdruck überkompensiert der sogenannte Helikopter-Modus sogar diese Bewegungen und reduziert damit die auf Insassen einwirkenden Fliehkräfte.
Befürchtungen, Porsche würde dem Taycan mit diesem Wunder(fahr)werk die Seele rauben und alles Sinnliche wegfiltern, sind unbegründet. Die Ingenieure lassen die elektronischen Zügel so lang, wie es nötig ist, um Sicherheit und Kurvenspaß in Einklang zu bringen. Hinterm Steuer hat man jedenfalls immer das Heft des Handelns selbst im Griff, nebenbei macht einen die Technik zu einem besseren Fahrer. Und wer wollte das nicht? Schließlich steckt in jedem von uns ein kleiner Streber.