Energie- und Materialeffizienz sind maßgebliche Vorgaben auf der Prioritätenliste der Automobilkonstrukteure für zukunftssichere Modellreihen und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen. Das Themenfeld ist weit gesteckt. Dazu gehören ein schlanker CO2-Footprint wegen verschärfter Flottengrenzwerten, ein intelligenter Materialeinsatz sowie ein nachhaltiger Leichtbau mit neuartigen Werkstoff-Hybriden. Während bei herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor weniger Gewicht den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen verringert, gewinnen leichtere E-Autos zusätzlich an Reichweite.
Ambitionierte Fahrzeugkonzepte, die das Gesamtgewicht in den Blick nehmen, setzen die Hebel bei innovativen Materialien und dem systematischen Kombinieren verschiedener Werkstoffe zu einem funktionalen Materialmix an. Einen Königsweg allerdings gibt es nicht. Die Ikone im Feld neu konzipierter E-Autos, der kompakte Kleinwagen BMW i3, wird vom Hersteller bereits in jungen Jahren aus dem Verkehr gezogen: Die Fahrgastzelle aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) erweist sich als Kostentreiber, die Verkaufszahlen für den Elektro-Pionier liegen weit hinter den Erwartungen. Nach Angaben des OEMs addieren sich die in neun Verkaufsjahren aufgelaufenen Verluste auf rund zwei Milliarden Euro, die Carbon-Core-Multimaterial-Strategie von BMW ist angeschlagen. Die i3-Erbschaft tritt wohl das Crossover-Modell X1 mit Elektromotor an.
Fortsetzung im Wettlauf der Werkstoffe
Der Punkteverlust für Carbonfaser-Bauteile bringt Leichtbau-Verfechter indes nicht vom Kurs ab. Es gibt schlicht keinen klaren Favoriten unter den Werkstoff-Kandidaten Stahl, Aluminium, Magnesium und Verbundmaterialien. Im Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) aus dem Hause Volkswagen beispielsweise sind eigenen Angaben zufolge neben hochfestem Stahl zahlreiche weitere Leichtbaumaßnahmen enthalten, darunter ein Aluminium-Schweller, ein ultrahochfester Sitzquerträger, dünne hochfeste Türaußenbleche, eine Kunststoffheckklappe und ein Batteriegehäuse aus Aluminium.
Bei Mercedes setzt die seriennahe Studie EQXX ebenfalls auf Leichtbau, schließlich geht es dem Traditionskonzern um die Pole-Position in Sachen Reichweite bei vollelektrifizierten Fahrzeugen. Das Fitnessprogramm der Ingenieure für die EQ-Baureihe zielt unter anderem auf Gewichtseinsparungen beim 100-kWh-Batteriepaket und im Karosserie- sowie Interieurbereich. Neben dem verbauten Stahl finden sich zahlreiche Komponenten aus Aluminium, Magnesium sowie Bauteile und Patches aus glas- und carbonfaserverstärkter Kunststoffmatrix. Eines der Ziele: Kleinere und um 30 Prozent leichtere Akkus für eine Reichweite von 1.000 Kilometer je Batteriefüllung.
Auch die BMW Group stoppt keineswegs ihre Aktivitäten in Sachen Leichtbau und erweitert ihr Engagement auf dem Gebiet der nachhaltigen, ressourcenschonenden und aus natürlichen Materialien hergestellten Fahrzeugbauteile. Über seinen Risikokapitalarm BMW i Ventures investiert der Münchner Autobauer seit kurzem in das Schweizer Cleantech-Unternehmen Bcomp, ein Hersteller von High-Performance-Verbundwerkstoffen aus Naturfasern. Offenbar sollen in Zukunft mehr Komponenten aus nachwachsenden Pflanzenfasern anstelle von carbonfaserverstärktem Kunststoff in den Modellreihen zum Zug kommen.
Neue Töne im Leichtbau
Kostspielige Leichtbau-Visionen sind das eine, mehr nachhaltige Materialien sowie ressourcenschonende Herstellungsverfahren das andere. Der Ruf nach kostengünstigen und widerstandsfähigen Leichtbauteilen wird lauter und trägt bereits Früchte. Der Kunststoffkonzern und Automobilzulieferer Covestro beispielsweise erweitert wegen steigender Nachfrage seine Produktionslinie für die Compoundierung von Polycarbonat. Das synthetisch hergestellte Material ist widerstandsfähig gegen äußere Einflüsse, splittert nicht und lässt sich auch zu großflächigen Bauelementen verarbeiten. Seine Herstellung berücksichtigt neuerdings auch recycelte Rohstoffe. Dachspezialist Webasto hat Polycarbonat-Autodächer im Programm, die gegenüber dem herkömmlichen Stahl-Lamellendach eine Gewichtsersparnis von 3,5 Kilogramm aufweisen.
Die Recycling-Erfahrungen mit industriellen Rohstoffen im Fahrzeugbau indes sind durchwachsen, geschlossene Materialkreisläufe bilden bei faserbasierten Verbundwerkstoffen die Ausnahme. Einmal lassen sich die bei Composites in der Harz- oder Kunstoffmatrix eingeschlossenen Fasern nicht ohne Beschädigung – und damit veränderten Materialeigenschaften – zurückgewinnen, zum anderen bedarf das Recycling von sortenreinem Kunststoff der chemischen Aufbereitung. Das klingt nach Aufwand und Mehrkosten. Recyclierte Fasern und Rohstoffrezyklate senken aber den bauteilbezogenen CO2-Fußabdruck.
Knackpunkt für die Kostensenkung
Ein Ausweg aus dem Dilemma zeigt ein kunststoffbasierter Batteriegehäusedeckel. Der Prototyp für E-Autos besteht aus einem Glasfaser-Vlies und stammt aus dem Forschungslabor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Wissenschaftler benutzen eine Matrix aus thermoplastischem Nylon zusammen mit einem Glasfaser-Vliesstoff. Um den Schritt in die Serienfertigung zu schaffen ist allerdings noch Optimierungsbedarf vorhanden. Der Knackpunkt bei den Material- und Prozesskosten liegt im Fertigungsprozess: Um eine gleichbleibend hohe Qualität mit recyceltem Vliesstoff zu erzielen, muss die Anlagentechnik mit entsprechenden Sensoren und Steuerungssoftware ausgerüstet sein. Mehrkosten gegenüber herkömmlicher Aluminiumbauweise lassen sich laut DLR-Erkenntnissen vor allem durch Prozessautomatisierung und höhere Stückzahlen kompensieren.
Wie das geht, lässt sich beim koreanischen Autoteile-Hersteller Infac bereits in der Praxis besichtigen. Seit kurzem fertigt das Unternehmen ein kunststoffbasiertes Batteriemodulgehäuse für Elektrofahrzeuge in Serie. Nach Angaben des Spezialchemie-Konzerns Lanxess kommt dabei das halogenfreie, flammgeschützte und glasfaserverstärkte Polyamid 6 (PA6) der hauseigenen Marke Durethan zum Einsatz – ein kombinationsfreudiger Hochleistungskunststoff, der auch für Bremspedale und Ölwannen verwendet wird.
Hybridbauteile im Minutentakt
Aus produktionstechnischer Sicht sind es immer wieder die Kosten, die den großtechnischen Einsatz von Werkstoff-Hybriden ausbremsen. Kurze Zykluszeiten, fehlende Materialkreisläufe und zeitintensive Vorbehandlungen der vorgesehenen Werkstoffkombinationen schwächen die Wettbewerbskraft von endlosfaserverstärkten Verbund- und Hybridbauteilen gegenüber konventionellen Materialien und Verfahren.
Ein Lichtblick kommt vom Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden. Ein Projektkonsortium unter Federführung des Automobilzulieferers Brose stellte eine durchgängig automatisierte Prozesskette zur seriengerechten Herstellung von hochbelastbaren Hybridbauteilen auf die Beine – das Prozessentwicklungszentrum des DLR-Instituts gibt jetzt die erfolgreiche Inbetriebnahme bekannt.
Der Anlage liegt ein Spritzguss-Kombinationsprozess zugrunde, bei dem tiefgezogene Metalleinleger mit vorkonfektionierten endlosfaserverstärkten Patches kombiniert und anschließend mit kurzfaserverstärktem Kunststoff umspritzt werden. Alle Prozessparameter und Verfahrensschritte überwacht und koordiniert eine zentrale Steuereinheit über 350 Sensorkanäle. Die Abläufe von der exakten Temperierung der Metalleinleger über die haftvermittelnde Plasmabeschichtung bis zum Verpressen mit dem faserverstärkten Patch sind auf Großserienanforderungen von Taktzeiten unter einer Minute getrimmt.