"Papa, schau mal, da kommt ein Fünfer BMW", wird ab sofort kaum noch zu hören sein. Denn mit der Neuauflage des seit 1972 über acht Millionen Mal verkauften Fünfers wird der Übergang zu seinem großen Bruder noch fließender - um nicht zu sagen kaum noch erkennbar. Selbst von der Seite betrachtet werden auch eingefleischte BMWler keine hohen Summen verwetten, ob dies nun ein Oberklassen- oder Luxusklassenmodell ist. Was die Kunden des neuen Fünfers freut, dürfte die des Siebeners vielleicht ein wenig ärgern. Und nicht nur von außen, auch im Innenraum sorgt der mindestens 57.700 Euro teure BMW 540i für überraschte Blicke. Denn er ist endlich in der ersten Oberklasse angekommen. Hochwertige Materialien, ein modernes Infotainment und Sitze, die selbst nach hunderten Kilometern nicht den Wunsch nach einem raschen Ende der Tour aufkommen lassen. Na gut, warum der große Mittelkonsolen-Bildschirm trotz des seit einigen Jahren bekannten und sich etablierten Bediensystems unbedingt angefasst werden muss, ist nicht ganz nachvollziehbar. Erst recht nicht, da selbst groß gewachsene Fahrer und Beifahrer den Kontakt zur Rückenlehne abreißen lassen müssen um ihn überhaupt erreichen zu können. Die Gestensteuerung hingegen funktioniert reibungslos. Wer sie braucht, steht in den Sternen. Doch selbst wenn es nur für die Vorführung beim nervigen Nachbarn genutzt wird, erfüllt es auch so immerhin einen Zweck.
Mehr als nur seinen Zweck erfüllt der 3,0 Liter große Reihensechszylinder des BMW 540i, der am 11. Februar 2017 zum ersten Mal auf unsere Straßen rollt. Die Achtgang-Automatik braucht sich derweil nicht hinter Noch-Mehr-Gang-Automaten der Konkurrenz verstecken. Sie arbeitet zuverlässig und ruckelfrei und versorgt die Hinterräder mit 340 PS beziehungsweise 450 Newtonmetern. Was sich sportlich liest, ist es natürlich auch. Doch wer Sportlichkeit BMW-typisch erleben möchte, sprich hören und fühlen möchte, der sollte ein paar Euro auf die hohe Kante legen und auf die M-Versionen warten. Denn selbst bei durchgedrücktem Gaspedal entfleucht dem Sechsender kaum mehr als ein laues Motivchen. Fast fünf Meter weiter hinten hört sich das ganze schon etwas aggressiver, aber leider auch synthetischer an. Es wirkt fast so, als wenn BMW beim neuen, um 100 Kilogramm leichteren Fünfer mehr Wert auf die elektronische Verbindung zwischen Mensch und Maschine gelegt hätte. Die Emotionen bleiben hier leider ein wenig auf der Strecke.
Damit die emotionslose Fahrt jedoch so sicher wie möglich von statten geht, dafür sorgen imaginäre Helferlein an jedem Winkel des Fahrzeugs. Selbst der Spurwechsel kann völlig automatisch durchgeführt werden. Dass dieses System, verbunden mit dem gern mal zum Abbiegen neigenden Spurhalteassistent lediglich als Grundbausteine für das große Ganze namens autonomes Fahren angesehen werden kann, wird in der Praxis leider sehr schnell deutlich. Sind der adaptive Abstandsregeltempomat und der aktive Spurhalteassistent aktiviert und das Fahrzeug fährt wie von Geisterhand auf seiner Spur, denkt sich jeder erst einmal "Willkommen in der Zukunft". Weicht dann jedoch die rechte oder auch die linke durchgezogene Linie einer unterbrochenen Linie, da sich eine Abbiegespur eröffnet, heißt es schnell mal "Bis hierhin und nicht weiter. Ich mache dann mal das System aus." Warum? Der Fünfer folgt stupide der durchgezogenen Linie.
1,6 Tonnen schwer
Ein ähnlich skurriles Szenario taucht beim Spurwechsel auf, der per sanftem Lenkstockhebeleinsatz initiiert wird. Sollte sich das System mal davon überzeugen lassen, dass alle sicherheitsrelevanten Kriterien erfüllt sind und das Ende der Autobahn dann noch nicht erreicht ist, wechselt das Fahrzeug die Spur. "Wow" ist der erste Gedanke. "Och nö" der zweite. Denn kaum im neuen Fahrwasser und sich in die Kiellinie des Vorausfahrenden eingeklinkt, fordert die Elektronik einen Nachweis, dass der Fahrer noch lebt. Sprich: Der Fahrer muss das Lenkrad kurzfristig mal wieder übernehmen beziehungsweise es berühren. "Dann hätte ich auch gleich selbst rüberfahren können - und das vor gefühlt zehn Kilometern" bildet das Mundwerk wie von selbst.
Und eigentlich hat es damit auch gar nicht so Unrecht. Denn der 5,1 Sekunden bis Tempo 100-Flitzer in seinem 1,6 Tonnen-Kleid will trotz zahlloser Helfer und zahmem Klangbild eigentlich nur eines: hart angefasst werden. Seine präzise zu bedienende elektromechanische Zahnstangen-Servolenkung, die auf Wunsch einer Integral-Aktivlenkung weicht sowie die satt zupackenden Bremsen und die spontane Gasannahme sorgen für Fahrspaß pur. Kaum im Sport-Modus angekommen will niemand mehr so recht zurück. Interessant ist zudem, dass das Fehlen einer in diesem Segment mittlerweile etablierten Luftfederung nicht negativ, sondern mit 30 Kilogramm weniger sogar positiv ins Gewicht fällt. Der BMW 540i fährt sich sportlich, ja. Aber unkomfortabel? Nein. Der Spagat zwischen beiden Welten ist den Ingenieuren außerordentlich gut gelungen und wird eigentlich auch nur noch vom Normverbrauch übertroffen. Denn mit 6,5 Litern Benzin auf 100 Kilometern hätte kaum jemand gerechnet.