In den USA gehören Pick-Ups zum festen Bestandteil des Straßenbilds – für Europäer kaum begreiflich. Eine Probefahrt im neuen Ford F150 klärt auf: so leben die Amerikaner.
Alles ist irgendwie eine Nummer größer
Die Antwort ergibt sich schon nach wenigen selbstgefahrenen Meilen am Steuer des Ford F150. Der Punkt “zu groß” zieht hier im Land der unbegrenzten Möglichkeiten schon mal gar nicht. Die Straßen und Parkplätze sind schlicht und einfach deutlich breiter als in Europa. In den USA herrscht vor allem außerhalb der Metropolen alles andere als Platzmangel. In den Vereinigten Staaten sind vier, fünf oder sechsspurige Straßen keine Seltenheit. Hier wurden von Anfang an mehrere Fahrspuren angelegt. Was gleichzeitig dafür sorgt, dass es nur wenige Baustellen gibt, die eine Fahrspurverbreiterung zum Ziel haben. Davon können Autofahrer in Deutschland nur träumen. Ein weiterer Vorteil des Verkehrssystems in den USA kommt Fahrern eines zugegebener Maßen nur für deutsche Ansprüche zu langsamen Pick-Ups zugute: Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von je nach Bundesstaat maximalen 130 Kilometern pro Stunde. In Kombination mit dem sich nur sehr schleichend etablierenden Rechtsfahrgebot kann zudem über einen längeren Zeitraum – und der kann in den USA schon mal mehrere Stunden betragen – von einem Spurwechsel abgesehen werden.
Das Besondere ist aber eigentlich das reine Fahrgefühl in solch einem F150 Platinum 4×4 SuperCrew. Denn, dass hinter der zweiten Sitzreihe, in der Passagiere mehr Platz als in einer S-Klasse-Langversion haben, noch eine gewaltige Ladefläche prangt, ist überhaupt nicht spürbar. Es wäre zwar gelogen zu behaupten, dass sich der 5,89 Meter lange und zwei Tonnen schwere Truck wie eine Limousine fährt. Zu indirekt ist seine Lenkung, zu groß das Lenkrad an sich und zu holperig das blattgefederte und starrbeachste Hinterteil. Dennoch: Erst einmal ins Cockpit geklettert, übermannt einen das Gefühl von purer Freiheit. Fährt nicht gerade ein noch größerer Truck neben oder vor einem her, finden die Augen erst an weit entfernten Punkten Halt. Und auch im Inneren herrscht vor allem eines: Platz. Genau diesen findet im Land, wo alkoholische Getränke auch gern mal in undurchsichtigen Papiertüten transportiert werden müssen, auch im Nu ein Elferkasten in der Mittelarmlehne. Noch einfacher ist es natürlich, direkt ein paar Kilogramm Eiswürfel hineinzukippen. Um die Strandparty perfekt oder die Federung einfach ein wenig komfortabler zu machen, fehlen nur noch ein Paar Zentner Sand auf der Ladefläche. Wem das wiederum zu wenig ist, der kann auch einfach einen Anhänger mit bis zu 5,5 Tonnen hinter sich her ziehen.
Der 3,5 Liter große und 370 PS starke Fünf- oder auf Wunsch auch Sechssitzer wirkt ohne Anhänger überraschend spritzig. Ein beherzter Tritt aufs Gaspedal und der 1,95 Meter hohe Riese reißt sich von der Kette. Unter angemessenem Motorenklang werden die freie Ladefläche und alles, was an ihr dranhängt und draufliegt, vergessen. Die Sechsgang-Automatik schaltet unauffällig und die Abrollgeräusche halten sich in Grenzen. Und das trotz der riesig wirkenden Außenspiegel, ohne die der F150 lediglich 2,03 Meter breit wäre. Zu einer sicheren Fahrt mit einem solchen Ungetüm gehört allerdings auch ein gutes Gedächtnis. Denn vor der nächsten Kurve sollte sich der Masse, die soeben so flink nach vorn gepeitscht wurde, schnellstmöglich wieder bewusst gemacht werden. Die Bremsen des F150 packen zwar zu, doch die Gesetze der Physik können auch sie nicht umfahren. Gleiches gilt auch für den Spritverbrauch von 14 Litern Benzin auf 100 Kilometern. Eine Tankfüllung kostet rund 55 Euro – nur, dass der Tank auf Wunsch mit 136 Litern Fassungsvermögen mehr als doppelt so groß ist, als der eines deutschen Mittelklassewagens. Und mal ganz ehrlich und Hand aufs Herz: Bei umgerechnet 40 Euro-Cent pro Liter würden doch auch in Deutschland ganz andere Fahrzeuge zu sehen sein. Oder etwa nicht?