Die Stimmung im Heimatland ist mies. Die Verkaufszahlen sind mäßig, alle reden von alternativen Antrieben und so recht hat der einst so autoverliebte Deutsche keine Lust mehr auf seinen fahrbaren Untersatz, der früher sein halbes Leben bedeutete. Nach einer müden Veranstaltung wie der dahinsiechenden IAA im September kommt da eine Stimmungsmesse wie die Los Angeles Autoshow gerade recht, um wieder einmal gute Laune zu haben. Auch wenn ausnahmsweise einmal nicht die Sonne vom Himmel brannte, war die Stimmung gerade bei den deutschen Autobauern prächtig.
Im nach wie vor autoverrückten und PS-verliebten Amerika können BMW, Audi & Co ihre hochgetunten Maschinen noch präsentieren, ohne dass mit erhobenen Zeigefinger das Ende der Welt prophezeit wird. Im Gegenteil: Hier gibt es für Kraftmeier wie den Audi RS6 Avant oder einen BMW M8 Gran Coupé ebenso viel Applaus wie für einen potenten Luxus-SUV wie Audi RS Q8 oder Mercedes AMG GLS 63 / GLE 63 - alle mit rund 600 PS. Wer es ökologischer will, verliebt sich in den schicken Audi E-Tron Sportback oder den fair bepreisten Ford Mustang Mach-E - beide mit reinem Elektroantrieb. Der kalifornische Nischenhersteller Karma will sich bei seinem Heimspiel nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und kontert die teutonische PS-Offensive mit dem Revero GTS, der in rund vier Sekunden die 100 km/h Marke knackt und rein elektrisch bis zu 209 km/h schnell ist. Wohin die Reise der Kalifornier geht, zeigt die Studie SC2 Concept mit 1.100 Elektro-PS. Dagegen nehmen sich die 571 PS des ebenfalls rein elektrischen Porsche Taycan 4S fast bescheiden aus. Er dürfte zukünftig das Volumenmodell im Taycan-Angebot werden.
Ansonsten nähern sich die Amerikaner dem Thema Elektro eher zurückhaltend. Tesla ließ sich im Los Angeles Convention Center wieder einmal nicht blicken, sondern präsentiert seinen Elektro-Pick-up auf einer eigenen Veranstaltung. Toyota zauberte die überfällige Plug-in-Hybrid-Version des RAV 4 aus dem Hut und Lincoln hat den Corsair Grand Touring PHEV, der sich die Antrieb mit dem Ford Kuga teilt. Einen Blick auf den nächsten Hyundai Tuscon gewährt das "Vision T" PHEV Konzept. Ganz können die Amerikaner ohnehin nicht aus der Haut: Der Lincoln Navigator L würde mit seinen 5,64 Metern Länge in Europa bisweilen als Kleinbus durchgehen, während der ebenfalls monströse Crossover Infiniti QX 80 in den USA nach wie vor zum alltäglichen Straßenbild gehört. Der Heavy Duty Pick-up GMC Sierra 3500 3500 HD Denali beeindruckt mit einem riesigen Chrom-Kühlergrill und weit ausgestellten hinteren Radläufen. Die Amerikaner lieben eben ihre mächtigen Pick-ups - auch oder gerade im Sonnenstaat Kalifornien.
Autoträume in der Stadt der Engel
Auf der Los Angeles Autoshow haben neben Luxus-SUV, Sportskanonen auch kleine Spaßmacher ihren großen Aufritt. Mini lässt die mutige Studie seines John Cooper Works GP Realität werden, der an sich auf die Rennstrecke gehört. Über 306 PS und Frontantrieb lässt sich auch angesichts einer Sperre an der Vorderachse prächtig streiten, aber mit diesen exaltierten Radhäusern aus Karbon hat man die Show noch mehr im Kasten als am Steuer des 450 PS starken BMW M2 Clubsport. Wer er rustikaler mag: Erstmals gibt sich der neue Land Rover Defender in den USA die Ehre. Vor dem Marktstart im kommenden Jahr kann man sich Convention Center schon einmal das Filmauto von 007 alias James Bond in seinem nächsten Streifen anschauen. Schließlich ist die Traumfabrik von Hollywood nur 15 Minuten entfernt. Eher am Rande: der leicht überarbeite Alfa Romeo Giulia.
Natürlich haben in der Stadt der Engel nicht allein die Europäer das Sagen. Doch die amerikanischen Hersteller stehen in Kalifornien nur in der zweiten Reihe, denn wer es sich leisten kann, fährt hier zumeist ein europäisches Premiumprodukt. Immerhin versucht Chevrolet, mit dem Mittelmotorsportler Corvette die amerikanische Flagge hochzuhalten. Das Cabrio kann sich sehen lassen und das Performance Paket bringt zwar nur fünf Extra-PS, schärft die schicke "Vette" optisch noch einmal nach und optimiert die Aerodynamik. Da lässt es Toyota bodenständiger angehen, doch die Japaner zeigen auf der Los Angeles Autoshow gleich drei besonders wichtige Fahrzeuge. Neben dem Toyota RAV4 PHEV ist der überaus erfolgreiche Camry wie die meisten seiner Konkurrenten nunmehr auch als Allradversion zu bekommen. Ebenfalls in den USA eine große Nummer ist der Toyota Highlander, der gegen ebenfalls üppig dimensionierte SUV wie VW Atlas oder Kia Telluride antritt. Viel Platz zu Preisen zwischen 30.000 und 50.000 Euro. Größe ja - aber in den USA eben nicht um jeden Preis.