Die Porsche Gemeinde läuft Sturm. „Ist das noch ein echter Elfer?“ fragt ein Fan der Zuffenhausener Sportwagen in einem Internetforum. Andere reiben sich die Hände, haben Dollar-Zeichen in den Augen und freuen sich, dass ihr Neunelfer noch einer mit Saugmotor ist. Die werden sicher ähnlich begehrt sein, wie die Fahrzeuge der Baureihe mit dem internen Code 993, der letzten mit luftgekühlten Boxer-Triebwerken im Heck des Zuffenhausener Klassikers. Jetzt hat Porsche also das nächste als unantastbar geltendes Dogma ihrer Motorbaukunst auf dem Altar der Leistungssteigerung und der Effizienz geopfert. „Beim Antrieb ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Das sind komplett neue Boxer-Motoren“, verdeutlicht Thomas Brandl die Antriebsrevolution beim Facelift.
Kein freies Atmen mehr, stattdessen drei Liter Hubraum und zwei Turbolader. Das Resultat sind jeweils 15 kw / 20 PS mehr, also 272 kW / 370 PS beim Carrera und 309 kW / 420 PS im Carrera S. Das Drehmoment legt um 60 Newtonmeter zu – das sind beim Carrera S 500 Nm, die schon ab 1.700 U/min mit dem Gewehr bei Fuß stehen und erst ab 5.000 U/min nachlassen. “Das hebt das Auto auf ein ganz neues Leistungsniveau“, strahlt 911-Baureihenleiter August Achleitner. Gleichzeitig sinkt der Durchschnittsverbrauch um einen Liter auf 7,7 Liter pro 100 Kilometer.
Um die grummelnde Fan-Gemeinde zu besänftigen, mussten Fahrleistungen her, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten. In vollem Ornat, also mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (3.510,50 Euro Aufpreis) und Sport-Chrono-Paket (2.082 Euro), rennt der 911 S (Grundpreis: 110.766 Euro) in lediglich 3,9 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßen-Tempo und mit einer Höchstgeschwindigkeit von 308 km/h kratzt der 911 S sogar an den Jagdrevieren der Supersportwagen. Wer 14.161 Euro weniger für das Auto ausgeben will, greift zum Basis-Elfer und ist auch mit dem gut bedient: In der gleichen Konfiguration ist der Carrera ohne S lediglich 0,3 Sekunden und neun Stundenkilometer langsamer.
Allerdings müssen sich Porsche Doppelkupplungs-Veteranen jetzt umstellen: Gänge nach hinten reißen, bedeutet jetzt nämlich hochschalten. Bei den Schaltwippen am Lenkrad bleibt aber Gottseidank alles beim Alten: rechts hoch, links runter. Der aufpeppte Neunelfer ist ein feines Stück Technik. Das Doppelkupplungs-Getriebe beherrscht jetzt virtuelle Gänge, also das optimierte Segeln in höheren Gängen und die beiden Turbolader werden durch eine ausgetüftelte Luftführung am Heck mit dem dringend benötigten Sauerstoff versorgt. „Was wir gemacht haben, ist keine Raketenwissenschaft, wir haben einfach alles, rund um den Turbolader optimiert“, sagt Thomas Brandl. Allerdings bleiben Extras, wie die variable Turbinen-Geometrie, dem Top-Modell Porsche Turbo vorbehalten. Das Gehirnschmalz der Porsche-Ingenieure hat die richtigen Ergebnisse gebracht. Das Ansprechverhalten des Sechszylinders im Heck des Fahrers ist bemerkenswert spontan. Doch Zaubern können auch die Künstler aus dem Entwicklungszentrum in Weissach nicht. Der Dreiliter-Biturbo nimmt sich eine kleine Andachtspause, bevor er furios nach vorne stürmt. Was außerdem ein wenig ernüchtert, ist der Sound der Standard-Auspuffanlage. Zumindest, solange man im Auto sitzt. Von außen hat, die neuen Turbo-Elfer sind an den schwarzen Lamellen auf der Motorhaube erkennbar, das Aggregat hörbar mehr auf Pfanne.
Wer den 911er drehen will, kann das nach wie vor tun und den Motor bis 7.500 U/min orgeln. Damit der Antriebs-Jauchzer auch auf dem Boden ankommt, gibt es für 2.249.10 Euro die Hinterachs-Lenkung vom Porsche 911 Turbo und dem 911 GT3, die nochmal ein Agilitäts-Plus generiert. Unter 50 km/h lenken die Räder in die entgegengesetzte Richtung, was das Rangieren in der Stadt erleichtert, da der Wendekreis nur noch 10,8 Meter beträgt (vorher 11,2 Meter). Wer den Porsche nur als Stadtauto nutzt, sperrt einen Tiger in den Käfig. Auf der Landstraße tobt sich der 911er richtig aus, da schlagen die hinteren Räder ab 80 km/h in die gleiche Richtung ein, wie die an der Vorderachse. Das macht sich beim schnellen Ritt durch den Asphalt-Parcours positiv bemerkbar. Der Porsche hält noch souveräner seine Spur. Beim aufgepeppten 911er hält jetzt auch ein bisschen 918 Spyder Einzug, da die Fahrmodi mit einem Manettino-Drehrad am Lenkrad gewechselt werden. Drückt man auf den zentralen Knopf, springt der Wagen in den Response-Modus, spannt für 20 Sekunden die Muskeln um bei Bedarf mit maximaler Kraft und hohen Gängen loszustürmen. Das hilft bei Überholvorgängen oder Zwischenspurts. Waren die modernen Porsches schon immer entspannt schnell zu fahren, geht das jetzt noch einen Tacken besser. Kleine technische Details wie ein Zweimassen Schwungrad, machen das turbotypische Gleiten angenehme, da es die Vibrationen des Antriebsstrangs deutlich reduziert.
Das technische Füllhorn wurde bei dieser Modellüberarbeitung nicht nur über den Antriebsstrang ausgeschüttet. Auch beim Infotainment-System legten die Porsche-Techniker nach. Das war auch dringend nötig, denn da hinkten die Zuffenhausener Modelle der Konkurrenz um Jahre hinterher. Jetzt dürfen sich die eiligen Verkehrsteilnehmer beim PCM 4 über einen Touchscreen und Google-Earth-Verkehrsdaten freuen. Immerhin ein Fortschritt, aber immer noch nicht Up-to-date. Ein Toter-Winkel-Assistent hilft beim Ausscheren. Ein Detail hätten sich die Porsche-Vetriebsstrategen sparen können. Der 911er hat jetzt eine Multikollisions-Bremse. Die wurde beim Golf 7 eingeführt. Und wenn ein Porsche-Fahrer eines nicht will, ist es, daran erinnert zu werden, dass sein Hersteller mittlerweile zu VW gehört, auch wenn die Wurzeln beider Konzerne fast identisch sind.
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Wolfgang Gomoll; press-inform