Es ist schon irgendwie ein beklemmendes Gefühl. Auf der alle zwei Jahre stattfindenden Seoul Motor Show lassen sich 27 Pkw- und Lkw-Hersteller ob ihrer automobilen Fast-Neuheiten feiern und nur wenige Autominuten entfernt beginnt die am härtesten und schärfsten bewachte Staatsgrenze der Welt. Dass sich ein Freizeitpark direkt an einem der vielen sich zu einem Touristentreff gemauserten Wachposten befindet, von dem per festinstallierten Ferngläsern gen Nordkorea gespannt werden darf, während genau aus dieser Richtung in unregelmäßigen Abständen Schüsse zu vernehmen sind, ist vielleicht Gewöhnungssache. Perfide scheint es dennoch. Da stört es auch nahezu überhaupt nicht mehr, dass auf der vom 31. März bis zum 9. April geöffneten Motor Show kaum Nennenswertes zu sehen ist. Warum das so ist? Zum einen ist Südkorea weltweit gesehen kein sehr großer Automarkt und zum anderen befindet sich diese Messe zeitlich gesehen genau zwischen dem Genfer Automobilsalon und den beiden stetig an Bedeutung gewinnenden Messen in New York und Shanghai. Und da ein Messeauftritt nicht mal eben aus der Portokasse zu zahlen ist, muss sich eben entschieden werden.
Doch so ganz ohne Weltpremiere kommt natürlich auch die Seoul Motor Show im Jahr 2017 nicht aus. Und so darf sich SsangYong bei seinem Heimspiel über ein äußerst hohes Interesse erfreuen. Denn mit dem Rexton der vierten Generation will die weltweit knapp 160.000 Fahrzeuge verkaufende Marke ihre Aufholjagd beginnen. "Wir wissen, dass wir ein an den Stückzahlen gemessenes kleines Unternehmen sind. Daher müssen wir als SUV-Experten mit vielen Jahrzehnten Erfahrung vor allem auf unseren guten Ruf setzen und uns spezialisieren. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, im Bereich Konnektivität herauszustechen. Zudem entwickeln wir uns in Richtung autonomen Fahrens weiter. Der Rexton ist ein erster großer Schritt", schwärmt SsangYong-Chef Jhong-Sik Choi. Dass der in zwei Motorisierungen erhältliche Südkoreaner weder über eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage verfügt, noch über jedwede interaktive Besonderheit erstickt die gerade erst aufkeimen wollende Hoffnung jedoch sofort wieder. Obwohl. Eine Besonderheit hat er: Das Blinkergeräusch kann in fünf verschiedenen Variationen gewählt werden. Varation fünf: Das Zirpen einer Grille. Das autonome Fahren eines SsangYong scheint also zumindest nicht ganz lautlos abzulaufen - egal wann.
Neben den bereits in Genf groß gefeierten Neuheiten aus dem Hause Mercedes-Benz fährt AMG in Seoul mit gefühlt jedem Modell zum eigenen 50. Geburtstag mächtig auf. So wirklich neu ist aber auch hier nichts. Auf den Messeständen von BMW, Mini und Porsche herrscht selbst kurz vor Beginn der neuigkeitsarmen Pressekonferenzen gähnende Leere. Voller werden Stände erst, wer hätte es gedacht, mit der steigenden Anzahl reizvoll gestylter Damen. Und wenn diese dann auch noch Einblicke in ihre Unterwäschen-Auswahl gewähren, ist ein Blitzlichtgewitter vorprogrammiert. Ob da nun ein Lkw oder ein Bus wie bei MAN zum Anlehnen genutzt wird, oder ein Stützpfeiler der Messe, spielt da schon fast keine Rolle mehr. Interessant wird es hingegen, wenn während einer Pressekonferenz es mal nicht ganz so läuft, wie es ursprünglich geplant ist. Nachdem vom neuen City Lion-Bus der Marke MAN das gewaltige Tuch explosionsartig entfernt wurde sollte eigentlich eine Auffahrrampe für Rollstuhlfahrer sanft auf den Bushaltestellen-Nachbau heruntergleiten. Ein dort vergessener Metallwürfel ließ das jedoch nicht zu. An dieser Stelle zeigt sich ein weiterer Vorteil von kameratauglichen Models: Niemand hat etwas davon mitbekommen, da die Hoffnung auf weitere explosionsartige Enthüllungen von Sekunde zu Sekunde anwuchs.
Auf der Seoul Motor Show 2017 gibt es aber nicht nur etwas für die Papas zu sehen, sondern auch für die ganze Familie. Und so präsentiert D.Throne am Rande einer der drei Flugzeughangar großen Hallen seine 2.500 Euro teuren Spielzeugautos für den Nachwuchs. Das Besondere an den bis zu 15 Kilometer pro Stunde schnellen Elektroautos ist die Möglichkeit für bis zu 90 Kilogramm schwere Erwachsene im Stehen hinten nicht nur mitzufahren, sondern das Gespann auch zu bedienen. Das Kind darf im Übrigen bis zu 130 Kilogramm auf die Waage bringen. Sollte das Kind keinerlei Interesse an seiner Umwelt zeigen, gibt es eine andere Lösung namens Illusion Theater. Die Smartphone-Kino-Boxen in Form eines Jeeps erfüllen dabei eine ähnliche Funktion wie das Handtuch über dem Wellensittich-Käfig. Handtuch drauf, Ruhe. Nur dass der gefiederte Freund offensichtlich über mehr Phantasie verfügt als der nörgelnde Nachwuchs und auch ohne Elektronik den Schnabel hält. Zu den auch in Seoul wenig gezeigten rein elektrischen Fahrzeugen zählen zudem die beiden Neuheiten von Cammsys. Das eigentlich für die Produktion von Kameralinsen für Smartphones der Marke Samsung bekannte Unternehmen präsentiert mit dem PM100 auf Basis des Renault Twizzy und dem TX700e lautlose Alltagshelfer. Letzterer ist ein kleiner Pick-Up, der sich, wie auf der Messe auch gezeigt, in Form einer rollenden Caffee-Bar bestellen lässt. Spannend beim PM100 ist die Möglichkeit, nicht nur zu zweit, sondern zu viert zu fahren. Schade, dass keiner der beiden bis zu 150 Kilometer fahrenden Elektroautos je nach Deutschland finden wird.