Dr. Michael Krüger, Chefentwickler für Dieseltechnologie bei Robert Bosch.

“Man muss Nutzen und Aufwand in einen vernünftigen Rahmen bringen”, sagt Dr. Michael Krüger, Chefentwickler für Dieseltechnologie bei Robert Bosch. (Bild: Bosch)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Dr. Krüger, worin liegt mit Blick auf das Thema Real Driving Emission derzeit die Schwierigkeit?
Man möchte gerne über Zahlen, Daten und Fakten reden, aber auch nach der ersten RDE-Entscheidung im Mai in Brüssel sind noch viele Fragen offen. So sind insbesondere die Randbedingungen und die so genannten Conformity-Faktoren noch gar nicht klar. Dies bedeutet hohen Vorbereitungsaufwand bei Herstellern wie Zulieferern vor dem erwarteten Einführungsdatum September 2017, zumal mit RDE ein weitaus größeres Spektrum an Anforderungen abgedeckt wird. Die Thematik gibt es zwar bereits beim Truck, dort aber mit einem entscheidenden Unterschied: Beim Nutzfahrzeug werden Emissionen in Gramm pro Kilowattstunde angegeben. Beim Pkw in Gramm pro Kilometer – ein riesen Unterschied. Fahrten mit dem Lkw und dem Pkw kann man daher nicht gleich bewerten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Kann man also sagen: RDE ist noch nicht ausdefiniert und es wird gerne gesehen, wenn noch gute Ideen eingebracht werden?
Das ist richtig. Man muss Nutzen und Aufwand in einen vernünftigen Rahmen bringen. Die Frage ist, was RDE alles abdecken sollte. Überspitzt gesagt: Ist die Fahrt auf den Mont Blanc genauso Bestandteil wie die Fahrt durch die Innenstadt? Man muss statistisch relevante Fahrzustände bewerten. Dafür reichen die heutigen Testzyklen nicht aus.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie kommen RDE, NEFZ und WLTP in Einklang? Müssen die OEMs künftig alle drei Anforderungen berücksichtigen?
Genau. So, wie es in den USA der Fall ist. Es müssen mehrere Testzyklen erfüllt werden. Das Hauptproblem beim Thema RDE ist: In USA werden alle diese Testzyklen auf dem Prüfstand gefahren. Dort kann man jeden Tag unter gleichen Bedingungen fahren. Bei RDE sagt der Gesetzgeber, dass die Testprozedur über den Prüfstand hinaus gehen muss. Solche Fahrten können Sie eigentlich auch nicht vergleichen. Das Problem für die Entwicklung ist also die Reproduzierbarkeit. Es gibt Zyklen, die erst einmal auf dem Prüfstand entwickelt und hinterher auf der Straße ausprobiert werden. Aber dies ist ziemlich kompliziert. Allein schon das Abgaslabor auf die Straße zu bringen. Denn es muss online gemessen werden. Heute messen wir im ppm-Bereich. Wir zählen die Atome und Moleküle. Wenn Sie das auf der Straße machen, ist das sehr anspruchsvoll.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In welcher Rolle sieht sich Bosch als Zulieferer mit Blick auf das Thema RDE?
Sollte RDE kommen, werden wir die Hersteller dabei unterstützten, die neue Norm zu erfüllen. Die Erfüllung einer Norm, wie etwa heute Euro 6, ist immer eine Applikationssache des Herstellers, zu der wir mit unseren Technologien einen Beitrag leisten können. Eine alles erfüllende Plug-and-Play-Lösung gibt es dabei jedoch nicht. Wir fokussieren uns auf gebündelte Maßnahmenpakete – also eine Kombination aus motorseitigen Maßnahmen und Abgasnachbehandlung.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Maßnahmen hat der Zulieferer Bosch in seinem Portfolio?
Lassen Sie mich hier eine Innovation beim Diesel nennen: Das digital rate shaping. Normalerweise hat man eine Haupteinspritzung, eine Piloteinspritzung oder zwei Piloteinspritzungen. Diese Einspritzung teilen wir nun drei-, vier-, fünf- oder gar sechs Mal auf. Damit kann der Verbrennungsprozess weich gestaltet werden. Dieses tiefe Systemverständnis ist der Grund, weshalb Bosch so viel Aufwand betreibt und etwa ein eigenes Motorenlabor unterhält. Um entsprechende Themen zu evaluieren, auszuarbeiten und zu erforschen. Wir machen viel, um gewappnet zu sein.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In welchem Kontext steht der Dieselmotor mit Blick auf RDE?
Den Diesel brauchen wir im Markt – allein schon aus CO2-Gründen. Mit Blick auf CO2 kann man mit ihm noch nennenswerte Reduktionen realisieren. Wir müssen ihn im Markt halten. Die Politik erwartet hierfür niedrige NOx-Emissionen im Realbetrieb. Bosch ist zuversichtlich, dass mit dem RDE Test die angestrebte Emissionsminderung auf der Straße eintreten wird.

Das Interview führte Götz Fuchslocher

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