Gut ein halbes Jahr ist es her, dass in Rüsselsheim ein neuer Herrscher eingezogen ist. Carlos Tavares schnappte sich Opel mit dem festen Ziel, die defizitäre Rüsselsheimer Marke wieder erfolgreich zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, an dem GM viele Jahre gescheitert ist, macht der drahtige Portugiese auch nicht vor unpopulären Entscheidungen halt. Momentan herrscht im Stammwerk Kurzarbeit. Wenn Tavares von Effizienz spricht, meint der passionierte Rennfahrer zunächst einmal Sparen. Und um dieses Ziel zu erreichen bleibt kein Stein auf dem anderen, jedes Projekt wird in Frage gestellt. "Was keinen Profit bringt, wird nicht gebaut", lautet die knallharte Ansage. Das heißt nichts anderes, dass auch heilige Kühe geschlachtet werden, wenn die Zahlen nicht stimmen.

Für Tavares kann eine Gesundung des Ganzen nur dann gelingen, wenn die Basis stimmt, also muss die Verschlankung den ganzen Konzern durchdringen und auch die Kleinwagen Geld abwerfen, die Top-Modelle kommen dann als Bonus obendrauf. Das ist ein diametral unterschiedlicher Ansatz zum GM-Management. Dass ein wichtiger Stellhebel Synergien sind, liegt auf der Hand. "Opel wird elektrisch. Bis 2025 wird jedes Modell der PSA-Gruppe elektrifiziert sein", wiederholt Tavares fast gebetsmühlenartig den übergeordneten Plan. Die Plattformen stellt PSA bereit, das heißt aber auch, dass den Franzosen das Hemd vermutlich näher als die teutonische Hose. Bedeutet: Zunächst dürften die französischen Werke ausgelastet werden, dann erst die deutschen. Dass die englischen Vauxhall-Werke auf dem Prüfstand stehen, dürfte nicht erst nach der Streichung von 400 Stellen in der Fabrik in Ellesmere Port klar sein. Als Gründe wurden eine mangelnde Nachfrage und eine zu geringe Wettbewerbsfähigkeit genannt. "Unglücklicherweise gab es einige Jahrzehnte lang Selbstzufriedenheit und jetzt ist die Kluft zwischen den britischen und den kontinentalen Werken erheblich", sagt PSA-CEO Carlos Tavares, "aber wir sehen eine Chance im Brexit. Während alles pausiert, um zu sehen, was damit geschehen wird, werden wir weiterarbeiten. Es gibt uns Raum, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern." Alle Werke, einschließlich derjenigen, die im Rahmen der Opel-Vauxhall-Übernahme hinzukamen, haben innerhalb des Markenkonglomerats aktuell die Chance, ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Angesichts der Kommentare von Carlos Tavares erscheint eine Konsolidierung des PSA-/Opel-Produktionsnetzwerkes in den nächsten Jahren immer wahrscheinlicher. "Wenn man sich das Werk in Saragossa/Spanien ansieht, haben die Gewerkschaften bei unseren Verhandlungen ein hohes Maß an Reife bewiesen, und wir haben uns darauf geeinigt, den Corsa und den elektrischen Corsa dorthin zu bringen", so Tavares.

Für den PSA-Boss gibt es indes nur eine Stellgröße: "Der Kunde ist der König, was er will, das bauen wir. Egal ob Diesel oder Elektrofahrzeug." Deswegen fährt die PSA-Gruppe bereits die Multi-Antriebsstrategie: Auf jeder Plattform können verschiedene Antriebsstränge dargestellt und auf der selben Linie produziert werden. Schnelles Agieren ist Pflicht. "Niemand kann vorhersagen, wie sich die Anteile der Antriebe entwickeln werden. Die Welt ist im Chaos. Deswegen brauche ich Ingenieure, die mir Lösungen präsentieren", so die unmissverständliche Erwartungshaltung. Im Zentrum seiner Planungen stehen die Rüsselsheimer Techniker, die das Kompetenzzentrum für die gesamte PSA-Gruppe bilden sollen und sich um Anpassungen der Autos an die Vorgaben der verschiedenen Märkte sowie zukünftig um autonome Fahrfunktionen kümmern sollen. "In drei oder vier Jahren werden sich die Ingenieure in Rüsselsheim über zu viel Arbeit beschweren", sagt Tavares. Dass der Grund auch ein Stellenbau sein könnte, entlockt dem Konzernchef ein leichtes Lächeln. Die Uhr tickt. Bis 2020 muss die Heilung des Patienten abgeschlossen sein.

Opel wird neu positioniert

Dass früher oder später auch ein personeller Kahlschlag als probates Gesundschrumpfungsmittel sein wird, liegt definitiv im Bereich des Möglichen. Vor unpopulären Maßnahmen scheut Tavares nicht zurück, das hat seine bisherige Regentschaft bei PSA gezeigt - auch wenn dem Betriebsrat in Rüsselsheim bei dieser Vorstellung, das Arbeitskampfmesser in der Hosentasche aufgeht. Ein anderes Thema treibt Carlos Tavares aktuell um: die Positionierung der Marke. Der Konzernlenker hält sich mit klaren Vorgaben zurück. "Ich bin zu alt, um die Positionierung von Opel vorzugeben, das muss von Michael Lohscheller und seinem Team kommen", schmunzelt der Portugiese. "Ich stelle nur die Fragen." Ob die Diskussionsrunden für den Opel-Chef und seine Mannen immer ein Zuckerschlecken sind, bleibt einmal dahingestellt.

Die Agenda ist vorgegeben: In den nächsten drei Monaten wird klar sein, für was Opel steht und bis Ende des Jahres die Logos, Videos sowie die entscheidenden Botschaften. Ob dann noch Umparken im Kopf stattfindet? Wer weiß. Die Zeit drängt, schließlich müssen die Händler auf die neue Linie eingeschworen werden. Das gilt auch für die Exporte. "Nur weil GM weg ist, kann Opel nicht einfach auf der ganzen Welt Autos verkaufen, so einfach ist das nicht", erklärt Tavares. Darum kommen in den nächsten Wochen und Monaten die PSA-Regionalleiter zusammen und präsentieren ihre Pläne für Opel für den jeweiligen Markt. Doch die Hürden für eine profitable Ausfuhr von Automobilen sind hoch und Tavares gesteht ein, dass Peugeot bei diesem Unterfangen Fehler gemacht hat, aus denen Opel lernen kann. "Man darf die Potentiale nicht mit der Realität verwechseln. Denn das Potential wird nur dann Realität, wenn wir Autos zu einem wettbewerbsfähigen Preis herstellen", so Tavares. Also muss ein Auto vom Preis und der Qualität her in dem jeweiligen Land wettbewerbsfähig sein. Denn die PSA-Landesfürsten werden nur dann Autos mit dem Blitz auf dem Kühlergrill importieren, wenn sie mit ihnen Geld verdienen können. Welche Märkte wann erobert werden, werden Tavares und Opel-Chef Michael Lohscheller in der zweiten Hälfte des Jahres entscheiden.

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