Natürlich kommt dieser Trend ebenso aus den USA wie der von Geländewagen und SUV vor rund 20 Jahren. Die Amerikaner lieben ihre Pick-ups wie keine andere Nation auf der Welt. Noch bevor die erste dampfenden Eisenbahnen den gigantischen Staat zwischen Atlantik und Pazifik durchkreuzten, wurden die Vereinigten Staaten mit Pferd und Planwagen erschlossen. Das hat sich bisher kaum geändert. Kein Auto ist amerikanischer als ein Pick-up als Planwagen der Neuzeit und so wundert es nicht, dass der mächtige Ford F-150 seit rund 40 Jahren das meistverkaufte Auto der USA ist. Wer sich die amerikanischen Verkaufszahlen anschaut, der sucht Kleinwagen, kompakte SUV, Hybridmodelle oder gar Elektrofahrzeuge erst einmal vergeblich. Die Massenmodelle haben eine offene Ladefläche, tragen die Bezeichnungen Ford F-150, Chevrolet Silverado, Toyota Tundra oder Dodge Ram.

Ein Dutzend Flugstunden weiter Richtung Asien sieht es ganz ähnlich und doch irgendwie anders aus. Die blau gekleideten Arbeiter am Fließband der Mitsubishi-Produktionsstätte nahe des thailändischen Touristenortes Pattaya haben am frühen Nachmittag alle Hände voll zu tun. Die Produktion wird gerade vom bisherigen L200 auf das neue Modell umgestellt. "Seit 40 Jahren bieten wir bei Mitsubishi Pick-ups der Ein-Tonnen-Klasse an und haben in dieser Zeit mehr als 4,7 Millionen Fahrzeuge in 150 Länder exportiert", erläutert Mitsubishi-CEO Osamu Masuko, "der L200 steht bei uns für 15 Prozent aller Verkäufe und ist damit eines der wichtigsten Fahrzeuge im Modellprogramm." Die Werker am Band arbeiten an den verschiedenen Stationen routiniert ihr monotones Programm ab. Die Wände der Produktionshalle sind zur einen Seite geöffnet und es zieht eine feuchtheiße Brise durch die Gänge. "Zwischendrin sieht man immer wieder einmal ein neues Modell”, erläutert der Schichtleiter mit der dunkelblauen Kappe, "auf vielen Märkten heißt der L200 Triton.”

Der Mitsubishi L200 ist speziell in Asien ebenso ein Bestseller wie der Toyota Hilux, der Ford Ranger oder der Nissan Navara. Doch auch in Europa geht der Trend zum Klettermaxen mit offener Ladefläche. Das gibt auch Spartenherstellern wie Isuzu oder SsangYong Raum zum Überleben, denn speziell Isuzu ist mit seinem D-Max in Asien eine große Pick-Up-Nummer und die Mischung aus Offroad- und Ladequalitäten ist bei SsangYong mit seinem Musso e-XDi 220 kaum kleiner.

Was den Europäern und den Asiaten ihr Nissan Navara, der technisch nahezu baugleich ebenso als Mercedes X-Klasse und Renault Alaskan angeboten wird, ist in den USA der mächtige Nissan Titan, der es schwer hat, sich gegen so legendäre Massenmodelle wie Ford F-150 oder Chevrolet Silverado in Szene zu setzen. Der 5,30 Meter lange Mitsubishi L200 der neuesten Generation kommt optisch beinahe martialisch daher und ist in den drei Kabinenarten Single, Club oder Double zu bekommen. Auf den meisten Märken wird er von einem rustikalen 181-PS-Diesel angetrieben. Benziner spielen kaum eine große Rolle. Das ist bei der Konkurrenz außerhalb der USA kaum anders. Während in Europa viele über die hoch effizienten und drehmomentstarken Diesel meckern, kommen den Vereinigten Planwagenstaaten von Amerika so langsam auf die Selbstzündergeschmack. Die Full-Size-Modelle sind seit kurzem auch als Diesel im Programm.

Leichtbau mit Licht und Schatten

Zunehmend haben auch die Premiumhersteller das Segment der Pick-ups fokussiert. Mercedes grübelte bereits seit 20 Jahren an einem rustikalen Geländewagen mit offener Ladefläche. In geringen Stückzahlen und bevorzugt für die Armee bot man jedoch allein die G-Klasse auch als Pick-up an. Der Versuch, von der ersten ML-Klasse Ende der 90er einen Pick-up abzuleiten, wurde eingestellt; zu teuer und schlicht zu aufwendig. Seit kurzem bietet Mercedes die X-Klasse an; ein optisch sehenswerter Zwilling des Nissan Navara. "Die Mercedes X-Klasse verbindet wilde Natur mit urbanen Lebensstil", erläutert Mercedes Nutzfahrzeugchef Volker Mornhinweg den Anspruch der Kunden. Die Technik hat abgesehen vom V6-Diesel des Topmodells nicht viel mit dem Hause Daimler zu tun. Volkswagen war hier ein paar Jahr zuvor konsequenter. Nach einigem hin und her beerdigte man den Taro, den man zusammen mit Konkurrent Toyota speziell für Südamerika produzierte und legte mit dem Amarok einen sehr guten Pick-up auf. Doch es fehlte der Mut und die Finanzierbarkeit eines US-Modells und so geht der 5,25 Meter lange VW Amarok, produziert in Argentinien und Hannover, bevorzugt in Europa und Südamerika auf Kundenfang. Der Fehler wurde mittlerweile erkannt und die VW-Verantwortlichen grübeln seit zwei Jahren darüber nach, wie man auch jenseits des Atlantiks einen Pick-up anbieten kann. Die Chance für eine Serienumsetzung des Tanoak scheinen nicht schlecht. Er könnte das Atlas-Doppelpack zur Familie ausbauen. Problem: die Frontantriebsplattform MQB hat im Gelände und in Sachen Trag- und Zuglast nicht viel zuzusetzen.

Wer auf dem Pick-Up-Markt wirklich erfolgreich sein will, kommt um die USA kaum herum. Amerika gilt seit dem Zweiten Weltkrieg als Pick-Up-Country. Die mächtigen Lademeister heißen hier nicht Pick-ups, sondern Full Size Trucks. Pick-ups nennen sich nur kleinere Modelle wie Chevrolet Colorado, Toyota Tacoma, Isuzu D-Max oder Ford Ranger eine Klasse darunter - immerhin auch noch weit über fünf Meter lang. Der meistverkaufte Pick-up in Deutschland ist der Ford Ranger vor dem VW Amarok. Doch die echten Bestseller sind weltweit ohnehin eine Klasse größer unterwegs. Die Kunden wissen, was sie wollen. Immerhin: kaum ein Rancher hat die Nase gerümpft, als die aktuelle Generation des Ford F-150 im Jahre 2014 erstmals mit einem vergleichsweise kleinen 2,7-Liter-V6-Turbo und Aluminiumkarosse vorgestellt wurde. Bisher kannten die meisten US-Kunden im mittleren Westen Aluminium allein von ihren Bud-Light-Dosen beim Barbeque.

Belächeltes Downsizing

"Wir handeln hier nur mit Trucks, seit 20 Jahren”, sagt Autoverkäufer John Millner, der einst aus Motown Detroit seinen Weg in die Wüste Nevadas nach Henderson fand, "sind beliebte Dinger. Farbe, Ausstattung und selbst der Motor sind unseren Kunden meist egal - es geht um den Preis.” Beim Thema Downsizing sind viele Kunden in den USA gerade bei den Pick-ups weiterhin kritisch und so stehen stärkere Achtzylindermodelle in der Käufergunst oftmals ganz vorn. Keine große Überraschung bei günstigen Benzinpreisen von 1,80 bis 2,60 Dollar pro Gallone (3,8 Liter) Kraftstoff und den rustikalen Einsatzmöglichkeiten der Trucks. Diese sind Familien-, Freizeit- und Lastfahrzeug in rollender Personalunion. Auf den Ladeflächen werden wochentags Holz oder Baumarkt-Großeinkäufe und ab Freitagnachmittag Mega-Grills und Surfboards transportiert. Am Haken der Anhängerkupplung zappeln derweil mächtige Boote, Wohnanhänger oder Quads zum puren Wochenendvergnügen.

"Wir verkaufen hier auch die kleinen Pick-ups; besonders den Tacoma. Doch meistens für Gewerbetreibende”, erzählt John Millner, während hinter ihm rund drei Dutzend Ford F-150, Chevrolet Silverado und Dodge Ram Interessenten suchen. Bunte US-Fähnchen wehen hier wohl nicht allein zum Unabhängigheitstag im Wind. "Bei uns laufen Silverados mit Doppelkabine am besten, weil viele hier ein Boot ziehen, wenn es zum Lake Mead geht. Aber auch der F-150 ist begehrt. Die meisten wollen V8, aber insbesondere einen Top-Preis. Und da sind wir hier im Großraum Las Vegas eben oft günstiger als die Markenhändler.” Der Segmentführer Ford F-150 hat mit Chevrolet Silverado, Dodge RAM und Toyota Tundra harte und technisch weitgehend ähnliche Konkurrenten. Besonders der Silverado macht dem Platzhirschen Ford F-150 aktuell das Leben schwer. Wie schon der F-150 verabschiedet sich das neueste GM-Fuhrmobil vom reinen Nutzfahrzeug, verzichtet aber weitgehend auf Alumimium als Baumaterial und bleibt so unbeladen mächtige 2,4 Tonnen schwer. Im Innenraum von Crew- oder Doublecab gibt es mit klimatisierten Sitzen, WLan-Hotspot oder Concierge-Diensten längst Ausstattungsstandards wie in einer europäischen Oberklasselimousine.

Während auf der einen Seite erste Dieselmotoren Einzug in F-150, Silverado und Ram halten, gibt es längst auch echte Sportversionen. Der Platzhirsch Ford F-150 ist sogar als Hochleistungsvariante Raptor mit 450 PS zu bekommen. Mit den Full Size Trucks ist jedoch noch lange nicht Schluss, denn über den bis zu 5,80 Meter langen US-Lieblingen rangieren noch die Heavy Duty Klassen mit Modellen wie Ford F-250, F-350 oder Chevy Silverado HD. Allradantrieb, Automatikgetriebe oder Anhängerfahrprogramme haben sowieso fast alle Modelle an Bord und auf Wunsch gibt es für den härtesten Alltagseinsatz Zwillingreifen, Doppelachsen oder Auflieger. Neben den vielfältigen Einsatz- und Individualisierungsmöglichkeiten sorgen jedoch auch die günstigen Preise von deutlich unter 30.000 Dollar für eine entsprechend große Nachfrage. Luxus-Pick-Ups auf dem verwöhnten US-Markt wie ein Honda Ridgeline oder das GM-Doppel aus Chevrolet Avalanche und Cadillac Escalade EXT mit offener Ladefläche waren nur möglich, weil andere Volumenmodelle die Plattform lieferten. Die neuen Lifestyle-Pick-Ups zeigen, wie komfortabel man in einem Geländewagen mit offener Ladefläche unterwegs sein kann. Zunehmend nähert sich das Komfortniveau von den jeweils rund 5,30 Meter langen Modellen wie Mitsubishi L200, Nissan Navara oder Fiat Fullback den überdimensionalen Vorbildern aus den USA. Und nicht nur in München und Ingolstadt wird man sich die Mercedes X-Klasse ganz genau anschauen.

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