AUTOMOBIL PRODUKTION: Nun muss das Thema Produktqualität auch mit dem digitalen Wandel in den Fabriken korrespondieren. Wie geht das?
Der Bereich der Prozesssteuerung wird immer wichtiger und da ist in der Automobilindustrie noch ganz viel Luft nach oben. Gefordert ist ein Wandel von Qualitätssicherung hin zum Qualitätsmanagement. Die Smart Factory befördert dies, weil durch dieses Konzept die Maschinen und Werkzeuge  selbst immer intelligenter werden. Das heißt, die Qualitätsprüfung, das Sicherstellen von Toleranzen und Ähnlichem passiert immer mehr in den Maschinen, in der Linie. Die Vernetzung all dieser technischen Datenlieferanten muss in ein intelligentes Qualitätsmanagement zur Überwachung, Steuerung und Optimierung der Prozesse münden.

Und mit Prozessen ist auch die Integration der gesamten Lieferkette gemeint.  Entsprechend werden auch  Auftragsformate immer wichtiger. Es geht darum, die Daten der Lieferanten, deren Prüfzertifikate und auch die Prüfdaten der Zulieferteile in einem standardisierten Format zur Verfügung zu stellen. Da ist die Automobilindustrie schon an einigen Stellen sehr weit. Die Praxis zeigt aber, dass die Nutzung der existierenden Standardformate - etwa für Prüfberichte  - heute noch sehr gering ausfällt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Gilt auch bei Daten: Viel hilft viel?
Sicherlich kann es auch ein Zuviel der Daten geben. Es gilt, die Datenvolumina zu filtern und selektiv herauszufinden, was wirklich wichtig ist. Aber eines der Hauptprobleme ist nicht die Datenfülle, sondern die falsche Erfassung von Daten. Viele Leute denken, digital bedeute  papierlos und am Ende werden die Daten dann als pdf-Datei abgelegt. Das macht sie aber nutzlos für eine effiziente Auswertung. Der erzielbare Fortschritt besteht darin, die Prozesse so zu ändern, dass die Daten in maschinenlesbarer Form vorliegen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Cloud-Services?
Cloud-Services werden essenziell, um den Datenaustausch zwischen Lieferant und Kunde unkompliziert und mit einem hohen Wirkungsgrad operativ einzurichten.

Vielen Lieferanten wird heute noch das Leben dadurch sehr schwer gemacht, dass jeder OEM und jeder Hersteller ein eigenes System hat, das angebunden werden muss und an das die Daten gemeldet werden müssen. Dies führt zu einer riesengroßen Menge an verschiedenen Systemen, die bedient werden müssen. Das macht es für den Lieferanten sehr aufwändig und unnötig teuer.

In der Praxis treffen wir heute häufig auf unternehmensintere Clouds. Die werden zwar oft extern gehostet, bleiben aber gewissermaßen in der internen Corporate-Welt. „Private“ Qualitätsdaten sind ja auch sehr sensible Daten.

1,7 Millionen Rückrufe verzeichnet das KBA 2015 auf dem Automarkt in Deutschland - eine Million mehr als noch im Jahr 2013.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was macht den Unterschied zwischen Pflicht und Kür im Qualitätsmanagement?
Ein qualitativ hochwertiges Produkt entspringt letztlich dem Selbstverständnis eines Herstellers als Premiumanbieter. Mit reiner Normerfüllung  wird sich ein solcher Anspruch schwerlich umsetzen lassen. Qualitätsmanagement muss auch verstanden werden als ein Instrument, eine Wettbewerbsposition nicht nur zu halten sondern aktiv zu verbessern.

Diese Erfahrung machen Unternehmen, die Prozesse, Qualitätsmanagementtools und Werkzeuge nicht  aus rein regulatorischer Verpflichtung heraus implementieren, sondern aus einem Selbstverständnis und aus einem eigenen Qualitätsanspruch.

Und das wird mit den neuen Normen und mit deren Revisionen immer wichtiger. Denn sie geben zwar vor, dass Prozesse gesteuert und dokumentiert werden müssen, lassen aber inhaltlich mehr Spielraum, wie man ein Problem löst oder wie man einen Prozess steuert.

Genau hier wird aus unserer Sicht in der Automobilbranche ein Wandel eintreten müssen:  Das Qualitätsthema nicht mehr als notwendiges Übelsehen, sondern sich als Unternehmen selbst darauf verpflichten. Wenn man sich mit den Regelwerken beschäftigt, stellt man fest, dass ihre Anwendung einen großen Beitrag  für den Unternehmenserfolg eröffnen kann.

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