Sven Gabor Janszky, CEO des Zukunftsforschungsinstituts "2b Ahead ThinkTank"
"Wer die Software beherrscht, bestimmt künftig die Regeln und die Preise am Markt. Die Hardware Auto ist nur noch Zugabe", erklärt Sven Gabor Janszky, CEO des Zukunftsforschungsinstituts "2b Ahead ThinkTank" mit Sitz in Leipzig. (Bild: R. Walczyna/2b Ahead Thinktank)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das hört sich so an, als sei die Mobilität von heute ein Fall fürs Museum?
Das ist auch so. Verglichen mit dem Technologiegrad und dem Grad der Vernetzung und der „Intelligenz“, die wir in anderen Bereichen des Lebens schon haben, ist die Art wie wir heute Auto fahren, aber auch wie wir mit Bahn oder im Flugzeug unterwegs sind, tatsächlich ein bisschen antiquiert. Da sind die Automobilhersteller stehen geblieben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist das ein Vorwurf? Wir sprechen ja – gerade aus deutscher Sicht – von einer wirtschaftlich sehr erfolgreichen Industrie…
Vorwurf ist vielleicht zu hoch gegriffen, weil es einen guten Grund gibt für die Entwicklung und der heißt: Sie waren nicht gezwungen, sie waren zu großen Innovationsschüben nicht gedrängt, weil es von außerhalb der Branche keine Konkurrenz gab. Sie waren die Mächtigen und die Platzhirsche. Ich habe viel mit Innovationsprojekten der verschiedenen Branchen zu tun und die grundlegende Feststellung ist immer: Innovation passiert zu 99 Prozent erst dann, wenn man sich unter Druck fühlt, wenn man sich angegriffen fühlt, wenn der Leidensdruck steigt. Es ist ganz logisch, dass sich jetzt, da die Konkurrenz aus Silicon Valley und China droht, die Autobauer bewegen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie stark bewegen sie sich denn; wie hoch ist die Innovationsbereitschaft – gerade bei den deutschen Autobauern?
An der Stelle müssen wir ganz kurz über das Wort Innovation reden. Wenn Sie beispielsweise zu den deutschen Automobilbauern gehen, nehmen wir VW oder Daimler oder BMW, völlig egal, und fragen: „Seid ihr innovativ?“, dann zeigen die ihnen sofort Statistiken, dass sie die innovativsten Unternehmen der Welt sind. Und warum: weil die Statistiken ausweisen, dass sie am meisten Geld in Innovationen stecken. Das stimmt auch, das ist nicht falsch.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das ist doch schon mal nicht schlecht…
Na ja, die Frage ist aber, in welche Art von Innovation das Geld gesteckt wird? Da zeigt sich, dass diese Milliarden zum größten Teil in die technologische Fortschreibung des klassischen Automobils fließen. In Antriebstechnik, in Leichtbau, in Design – eben was so der klassische Automobilbauer hat. Ich nenne es immer die sogenannte inkrementelle Innovation, das leichte Verbessern, Optimieren, Effektivieren von bestehenden Produkten. Da sind die deutschen Autobauer top, super, perfekt, die besten der Welt. Das Problem ist, dass diese Art von inkrementeller Innovation in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr ausreichend ist. Natürlich muss das auch sein, aber in Silicon Valley und auch in China geht es um diese so genannte disruptive Innovation. Dort wird nicht versucht, etwas Bestehendes zu optimieren, sondern es wird versucht etwas Bestehendes beiseite zu schieben, Regeln komplett zu brechen und durch neue Regeln zu ersetzen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ein Beispiel bitte…
Nehmen Sie nur den Innenraum eines Autos: die deutschen, ja alle etablierten Autobauer haben im Kopf, dass sie um die Person des Fahrers herum ein ideales Produkt bauen. Der auf die Grundregel einsetzende Prozess ist immer derselbe: die Designer gehen hin, machen einen Fahrersitz rein, davor ein Lenkrad und ordnen Displays, Hebel und Funktionen im Sichtfeld des Fahrers zu. Der grundsätzliche Unterschied ist, dass die Silicon Valley-Leute ihr Auto nicht um den Fahrer herum bauen, sondern sie bauen einen bewegten Fahrgastraum und in diesem Fahrgastraum kann ich als Passagier alle Dinge tun, die ich halt so tun möchte. Schlafen, arbeiten, Kaffee trinken, arbeiten, spielen und vielleicht sogar mal fahren.

 

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