AUTOMOBIL PRODUKTION: Also gesellt sich zum Automobil nun auch die Zweirad-Technologie…
Wir wollen mit Bosch-Technik das Zweiradfahren sicherer machen. Vor zwei Jahren haben wir beispielsweise das ESP für Motorräder, die Motorrad-Stabilitätskontrolle, auf den Markt gebracht. Das konnte bis dato kein Wettbewerber. Hier haben wir mindestens zwei Jahre Entwicklungsvorsprung. Wir gehen im Wesentlichen aus drei Gründen in den Zweirad-Markt. Erstens wollen wir den Menschen individuelle Mobilität ermöglichen. Zweitens wollen wir Motorradfahren sicherer machen und wollen drittens gleichzeitig einen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten. Wir ersetzen beispielsweise den oft noch eingesetzten Vergaser durch eine Einspritzanlage. Wir verfolgen hier nicht nur eine Highend-Strategie für deutsche Premium-Motorräder, sondern bringen unsere Systeme auch in die Emerging Markets.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie verändert sich der restliche Unternehmensbereich?
Unverändert und als wesentlichen Bestandteil haben wir weiterhin klassische Komponenten und Systeme für Pkws, Nutzfahrzeuge und Off-Highway-Fahrzeuge im Portfolio. Aber wir verbreitern unser Angebot. Jetzt kommen Lösungen für das Flottenmanagement von Leasing-Gesellschaften oder Versicherungen hinzu, um beispielsweise Serviceintervalle zu steuern und so Ausfallzeiten zu reduzieren. 200.000 Fahrzeuge werden wir bis Ende des Jahres vernetzt haben. Auch reine Softwarelösungen gehören mittlerweile zum Portfolio von Mobility Solutions. Beispielsweise stammt die App, die Kunden zusammen mit ihrer Mercedes B-Klasse Electric bekommen, von Bosch. Damit können sie auf dem Smartphone die nächste freie Ladesäule suchen, sich die Route anzeigen lassen und den Ladevorgang über PayPal bezahlen. Und zuletzt haben wir noch die Services, wie zum Beispiel den eCall, den wir für mehrere Fahrzeughersteller über unser Communication Center abwickeln; 500.000 Notrufe in 16 Sprachen allein im vergangenen Jahr. Auch das ist inzwischen Bosch.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Mussten Sie intern viele Leute ?umschichten?, um die neuen Bereiche zu etablieren?
Wir haben den Bereich Mobility Solutions konsequent erweitert und sind unterschiedliche Wege gegangen. So war Bosch eBikes-Systems eine Startup-Gründung. Das Flottengeschäft hingegen betreibt der Bereich Automotive Aftermarket. Ganz wesentlich auch im Automotive Bereich ist die Software-Kompetenz. Die bauen wir sukzessive aus. 15.000 Software-Spezialisten beschäftigt Bosch mittlerweile.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Bekommen die neuen Abteilungen mehr Forschungsetat als die althergebrachten?
Nein. Wir steuern ganz neue Bereiche über Innovationsbudgets, die direkt von der Geschäftsführung vergeben werden. Ich fungiere in einer Doppelrolle, als CEO und CTO von Bosch ? bin also auch der Technik-Chef. Ein Umstand, den ich übrigens sehr schätze. Ich überblicke so die Technikentwicklungen im ganzen Unternehmen und kann direkt Einfluss nehmen. Wir gehen bei der Erweiterung bestehender bzw. der Erschließung vollkommen neuer Geschäftsfelder innovative Wege, was die Organisationsform anbelangt. Lösungen für die vernetzte Welt beispielsweise erschließen wir in Innovations-Clustern. Dort entwickeln Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Bereichen neue Lösungen. Mobilität hat für Bosch heute ganz viele Facetten.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Auf welchen Wettbewerber gucken Sie am meisten?
Unsere Aufmerksamkeit gilt immer unseren Kunden und den Märkten. Das ist zunächst einmal das Wichtigste. Aber ein Unternehmen wie Bosch muss sich natürlich gegenüber seinen Wettbewerbern positionieren ? gerade in der wettbewerbsintensiven Autozulieferbranche. Das machen wir sehr differenziert. Denn je nach Produkt sind unsere Wettbewerber jeweils andere Unternehmen. Es gibt nur wenige Firmen mit einer ähnlich breiten Aufstellung wie Bosch.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Und ist es für Sie wichtig, die globale Nummer 1 zu sein?
Nein. Für mich ist wichtig, dass wir unsere Strategie umsetzen und die Nase bei den Themen Innovations- und Qualitätsführerschaft vorne haben.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie haben jüngst angekündigt, für den Geschäftsbereich Starter Motors und Generators entweder einen Partner oder einen Käufer zu suchen. Warum diese frühe Ankündigung? Die Reaktionen der Mitarbeiter sind wenig positiv.
Die frühe Veröffentlichung der Entscheidung ist ein klarer Beleg dafür, dass wir sowohl unsere Mitarbeiter als auch unsere Geschäftspartner offen und transparent über wichtige Unternehmensthemen und -planungen informieren. Wir stehen noch am Anfang des Prozesses und gliedern den Bereich Starter und Generatoren aktuell in eine rechtlich selbständige Einheit aus. Die Umsetzung wird noch ein paar Monate dauern.
Zur Person Volkmar Denner studierte Physik und startete 1986 seine berufliche Laufbahn bei Robert Bosch. Nach verschiedenen Stationen im Unternehmen wurde er 2003 Vorsitzender des Bereichsvorstands, Geschäftsbereich Automobilelektronik. Drei Jahre später berief man Volkmar Denner zu einem von zehn Geschäftsführern der Robert Bosch GmbH. Seit 1. Juli 2012 ist er der Nachfolger von Franz Fehrenbach als CEO der Robert Bosch GmbH. Denner ist leidenschaftlicher Motorradfahrer. |
AUTOMOBIL PRODUKTION: Wer wäre aus Ihrer Sicht ein idealer Partner oder Käufer?
Der Markt für Starter und Generatoren unterliegt einem sehr starken Wettbewerb und ist durch Überkapazitäten gekennzeichnet. Durch technologische Trends wie das Downsizing und die Elektromobilität werden die Stückzahlen weiter sinken. Die Folge ist ein Verdrängungswettbewerb. Leider hat Bosch keine führende Position am Weltmarkt. Wir glauben, dass ein Partner oder ein geeigneter Käufer mit entsprechenden Strukturen das Geschäft besser weiter entwickeln kann. Größenvorteile und die regionale Aufstellung spielen dabei eine wesentliche Rolle. Wir haben den Bereich in den vergangenen Jahren saniert und haben gute, wettbewerbsfähige Produkte. Ich bin daher überzeugt, dass der Bereich unter neuer Konstellation sehr gute Chancen haben wird, weiter zu wachsen.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Noch ein Mal: Welche Art von Zulieferer würde gut passen?
Wir sind da offen. Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt unverantwortlich, den Partner- oder Käuferkreis einzuschränken. Wir suchen vor allem den richtigen Partner, der in der Lage ist, den Bereich weiter zu entwickeln und ihm Wachstumsmöglichkeiten zu geben.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Kommt auch ein chinesischer Investor in Frage?
Es gibt zwei Regionen, in denen der Bereich nur geringe Marktanteile hat. Das sind Nordamerika und Asien. Ein Partner oder Käufer, der in beiden Märkten Wachstumsmöglichkeiten eröffnen kann, würde strategisch passen.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie meldeten in 2013 den Besitz von 360 Tochterunternehmen in 50 Ländern. 2014 sind es 440 ? also 80 mehr ? in 60 Ländern. Die Logik fortgesetzt, hätten Sie 2015 knapp 500 Tochterunternehmen in 70 Ländern. Richtig gedacht?
Im Anstieg von 2014 gegenüber 2013 sind auch Konsolidierungseffekte enthalten. Aber dennoch: Wir wollen beispielsweise künftig in Afrika stärker wachsen. Dort rechnen wir uns große Chancen aus – allerdings mit langem Atem. Wir eröffnen jedes Jahr mehrere Vertriebsbüros in afrikanischen Ländern. Bis Ende des Jahres werden wir in zehn afrikanischen Ländern präsent sein. Über 700 Mitarbeiter haben wir dort bereits.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Akquisitionen sind durchaus ein Instrument, dessen Sie sich gerne bedienen?
Natürlich ? das machen wir regelmäßig. Viele davon sind außerhalb des Automotive-Bereichs. Als wichtigen Baustein für den Ausbau unserer Software-Kompetenz haben wir beispielsweise die Firma Prosyst im April erworben – einen Spezialisten für Machine-to-Machine-Kommunikation. Prosyst entwickelt Gateway-Software und Middleware, die man im Internet der Dinge braucht, um intelligente Dinge an Software-Plattformen anzuschließen.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Der kürzlich vorgestellte BMW 7er kann alleine einparken. Ist dies ein Bosch-System und wurde es im Rahmen der Einkaufsgemeinschaft BMW-Daimler entwickelt?
Bosch arbeitet schon länger am automatischen Parken, u.a. gemeinsam mit Partnern in einem öffentlich geförderten Projekt. Bosch ist einer der Pioniere und Weltmarktführer im Bereich der Ultraschall-Parkpilot-Sensoren. Wir bauen seit Jahren die Funktionen aus. Angefangen hat es mit einer akustischen Warnung, heute lenkt das Fahrzeug bereits selbständig in die Parklücke. Jetzt gibt es den fernbedienbaren Parkassistent, eine App, mit der Sie ein Fahrzeug einparken können. Sie steigen aus und mit der App manövriert sich das Auto autonom in die Parklücke. Unser nächstes Ziel ist, dass man in Parkhäusern vollständig automatisch einparken kann. Man steigt also vor dem Parkhaus aus, das Fahrzeug sucht sich im Parkhaus selbst einen Parkplatz, parkt ein und fährt auch alleine wieder vor das Parkhaus, wenn man beispielsweise seine Einkäufe erledigt hat.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Wann ist das selbständige Parken im Parkhaus soweit?
Automated Valet Parking, wie wir es bei Bosch nennen, könnte schon in wenigen Jahren Realität werden. Eine wesentliche Voraussetzung ist die Infrastruktur in Parkhäusern für die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Parkhaus. Daran müssen wir mit Betreibern von Parkhäusern arbeiten. Optimal wäre, wenn keine Personen die Wege kreuzen. Ich könnte mir vorstellen, dass man ein Stockwerk für autonom parkende Fahrzeuge reserviert. Der Vorteil beim Parken sind zwei Dinge: die niedrige Geschwindigkeit und dass wir das Umfeld sehr genau kennen.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie sieht es mit dem autonomen Fahren aus?
Das pilotierte Fahren ist der nächste Schritt. Grundsätzlich verfolgen wir bei Bosch folgende Strategie: Wir entwickeln den Autopiloten in Teilschritten: Startpunkt sind Fahrerassistenzsysteme wie die adaptive Abstands- und Geschwindigkeitsregelung ACC, über das ACC Stop & Go, mit dem das Auto bis zum Stillstand abbremst und automatisch wieder anfährt über den Spurhalteassistent bis zum vorausschauenden Notbremssystem. In diesem Jahr führen wir die erste teilautomatisierte Fahrfunktion von Bosch ein, den Stauassistenten. Unsere Prognose ist, dass wir Ende des Jahrzehnts auf der Autobahn Exit-to-Exit fahren können, also automatisiert von der Auffahrt bis zur Abfahrt.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Bis 2020?
Ja. Prototypisch haben wir das schon im letzten Jahr in Detroit demonstriert ? im öffentlichen Verkehr. Es ist aber ein großer Unterschied, ob man einen Prototyp baut oder ein Serienfahrzeug. Im Serienfahrzeug wird das bis ca. 2020 gehen. Danach kommt die komplexeste Anwendung ? das automatisierte Fahren im städtischen Umfeld. Das wird ein Thema der nächsten Dekade werden. Der genaue Zeitpunkt lässt sich im Moment nur schwer vorhersagen.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Prognose stellen Sie der Elektromobilität?
Kürzlich habe ich an der diesjährigen Nationalen Konferenz Elektromobilität mit Bundeskanzlerin Merkel teilgenommen. Dort hat sich gezeigt, dass noch viel zu tun ist bis zum Durchbruch der Elektromobilität im Pkw. Bosch denkt das Thema Elektromobilität aber viel breiter. Elektromobilität ist attraktiv, heute schon im Zweirad und morgen im Auto. Nicht ohne Grund investieren wir weiterhin rund 400 Millionen Euro jährlich in die Elektromobilität. Wir haben auch bereits 30 Serienprojekte für die Elektrifizierung des Fahrens realisiert.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Bei den Autos wird es künftig aber eher ein Hybrid, als ein reines E-Auto, oder?
Beides. Elektromobilität heißt für uns, dass ein Fahrzeug einen elektrischen Antrieb hat. Aber es muss nicht immer das rein elektrische Fahrzeug sein. Wenn Sie so wollen, ist das E-Bike auch ein Hybrid, denn Sie treten ja mit. Ich glaube, dass der Plug-In-Hybrid sehr gute Zukunftsperspektiven hat und keine kurzfristige Übergangstechnik ist. Damit steht auch dem Verbrenner noch die beste Zeit bevor. Gerade für das Erreichen der CO2-Flottenziele bis 2021 ist er unverzichtbar.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Dennoch scheitert die reine E-Mobilität noch an der Leistungsstärke der Batterie…
Aber es gibt enorme Fortschritte in der Leistungsfähigkeit. Wir sollten nicht so sehr auf den Status Quo schauen, sondern mehr den Fortschrittsgradienten der Entwicklung in den Vordergrund stellen.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Ich glaube, man muss den Kunden klarmachen, dass die Sinnigkeit eines E-Autos immer von dessen Einsatz abhängt.
Das sehe ich ganz genauso. Wir werden für Stadtautos andere technische Konzepte einführen als für Langstreckenfahrzeuge. Aktuell höre ich oft: ?Elektromobilität wird nie was. Wer will schon jeden Tag das Auto laden?? Übertragen Sie die Einstellung mal auf die Smartphone-Branche. Vor ein paar Jahren hatten wir alle Handys, die wir meist nur einmal in der Woche laden mussten. Heute müssen Sie ihr Smartphone fast täglich laden ? eigentlich ein Rückschritt beim Komfort und der Alltagstauglichkeit. Trotzdem kaufen die Kunden die Produkte massenhaft. Warum? Weil wir den Nutzen der modernen Geräte hoch einschätzen. Ist der Akku leer, beklagen wir doch eher die eigene Vergesslichkeit als die kurze Akkulaufzeit. Wir müssen es schaffen, auch den Nutzen und Mehrwert der Elektromobilität so darzustellen. Dann wären wir einen Riesenschritt weiter.
Das Interview führte Bettina Mayer