Martin Winterkorn, Volkswagen

Volkswagen ist sehr stark auf Konzernchef Martin Winterkorn (im Bild) und Ferdinand Piëch zugeschnitten, so Branchenexperte Stefan Bratzel. Längst schießen Spekulationen um Winterkorns Nachfolge ins Kraut. (Bild: Volkswagen)

Seit März ist die Vorstandsriege bei Volkswagen im Durchschnitt wieder “unter 60″ – wenn auch nur knapp. Seit der bisher Älteste aus dem Männerzirkel, Ex-Nutzfahrzeugchef Leif Östling (69), ausgeschieden ist, hat Konzernchef Martin Winterkorn (67) den Titel des Alterspräsidenten inne.

Während BMW Ende 2014 den baldigen Sprung seines Produktionschefs Harald Krüger an die Konzernspitze kurz und bündig verkündete, sorgte die VW-Personalie Östling für Befremden. Seinen Abgang zum 1. März erklärte der Konzern mit keiner Silbe, obwohl Volkswagen ansonsten auch Kleinspenden an lokale Vereine oder halbrunde Produktionsjubiläen eigene Pressemitteilungen wert sind. Nun ist Östling nicht Winterkorn – aber sein Fall ist nicht gerade ein Beispiel für eine transparente, mit ruhiger Hand geplante Strategie.

Der Konzern gilt als straff hierarchisch geführt. Aufsichtsratsboss und VW-Patriarch Ferdinand Piëch beschreibt das in seiner Biografie so: “Die Vorstellung einer höchstkarätigen inneren Mannschaft von fünf bis zehn Leuten, deren Zusammenspiel wiederum nur ein Einzelner im Detail lenkt, hat mich ein Leben lang nicht losgelassen. Es ist für mich das wichtigste Rezept geblieben, wie man tatsächlich Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb erzielen kann.”

Führt man heutzutage noch so? Winterkorn sagte im Stern vor kurzem: “Am Ende muss einer entscheiden. Man kann ja nicht ewig diskutieren, wie ein Scheinwerfer aussehen muss.” Das sei ein Erfolgsgarant: “Volkswagen ist mit der starken Persönlichkeit an der Spitze bisher nicht schlecht gefahren.” Das ist unbestritten so: Absatz, Umsatz, Gewinn, Mitarbeiterzahl – seit Winterkorn am Ruder ist und die Vorarbeit von Piëch weiterführt, ist das Wachstumstempo enorm.

“Volkswagen ist sehr stark auf Winterkorn und Piëch zugeschnitten”, bestätigt Branchenexperte Stefan Bratzel. “Und deswegen hat man die enorme Komplexität des Konzern derzeit auch so gut im Griff.” Damit leuchtet ein, warum das Winterkorn-Erbe ein solches Politikum ist. Der neue Chef muss die Balance erhalten aus dezentraler, regionaler Eigenverantwortung auf der einen Seite und der nötigen zentralen Koordination der zwölf Marken und unzähligen Märkte auf der anderen.

Längst schießen die Spekulationen ins Kraut, wer das könnte. Vor allem zwei externe Kandidaten werden gehandelt: der neue Nutzfahrzeugchef und Ex-Daimler-Vorstand Andreas Renschler (56) sowie Herbert Diess (56), zuletzt Entwicklungsvorstand bei BMW und ab Juli als Chef der VW-Kernmarke schon in einem Punkt Winterkorns Nachfolger.

Beide VW-Neulinge müssen sich mit knackigen Aufgaben bewähren: Diess soll die Rendite der Hausmarke VW-Pkw antreiben, Renschler aus den drei Nutzfahrzeug-Töchtern eine schlagkräftige Allianz schmieden und Marktführer Daimler vom Thron stoßen. Bei Erfolg könnten beide Jobs durchaus als Sprungbrett gelten. Doch ein gutes Jahr dürfte kaum reichen, um sich als Kronprinz in Position zu bringen.

Und: “Beide müssen sich erst im Konzern beweisen”, gibt Kenner Bratzel zu bedenken. “Sie haben noch kein Netzwerk, keine Hausmacht und ihre Chancen sind dementsprechend nicht sehr groß.” Das könnte sich ändern, sollte Winterkorn Ende 2016 verlängern, womöglich für zwei weitere Jahre. “Man weiß es nie”, sagte Winterkorn dazu dem “Stern”. 2018 werden Diess und Renschler 60 Jahre alt.

Das Alter könnte für den Dauer-Kronprinzen Rupert Stadler sprechen. Der Audi-Boss wird nächste Woche erst 52 Jahre alt, was in der Führungsetage bei Volkswagen geradezu jung ist. Stadler selber meinte Anfang des Jahres nur: “Die Frage stellt sich nicht.” Doch er wäre auch mehr als schlecht beraten, brächte er sich selber ins Spiel.

Dennoch: Stadler gilt nicht nur als Vertrauter von Winterkorn, sondern auch von Piëch, dessen Büro er einige Jahre leitete. Gegen den Willen der Arbeitnehmer aber wird es keine Nachfolgelösung geben – und der mächtige Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh betonte schon mehrfach, dass Winterkorns Nachfolger einen produktnahen Hintergrund als Techniker und Ingenieur mitbringen sollte – ein reiner Betriebswirt komme nicht infrage. Stadler ist Betriebswirt.

Als ausgemacht gilt bisher nur, dass “Wiko”, wie Winterkorn intern heißt, in den Aufsichtsrat wechseln dürfte. Womöglich erst Ü-70.

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dpa/ks

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