„Wir konnten bei sämtlichen Technologien eine positive Entwicklung registrieren“, sagt Prof. Dr. Christina Reich von der FOM Hochschule für Ökonomie & Management sowie Managerin bei MHP. „Wir sehen beispielsweise am Barometerwert von 60 Prozent bei Ortungstechnologien – das sind 11 Prozentpunkte mehr als 2023 –, dass in diesem Bereich noch mehr Technologien partiell oder vollständig im Einsatz sind, die Einzelteile von Produkten oder Endprodukte über die gesamte Wertschöpfungskette orten können, als im vergangenen Jahr.“
Allerdings lassen sich der Studie zufolge deutliche Unterschiede im Ländervergleich ausmachen: Während in China und den USA jeweils rund zwei Drittel der Befragten angeben, bereits partiell oder vollständig Ortungstechnologien einzusetzen, sind es in der Dachregion nur 36 Prozent. Noch deutlicher identifiziert die Studie die Unterschiede beim digitalen Zwilling: Entsprechende Technologien sind demnach in China bei 72 Prozent der Befragten partiell oder vollständig im Einsatz, in der DACH-Region hingegen nur bei einem Viertel. Die USA kommen auf einen Wert von rund 43 Prozent.
„Im Grunde findet sich dieses Bild bei allen Industrie-4.0-Aspekten“, erläutert Christina Reich. „China führt mit erheblichem Abstand – mittlerweile liegen auch die USA fast überall ein gutes Stück zurück. Das Vereinigte Königreich folgt in der Regel auf dem dritten Rang. Die DACH-Region hat meist den größten Nachholbedarf.“
China ist führend bei industrieller KI
Auch beim Thema KI sieht die Studie, für die MHP und die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) 856 Mitarbeiter in Industrieunternehmen befragt haben, erheblichen Nachholbedarf: In China setzen demnach 94 Prozent der Unternehmen künstliche Intelligenz in den eigenen Fertigungsprozessen ein. Die USA kommen hingegen nur auf 46 Prozent, die DACH-Region liegt abgeschlagen bei 20 Prozent. Eine Mehrheit von rund 60 Prozent schätzt die Auswirkungen von KI in den Fertigungsprozessen der nahen Zukunft derweil als grundlegend oder (sehr) hoch ein.
„Das enorme Potenzial von Industrial AI haben eigentlich alle erkannt. Umso bedenklicher ist aus unserer Sicht, dass insbesondere im Vereinigten Königreich und in der DACH-Region verpasst wird, dieses Potenzial auch zu nutzen“, sagt Johann Kranz, Professor für Digital Services and Sustainability an der LMU. Ein entscheidender Grund für die deutlichen Unterschiede zwischen den Ländern bei KI-basierten Lösungen sei der Mangel an entsprechend qualifizierten Mitarbeitenden. In China stimmten 88 Prozent der Befragten der Aussage zu, über ausreichend viele Teammitglieder zu verfügen, um die Arbeit in KI-Projekten zu erledigen. In der DACH-Region bejahten das nur 36 Prozent.
Fehlende Fachkräfte verzögern neue Technologien
Generell betrachten 52 Prozent der Studienteilnehmer den Fachkräftemangel als den größten Hemmschuh für die Einführung von Industrie 4.0-Technologien. Als weitere Probleme machen die Befragten die eigenen Legacy-Systeme und die komplizierte Einbindung neuer Technologien ins Tagesgeschäft aus (jeweils 47 Prozent). Weniger Sorgen machen sich die Befragten hingegen über die Profitabilität neuer Technologien und Abläufe: Während sich im Vorjahr noch 67 Prozent der Befragten über den Return on Investment sorgten, waren es in der diesjährigen Befragung nur noch 43 Prozent.
Ein positiver Stellhebel für die Einführung von Smart-Factory-Technologien und den Einsatz von KI sei die Verankerung von IT-Themen auf Vorstandsebene. Unternehmen, bei denen der CIO (Chief Information Officer) Teil der Geschäftsführung ist, schneiden den Studienautoren in allen entsprechenden Disziplinen besser ab. Beispielsweise bewerten Teilnehmende aus solchen Unternehmen den eigenen KI-Reifegrad um 91 Prozent höher als Teilnehmende aus Unternehmen ohne CIO in der Geschäftsführung. Und sie sind mit der Finanzierung von KI-Projekten signifikant zufriedener. In China ist diese Erkenntnis der Studie zufolge bereits angekommen: In China ist der CIO in 83 Prozent der analysierten Betriebe Teil der Geschäftsführung.