Werkzeugbau, Bereich mechanische Fertigung, im BMW Group Werk Eisenach

Auch der Werkzeugbau muss sich den neuen Nachhaltigkeitsanforderungen der Autobranche anpassen. (Bild: BMW)

Im Werkzeugbau dominieren die klassischen Anforderungen wie optimale Zykluszeiten, Genauigkeit, geringere Toleranzen und ein Höchstmaß an Flexibilität verbunden mit längeren Standzeiten der Tools. Zukunftsweisende Werkzeugkonzepte allerdings berücksichtigen auch Themen wie Klimaneutralität und Ressourceneffizienz, CO2-Bilanzierung und Lebenszyklusanalysen (LCA). Nicht nur legislative Initiativen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive der EU oder Verpflichtungen in Sachen CO2-Footprint verändern den Werkzeugbau - innovative Verfahren, neuartige Bauteilkonstruktionen und Verbundwerkstoffe stellen Fachabteilung oder Zulieferer vor neue Herausforderungen.

3D-Druck unterstützt den Leichtbau

Auf dem diesjährigen Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquium der RWTH Aachen heißt das Leitmotto Empower Green Production. Im hauseigenen Werkzeugmaschinenlabor WZL sind Mitarbeiter mit einem leichtbauoptimierten Greifsystem befasst, das neue Wege für den ressourceneffizienten Einsatz von Industrierobotern im Handling- und Montagebereich ebnen soll. Die Leichtbaustrukturen der Greiffinger entstammen einem additiven Fertigungsverfahren. Das schichtweise Aufbauen der Komponenten anhand von Konstruktionsdaten aus dem Rechner bringt Gewichtsvorteile gegenüber herkömmlichen Stahl- und Alukonstruktionen. Laut einem Zwischenbericht sind die WZL-Forscher davon überzeugt, dass durch den Einsatz von 3D-Drucktechnik ein wichtiger Schritt zu einem energieeffizienten und kreislauffähigen Greifsystem gelungen ist. Zusätzlich entwickelte Konfigurationstools erleichtern den praktischen Einsatz für Handlingaufgaben.

Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgen bereits Automobil-Zulieferer wie Schunk oder der in Overath ansässige Automatisierungsspezialist ASS. Das im Automotive-Sektor aktive Unternehmen entwickelt Greiferteile, Greifzangen und komplette Roboterhände und setzt für geeignete Anwendungsfälle auf gewichtsreduzierte Elemente nach dem Motto: Je leichter ein Greifer gebaut wird, desto energieeffizienter sind seine Einsatzmöglichkeiten.

Die Nordrhein-Westfalen schätzen die Designfreiheiten von 3D-Druckverfahren und nutzen die Selektive Laser-Sinter Technologie (SLS) vor allem, wenn herkömmliche Produktionstechnik an Grenzen stößt. Bei Pick-and-Place-Aufgaben zeigte sich in verschiedenen Anwendungsfällen bereits, dass auf Basis von Polyamid gesinterte Sauggreifer besonders in beengten Arbeitsbereichen ihren Pendants aus Aluminium sowohl hinsichtlich Gewicht als auch der wirtschaftlichen Herstellung überlegen waren. Der Clou: Durch innenliegende Luftführungskanäle entfiel das Gewicht von zusätzlichen Luftschläuchen, wie es der herkömmliche Werkzeugaufbau vorsieht.

Tools aus dem 3D-Drucker ermöglichen neue Kühlsysteme

Verfechter von 3D-gedruckten Werkzeugen sind davon überzeugt, dass sich Bohrer, Fräser und Spannmittel durch das schichtweise Aufbauverfahren leichter konstruieren und besser kühlen lassen. 3D-Drucker beispielsweise platzieren Kühlkanäle im Fräswerkzeug an bislang kaum erreichbaren Wärme-Hotspots und reduzieren darüber die Abkühlzeiten der Fräsmaschine. Kürzere Zykluszeiten sparen Kosten und senken den Energieverbrauch, was letztendlich der CO2-Bilanz zugute kommt. Präzisionswerkzeughersteller Mapal etwa konnte mit Hilfe additiver Technik ein Glockenwerkzeug realisieren, das mit einer speziellen Wabenstruktur im Inneren Gewichtseinsparungen von rund 30 Prozent gegenüber herkömmlich gefertigten Glockenwerkzeugen erzielt.

Der 3D-Druck könnte sich in der Werkzeugherstellung vom Hidden Champion zum Zugpferd für gewichtsoptimierte Tools entwickeln. So ist es einem Team aus Wissenschaftlern der Universität Rostock und Experten der Stenzel MIM Technik mit Hilfe der 3D-Drucktechnik ein Metallspritzgießwerkzeug (MIM) herzustellen, das die Bauzeit eines solchen Werkzeugs von acht Wochen auf nur fünf Tage verkürzt. Das Verfahren gilt als besonders ressourcenschonend und energieeffizient.

Eine Schippe drauf legt das kanadische Start-up-Unternehmen Xaba. Die Newcomer wollen im Karosseriebau energieaufwändige Verfahren wie Gießen, Schmieden oder Warmumformung vollständig durch additive Fertigungswerkzeuge und einen KI-gesteuerten 3D-Großdrucker ersetzen. Auf der US-amerikanischen Consumer Electronic Show (CES) 2023 stellten die Kanadier bereits ein funktionsfähiges, 3D-gedrucktes Elektroauto-Chassis vor, das aus nachhaltigen Materialien wie Fasern, faserverstärkten Polymeren und Metallen besteht. Nach eigenen Angaben wurde der Karosserierahmen in einer einzigen Roboterfertigungszelle hergestellt und besteht nur aus drei Bauteilen. Das Chasiss schneidet bei den Herstellungskosten wie der CO2-Bilanz besser ab als ein vergleichbarer Karosserierahmen auf Metallbasis.

Karosseriebau wird nachhaltiger und effizienter

Ein so extremes Beispiel für den letztlich werkzeugfreien Chassis-Bau ist in den Fabrikhallen der Automobilhersteller nicht in Sicht. Allerdings gewinnen nachhaltigkeitsbezogene Aspekte wie Gewichtsoptimierung, Energieegffizienz und reduzierte CO2-Emissionen bei den internen Werkzeugbau-Abteilungen der OEMs immer mehr Aufmerksamkeit. Vor einem Jahr stellte die Leichtmetallgießerei der BMW Group im niederbayerischen Komponentenwerk Landshut auf eine Mehrplatten-Werkzeugtechnik um. Zentraler Vorteil gegenüber der konventionellen Werkzeugtechnik: Durch eine funktionsoptimierte Bauteilgestaltung und entsprechender Auslegung der benötigten Angusspositionen sowie der Fließwege lassen sich Bauteilgewichte und deren Dimensionen reduzieren.

„Mit der Entwicklung neuer Anguss- und Entformungssysteme mittels Direktanguss in der Mehrplatten-Werkzeugtechnologie lassen sich so im Druckgießverfahren funktions- statt fließwegoptimierte Bauteildesigns realisieren. Zudem lässt sich das Bauteilgewicht bei gleicher Funktionserfüllung um bis zu 20 Prozent reduzieren“, erläutert Klaus Sammer, Leiter Werkzeugbau, Instandhaltung und Vorentwicklung der Leichtmetallgießerei.

Ein weiterer Vorteil von so genannten modularen Druckgusswerkzeugen liegt im Materialeinsatz. Für die Herstellung von Gießereiwerkzeugen ist die verwendete Stahlmenge der wichtigste Faktor. Durch die Modularisierung von Druckgusswerkzeugen kann der bayerische OEM rund 40 Prozent des bislang benötigten Stahls einsparen. Dadurch verringert BMW nicht nur den CO2-Ausstoß im Werkzeugbau, sondern auch die Materialkosten. Laut Sammer ergeben sich zusammen mit der besseren Wiederverwendbarkeit von Werkzeugkomponenten signifikante Kostenvorteile.

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